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Ausgabe:

1993

Spalte:

437-441

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Meuffels, Hans Otmar

Titel/Untertitel:

Einbergung des Menschen in das Mysterium der dreieinigen Liebe 1993

Rezensent:

Hoffmann, Fritz

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Theologische Litcraturzeitung I 18. Jahrgang 1993 Nr. 5

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chen zur Verselbständigung gegenüber dem Unendlichen" ZU unterschätzen
(ebd.). so daß auch für die l'neumatologie kein eigenständiges Thema mehr
bleibe (456). Andererseits versuche Tillich de facto die Vermittlung von Zeit
und Kwigkeit letztlich gar nicht über den Begriff der Geschichte, sondern
über seine Ontologie zu erreichen. Dieser Versuch führe im Ergebnis zu
einer zeitlosen und geschichtlich unvermittelt gedachten Beziehung zwischen
Ewigkeit und Zeit bzw. dem Sein-selbst und dem endlichen Sein.

M. schließt seine Untersuchung mit einem Kapitel über die
Zeitlehre K. Barths ab. Der Vf. zeigt, daß und wie sich Barth in
seiner „Kirchlichen Dogmatik" in einer stillen Auseinandersetzung
mit der Philosophie Heideggers befindet. Das Wesen der
Zeit wird von Barth christologisch bestimmt, d.h. durch den Verweis
auf eine in bestimmter Weise qualifizierte Vergangenheit
interpretiert M. sieht die Schwache der Barthschen Dogmatik
darin, daß ein „ontologisch zu nennendes und ein .geschichtlich'
orientiertes Konzept" sich in der „Kirchlichen Dogmatik" letztlich
gegenüberstehen und miteinander nicht vermittelt werden
(431), und bemängelt die „fehlende Vermittlung von phänomenologischer
Analyse und christologischer Begründungsstruktur"
(493).

Stärken und Schwächen der genannten theologischen Entwürfe
kommentiert M. vergleichend nicht etwa am Schluß, sondern
in der Hinleitung zu seiner Dissertation. Während er die Schwäche
der Zeitlehre Heims in der Verabsolutierung der Gegenwart
sieht, bestehe bei Tillich die Gefahr, die Zukunft zu verabsolutieren
, bei Barth aber, einseitig der Vergangenheit das theologische
Übergewicht zu verleihen. In welche Richtung der Vf.
selbst denken möchte, wird von ihm leider nur sehr knapp angedeutet
. „Es scheint uns ,heute' nicht um die Notwendigkeit der
Entfaltung der Zeit als ,Zeit für' zu gehen" (53). Weder vermöge
die Hervorhebung ihres appcllativen Charakters der christlichen
Botschaft ihre lebensgestaltende Kraft zurückzugeben, noch
könne länger fraglos die Identität der Zukunft der Welt mit der
Ewigkeit Gottes behauptet werden. „Uns erscheint also eher das
an der Zeit zu sein, was als .vergegenwärtigendes Erinnern', das
/tu Erwartung der Zukunft Gottes bereit macht, umschrieben
werden könnte" (54).

Hierüber würde der Leser gern mehr erfahren. Bedauerlicherweise
bricht M.s Arbeit an dieser Stelle jedoch ab. So vermißt
man nach dem Barth-Kapitel einen weiterführenden systematischen
Schlußteil, in dem der Autor wenigstens ansatzweise
näher erläutern würde, was er unter dem „vergegenwärtigenden
Erinnern" der Geschichte Gottes versteht. Es hätte sich nahegelegt
, zumindest in der Form eines Ausblicks auf die geschichts-
philosophischen Thesen W. Benjamins, auf die von ihm beein-
flußte Zeitlehre J. B. Met/' wie auch diejenige J. Moltmanns in
seiner 1985 erschienenen Schöpfungslchre (Gott in der Schöpfung
, 11 (SIT) einzugehen. Da ein solcher Schlußteil fehlt, bleibt
es in M.s Dissertation, wie ihr Vf. es selbst nennt, bei einer
„Zusammenstellung" (16) ausgewählter, allerdings maßgeblicher
philosophischer und theologischer Entwürfe. Zu ihrem besseren
Verständnis hat der Autor eine Reihe neuer wichtiger
Gesichtspunkte beigetragen. Dafür ist ihm zu danken.

Wien Ulrich Körtner

Meuffels, Hans Otmar: Einbergung des Menschen in das Mysterium
der dreieinigen Liebe. Eine trinitarischc Anthropologie
nach Hans Urs von Balthasar. Würzburg: Echter 1991.
XIV. 585 S. gr.80 = Bonner dogmatische Studien, 11. Kart.
DM 64,-. ISBN 3-429-01391-7.

Das Werk von Meuffels (M.) wurde im Wintersemester 1990/
91 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität
München als Doktordissertation angenommen. Es bietet eine
kongeniale Interpretation der Theologie Hans Urs von Balthasars
, die sie in Richtung der Trinitätslehre weiterentfaltel. Das
Substantiv in der Überschrift lautet aber „Anthropologie" und
gehört methodisch in die Ontologie. M. folgt dem Grundansatz
Balthasars, der Theologe habe philosophische Themen von der
Theologie her anzugehen. Der Ausgangspunkt allen Nachdenkens
über den Menschen sollte für den Theologen die Menschwerdung
des Gottessohnes sein. „Doch das, was Theologie,
Anthropologie und nicht zuletzt der einzelne Gläubige zu leisten
haben, ist bereits konkret faßbar vorgegeben in dem Einen, der
wahrer Gott und wahrer Mensch ist: Jesu Christus. In diesem geschichtlichen
Faktum gründet das .Ineinander von Theologie
und Anthropologie', und Balthasar schließt sich Karl Rahner an,
wenn dieser sagt, daß, ,wenn Gott selbst Mensch wird und es in
Ewigkeit bleibt, ... alle Theologie in Ewigkeit Anthropologie
bleibt' [Schriften zur Theologie IV, 51967, 150]. Der Versuch,
zunächst eine .neutrale Anthropologie' zu entwerfen, um dann
erst in einem zweiten Schritt Anthropologie und Theologie zusammenzubringen
, ist demnach theologisch nicht legitim, da er
hinter das theologisch-anthropologisch vorgegebene Faktum
Jesus Christus zurückfällt" (4).

Damit ist eigentlich das Motiv des ganzen Werkes bei Balthasar
wie bei M. gegeben, das bei beiden durch das Ganze des
Werkes hindurchklingt. Wir stehen vor einem beeindruckenden
Entwurf, der uns eine sublime Sicht des Menschen vorführt. Das
ist sicher eine überaus wertvolle Handleitung ('manusuetio' bei
Nikolaus Cusanus) für die Praxis einer sublimen Spiritualität.

Freilich darf nicht übersehen werden, daß die Theologie seit ihren Anfäfl
gen ihre Begriffe auf weite Strecken hin der Philosophie entnommen hat und
noch entnimmt. Dabei steht der Theologe immer wieder vor Sachfragen der
Philosophie, der Psychologie und weiterer Spezialisierungen der Ontologie.
die er von seinem Fachgebiet aus nicht methodisch angehen kann. Im Grunde
stoßen wir hier auf einen Streitpunkt der Theologiegeschichte, der wohl
zum ersten Mal mit aller Deutlichkeit in dem .Fakultätenstreit' Ende des 13.
Jh.s an der Pariser Universität greifbar wurde. Die Häupter der gegnerischen
Parteien waren Thomas von Aquin und Heinrich von Gent. Thomas verwendet
zwar in reichstem Maße die Ergebnisse oder Sachfragen philosophischer
Reflexion in der Theologie, unterscheidet aber dabei genau zwischen der
jeweiligen Methodik'. Heinrich von Gent gibt dagegen der theologischen
Methodik einen unbedingten Führungsanspruch im Vorgehen des Theologen
, auch wenn er sich philosophischer Argumente bedient2.

Dieser .neuralgische' Punkt findet sich auch in der Theologie
Balthasars. In seiner zutreffenden Interpretation und Weilerführung
dieser Theologie zieht M. wiederholt - nach dem Beispiel
Balthasars - Sachfragen der Philosophischen Anthropologie
heran, auch in kritischer Befragung Balthasars. Da aber das
Ganze ein Entwurf von oben her und nach oben hin darstellt (ich
gebrauche diese Formulierung trotz möglichen Einspruches und
hoffe, daß sie im Zusammenhang dieser Ausführungen recht
verstanden wird), meldet sich die Frage an, ob dabei nicht die
Probleme, die sich im konkreten Vollzug des menschlichen Lebens
einstellen, zu kurz kommen. Daneben bleibt eine andere
Frage bestehen, die das Konzept der Wisscnschuftsmethodik für
den Fachtheologen betrifft: Tritt bei einer solchen Ausblendung
der philosophischen Anthropologie die Philosophie nicht allzu
sehr in den Schatten der Theologie?

Doch diese Fragen wollen wir zurückstellen angesichts eines
Gesamtentwurfes, der die Grenzen abstrakt wissenschaftlicher
Untersuchung sprengt. Das zeigen schon die Überschriften der
drei Hauptteile: .Prolegomena', .Dramaturgie',,Dramatis Perso-
nae'. Der erste Teil dient der Einführung in die Sache und in das
geistige Umfeld der Theologie Balthasars. Ich nenne nur einige
Stichworte: die Erörterung des Analogie-Begriffes und seiner
Problematik in dem geistigen Dreieck Maxismus Confessor -

1 Kompetent dargestellt von Wolfgang Kluxen: Die philosophische Ethik
bei Thomas von Aquin. Mainz 1964.

2 Darüber informiert uns Ludwig Hödl: Introduction ä l'Edtion critique de
la Summa d'Henri de Gand. In: Henriei de Gandavo Summa (Quaestioncs
ordinariae) art. XXXI-XXXIV, ed. R. Macken. (Opera Omnia XXVII). Leu-
ven 1991, Xl-XXXIV, bes. XV. XXVII, XXXI.