Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1993

Spalte:

417-421

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rößner, Maria Barbara

Titel/Untertitel:

Konrad Braun 1993

Rezensent:

Kaufmann, Thomas

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

417

Theologische Literaturzeitung I 18. Jahrgang 1993 Nr. 5

418

gangen wird, daß Albrecht von Mainz die 95 Thesen Luthers
ohne Einladungsformel zur Disputation erhielt, erfährt der Leser
1, 301 f, Anm. 2, daß sie ..möglicherweise" auf dem handgeschriebenen
Thesenblatt an Albrccht schon vorhanden war, wie
es das Gutachten der Mainzer Universität nahelegt.

Die Hgg. scheuen sich auch nicht, Urteile zu fällen. Sie bestätigen
, daß Prierias als „ausgesprochener Schulthomist" argumentierte
, was nicht ausgereicht habe, „Luthers Anliegen gerecht zu
werden" (1, 200). Die „Instructio summaria" für das Erzbistum
Magdeburg wird gerügt, weil sie zwar die Ablaßlehre der Kirche
korrekt wiedergab, aber den Eindruck erweckte, daß es „um das
Geld und das Heil der Seelen" ginge und „Mißbräuchen und
Mißverständnissen Vorschub geleistet" wurde (1, 250). An den
Thesen, die Tetzel in Frankfurt/Oder verteidigte, wird kritisiert,
daß sie „Schulmeinungen als Glaubenswahrheiten" hinstellten (1,
312). Zu den von Luther herausgebrachten „Acta Augustana"
wird nicht nur festgestellt, daß sie „ein wichtiges Zeugnis für
Luthers fortschreitende Problematisierung des päpstlichen Amtes
" sind, sondern auch, daß Cajetan ihre grundsätzliche Glaubwürdigkeit
nie in Frage gestellt hat (2, 85. 87). Über die Auseinandersetzung
, wieviel der Dominikanerorden beigetragen habe,
Luthers Prozeß in Gang zu bringen oder zu beschleunigen, wird
unterrichtet (1, 24- 26), aber wenig zur Klärung beigetragen.

Zwei Literaturverzeichnisse informieren ausgiebig über Veröffentlichungen
zur Causa Lutheri. Es fehlt allerdings Horst
Herrmann: Marlin Luther: Ketzer wider Willen (München 1983),
der in dieser Lutherbiographie einprägsam schildert, wie Luther
auf seine seelsorgerlichen Fragen aus Rom nur juristische Antworten
erhielt. Register zu Bibelstellen, Zitaten, Personen und
Orte sowie Sachen und Begriffe erschließen die Dokumente.
Wenn diese Quellenausgabe zu Luthers römischen Prozeß auch
nicht alle Texte auf einem einheitlichen, hohen Editionsniveau
bietet, stellt sie doch eine sehr nützliche Zusammenfassung des
Forschungsstandes dar.

Leipzig Helmar Junghans

Rößner, Maria Barbara: Konrad Braun (ea. 1495-1563) - ein

katholischer Jurist. Politiker. Kontroverstheologe und Kirchenreformer
im konfessionellen Zeitalter. Münster: Aschen-
dorff 1991. XXXIX, 435 S. gr.8» = Reformationsgeschichtliche
Studien und Texte, 130. Kart. DM 98,-. ISBN 3-402-
03778-5.

Rößners Bonner historische Dissertation handelt von dem in
der evangelischen Reformationsgeschichtsforschung weitgehend
unbekannten Juristen, Kontroverstheologen und zeitweise
höchst einflußreichen Territorial- und Reichspolitiker Konrad
Braun. An seiner Biographie versucht die Vfn. zu zeigen, wie
„mittelalterliches Rechtsdenken in neuzeitliches Konfessionsbewußtsein
überging" (341; vgl. 232). Die Autorin bemüht sich
mithin um den Nachweis, daß Braun ein „konfessioneller Denker
" (9; passim) war, d.h. „kontroverstheologisch, rechtlich,
religions-, territorial- und reichspolitisch immer nach grundsätzlichen
und zukunftsorientierten Lösungen strebte" (341). Mit
diesem „konfessionellen" Problembewußtsein sei Braun seiner
Zeit vorausgewesen. Braun war „unzeitgemäß" (342), was seine
im ganzen geringe Wirkung erkläre. Der entscheidende Grund
seiner eingeschränkten Wirkung sei aber darin zu sehen, daß
Braun, lange bevor das Tridentinum eine programmatische Ge-
vimiperspektivc für die katholische Konfcssionalisierung entwickelte
, „an der unbedingten Autorität der Papstkirche" (342)
festgehalten habe.

Die angedeutete Einordnung Brauns in den globalen Umbruchprozeß
der „Konfessionalisierung" (vgl. 2f) signalisiert,
daß R. keine angesichts der Quellenlage auch wenig aussichtsreiche
„Biographie im eigentlichen Sinn, d.h. ein Lebens- und
Persönlichkeitsbild" (13), zeichnen will, sondern ihren Blick
„verstärkt auf die Stellung und Wirkung des Individuums in seiner
Zeit" richtet (14). In der Studie überschneiden sich mithin
biographische Fragestellungen und die Aufnahme der gegenwärtig
breit geführten Konfessionalisierungsdiskussion (H.
Schilling, Reinhardt, Rublack u.a.), in der der Konfessionalisie-
rungsprozeß als gesellschaftsgeschichtlicher Mobilisierungsund
Modernisierungsvorgang begriffen wird (vgl. z.B. 10). In
dem Interesse an der biographischen Erforschung katholischer
Kontroverstheologen (vgl. nur das von tserloh seit 1984 hg.
fünfbändige Sammelwerk „Katholische Theologen der Reformationszeit
", Smolinskys Arbeit über Alveldt und Emser von
1983 und Freudenhagens Studie über Hieronymus von Dungersheim
von 1988) scheint R. zugleich einem ausgeprägten Trend
der gegenwärtigen katholischen Reformationsgeschichtsfor-
schung verpflichtet zu sein (vgl. 13).

Unter breiter, z.T. erstmaliger Einbeziehung archivalischer
Quellen, die über den Menschen Braun wenig oder nichts, über
den Juristen, Hofpolitiker und Verwaltungsexperten freilich
allerhand zu erkennen geben, versucht die Vfn. Brauns ...Stellung
in der territorialen und kirchlichen Führungsschicht" (14)
zu bestimmen und „aus Brauns Perspektive den Weg der katholischen
Kirche im Reich von der Glaubensspaltung zur Konfessionskirche
zu verfolgen" (15). Schließlich stellt R. Brauns
..wissenschaftliche Werke und Streitschriften" (14) und einen
1987 entdeckten Katechismus dar und - eine besonders verdienstvolle
Leistung! - rekonstruiert die recht umfangreiche
Bibliothek des Rechtsgelehrten und Domherrn aufgrund erhaltener
Bestände in Dillingen, Salzburg und München.

Die Aspektvielfalt des Frageinteresses hat auf den etwas
unklaren Aufriß der Studie durchgeschlagen. Orientieren sich
die beiden ersten Kapitel des Buches an den biographischen Stationen
des in seiner Person (geadelt 1536; Adelsbrief für weitere
Familienangehörige 1550, vgl. 18; 48; 183 - „Der Doctor sieht
wie er Ritter oder Edel werd [...]." [48, Anm. 127]) den Aufstieg
der fürstlichen Beamtenjuristen („Gelehrte Räte") spiegelnden,
„ehrgeizigen" (184; 187) Fischersohnes (Herkunft, Familie, Studium
und Juraprofessur für Institutionen an der Universität
Tübingen [Kap. 1 ]; Tätigkeit als Gelehrter Rat und Kanzler des
Würzburger Fürstbischofs, Assessor am Reichskammergericht
und Leiter der Kammergerichtskanzlei in kurmainzischen, seit
1542 in wechselnden bayrischen Diensten [Kap. 2]), so handelt
das stark theologisch ausgerichtete, theologiegeschichtlich freilich
wenig fundierte dritte Kapitel unter dem Titel „Kontroverstheologie
und Konfessionalisierung" von Braun als kontroverstheologischem
Denker. Das vierte Kapitel über „Konrad Braun
und die katholische Reform" ist wiederum sowohl biographisch
(Braun als Kanzler im bayrischen Landshut; Brauns bedeutendste
Lebensstellung als Kanzler des Augsburger Bischofs Otto
Truchseß von Waldburg bis zu seinem Tod 1563) als auch thematisch
orientiert und behandelt so disparate Gegenstände wie
z.B. verschiedene Konferenzen, Stellenwechsel und Brauns
Katechismus. Geschlossener schließlich ist das fünfte Kapitel:
„Der Verfassungspolitiker: Um Reichsordnung und Rcligions-
frieden", in dem die bedeutendsten verfassungsrechtlichen Beiträge
Brauns, u.a. sein Widerstand gegen den Augsburger Religionsfrieden
in seiner letzten Stellung und als maßgeblicher
Vetreter einer konsequent kurialen, auch gegen die kaiserlichen
Vermittlungsstrategien gerichteten „harten" Linie dargestellt
werden. In einem sechsten Kapitel Uber „Die Person und ihre
Wirkung" werden schließlich zeitgenössische Urteile über den
höchst umstrittenen Mann ausgebreitet und bewertet und Brauns
Nachwirkungen als „konfessioneller Denker" bestimmt. Eine
vorwiegend quantitativ angelegte Analyse der Bibliothek
Brauns, die in einem Anhang mit Kurztiteln und Autorenindex
aufgeführt wird, runden das Buch ab.