Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1993

Spalte:

415-417

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Dokumente zur Causa Lutheri, (1517 - [fünfzehnhundertsiebzehn bis] 1521) 1993

Rezensent:

Junghans, Helmar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

415

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 5

416

Fabisch, Peter, u. Erwin Iserloh [Hg.]: Dokumente zur Causa
Lutheri (1517-1521). 1. Teil: Das Gutachten des Prierias
und weitere Schriften gegen Luthers Ablaßthesen (1517-
1518). 459 S. m. 27 Taf.; 2. Teil: Vom Augsburger Reichstag
1518 bis zum Wormser Edikt 1521. XV, 558 S. m. 52 Abb.
Münster: Aschendorff 1988/91. gr.8« = Corpus Catholi-
corum, 41 u. 42. geb. DM 160,- u. DM 180,-. ISBN 3-402-
03456-5.

Als Johann Froben in die erste Sammelausgabe von Lutherschriften
- die im Oktober 1518 in Basel erschien - auch eine
Schrift des Silvester Prierias mit aufnahm, begründete er zugleich
die Gewohnheit, in Ausgaben von Werken Luthers
Schriften seiner Gegner mit aufzunehmen. Ausgiebig machte
davon Johann Georg Walch in seiner Lutherausgabe (Halle
1740-1753) Gebrauch, was in die 2. Aufl. (St. Louis, Mo. 1880-
910 = W2) übernommen wurde. So führt der Bd. 15 auf den
ersten 381 Sp. mit ins Deutsche übersetzten Schriftstücken zum
Ablaß von 1300 bis 1518 anschaulich in die spätmittelalterliche
Ablaßpraxis ein. Es entstanden aber auch spezielle Ausgaben zu
bestimmten reformatorischen Vorgängen, wie z.B. die „Sammlung
einiger zum päbstlichen Ablaß überhaupt, sonderlich aber
zu der im Anfang der Reformation zwischen D. Martin Luther
und Johann Tetzel hiervon geführten Streitigkeiten gehörigen
Schrifften" von Johann Erhard Kapp (Leipzig 1721). Bis in das
20. Jh. hinein erschienen Quelleneditionen zum Ablaßstreit, die
durch neue Auswahl, neuentdeckte Quellen, verbesserte textkritische
Erläuterungen und neue Interpretationen diesen Komplex
vertieften. Den vorläufigen Endpunkt dieser Reihe setzt die vorliegende
Edition.

Die Auswahl erstreckt sich auf 50 Stücke und konzentriert
sich auf Luthers Prozeß. Sie führt nicht langatmig in die Ablaßpraxis
ein, sondern bietet als ältestes Dokument die Ablaßbulle
vom 31. März 1515, die Erzbischof Albrecht von Mainz
erhielt, und erstreckt sich bis zum Wormser Edikt vom 8. Mai
1521. Die Stücke sind nicht einfach chronologisch geordnet,
sondern in elf Komplexen zusammengefaßt, wodurch das Vorgehen
der einzelnen lutherfeindlichen Handlungsträger - Silvester
Prierias, Albrecht von Mainz, Johannes Tetzel, Johannes
Eck, Augustinereremiten, Leo X. - übersichtlicher wird.

Die Texte sind nach vorausgeschickten „Editionsgrundsätzen
" leicht vereinheitlicht. Indem die Hgg. sich für eine grundsätzliche
Kleinschreibung mit Großschreibung in neun aufgelisteten
Fällen entschieden, ließen sie die als rhetorische Hilfe
gedachte Großschreibung der Vorlagen verschwinden. Auf die
Erläuterung frühneuhochdeutscher Wörter wurde verzichtet, so
daß der Leser nicht erfährt, daß Tetzel mit „unentgentztem
gehirn" ein „unzerstückeltes Gehirn" meinte (1, 362, 21). Die
textkritische Bearbeitung ist recht unterschiedlich. Bei päpstlichen
Schreiben werden auch die Lesarten von Konzepten urtd
angebrachte Korrekturen mitgeteilt, während bei Lutherbriefen
der textkritische Apparat hinter dem der Weimarer Ausgabe
zurückbleibt. Zwei Briefe Luthers an Cajetan sind nach dem
Baseler Nachdruck wiedergegeben, ohne über abweichende
Lesarten in der handschriftlichen Uberlieferung zu unterrichten
(2, 112- 116). Als Editionsgrundsatz wird zwar angekündigt, daß
in der Regel die Editio princeps zugrunde liegt, aber manchmal
scheint doch wichtiger gewesen zu sein, welche Auflage die
Hgg. leicht in die Hände bekommen konnten. So wurde z.B. die
„Appellatio F. Martini Luther ad Concilium" nicht nach dem von
Luther betreuten Wittenberger Druck ediert, wovon nur ein
Exemplar in London bekannt ist, sondern nach einem Leipziger
Nachdruck, der in Stuttgart greifbar war. In Querverweisen wird
vedienstvollerweise nicht nur auf die Seiten, sondern auch auf
Zeilen der vorliegenden Ausgabe verwiesen, ohne daß aber der
Verlag auch eine Zeilenzählung den Texten beigegeben hat. Hier
ist an der falschen Stelle gespart.

Dein einzelnen Stücken sind „Bibliographische Vorbemerkungen
" vorausgeschickt, die über die Verbreitung der Drucke
Auskunft geben und z.B. bei Bannandrohungsbulle „Exsurge
domini" unter den „Raubdrucken der gegnerischen Seite" auch
die durch Ulrich von Hutten kommentierte Ausgabe aufführen.
Die Abbildung einer recht großen Anzahl von Titelseiten der
einzelnen Ausgaben, aber auch von Textseiten, Handschriften
oder Plakatdrucken (z.B. 2, 1981") vermitteln eine lebendige
Anschauung der Überlieferung. Den Eingriff der kurfürstlichen
Zensur dokumentiert eindrücklich die Wiedergabe der Seite aus
den „Acta Augustana", auf der acht Zeilen durch Druckerschwärze
unleserlich gemacht werden mußten (2, 67). Es werden
auch Nachdrucke in Lutherausgaben angegeben, aber nicht
vollständig. Obgleich oft auf W2 verwiesen wird, ist z.B. die
Übersetzung der „Asterici Lutheri adversus obeliscos Eccii" in
W2 18, 536-589 nicht angegeben (vgl. 1, 398).

Zu den Vorzügen dieser Edition gehört, daß sie Texte, die in
lateinischer und frühneuhochdeutscher Fassung erschienen
sind, parallel gedruckt bietet. So kann leicht bemerkt werden,
wie die Übersetzung der Dekretale „Cum postquam", die 1518
in Wien erschien, „nonulli Religiosi" zu „etlich geistlich" verallgemeinerte
. Der Hinweis, daß der Nachdruck der deutschen
Fassung auch W2 15, 626-633 zu finden sei, läßt nicht erkennen
, daß es sich dort nicht um die Wiener Übersetzung, sondern
eine neue von Johann Erhard Kapp handelt, der „Religiosi"
richtig mit „Mönche" wiedergab. Manchmal wird der Übersetzer
in W2 allerdings mitgeteilt (z.B. 2, 233). Daß verschiedene
Übersetzungen zugleich Zeugen unterschiedlicher Textrezeptionen
sind, wird dem Leser also nicht immer bewußt gemacht.

Es sind nicht alle Schriften aufgenommen worden, auf die
sich aufgenommene beziehen. Aber in einigen Fällen werden
die betreffenden Texte in den Anmerkungen geboten. So enthalten
z.B. die Anmerkungen zu den von Tetzel in Frankfurt/
Oder verteidigten Thesen über Ablaß und päpstliche Gewalt
viele von Luthers 95 Thesen über die Kraft der Ablässe und
Reaktionen von Luther auf Tetzeis in den „Resolutiones dispu-
tationem indulgentiarum de virtute". Am Schluß von Luthers
Appellation vom 28. November 1518 ist in Anm. 41 die Appellation
der Pariser Universität vom 27. März 1518 angeführt (1,
2271), weil sie oft zum Vergleich herangezogen wurde. Manchmal
bieten auch die Vorbemerkungen wichtige Texte, wie die
übersetzten Auszüge aus Luthers Brief vom 31. Oktober 1517
an Albrecht von Mainz (1, 293-295, mit der lateinischen Vorlage
in der Anm.). Trotzdem bleibt diese Ausgabe vom Anliegen
des „Corpus catholicorum" geprägt, Luthers Gegner zu Wort
kommen zu lassen. Über Luther wird nur insoweit unterrichtet,
wie es für das Verständnis ihrer Schriften notwendig erscheint.
Wenn auch nicht alle Schriften aufgenommen werden konnten,
die Luther zur Abwehr des gegen ihn angestrengten Prozesses
veröffentlichte, bleibt doch die Frage, ob nicht einige Stücke so
eng mit der Causa Lutheri verbunden sind, daß sie hierher
gehören, wie z.B. seine an Leo X. gerichtete Widmungsvorrede
zum „Tractatus de libertate christiana".

Die „Historischen Vorbemerkungen" zu den einzelnen Stük-
ken sind recht ausführlich. Sie gewähren gute Einblicke in die
Forschungsgeschichte und unterrichten oft auch über den Inhalt
des folgenden Dokumentes, was bis zu ausführlichen Referaten
reichen kann. Biographische Abrisse zu für Albrechts Ablaß
und in Luthers Prozeß handelnden Personen linden sich sowohl
in den Vorbemerkungen als auch in den Anmerkungen und sind
zum Teil recht detailliert. Es wird deutlich dokumentiert, wie
die Machtgier der Hohenzollern und die Habgier Roms den Ablaß
von 1515 hervorbrachten. Überhaupt kann festgestellt werden
, daß diese Vorbemerkungen faktenreich und auf gründliche
Informationen aus sind. Dabei kann es unterlaufen, daß nicht
alle Aussagen aufeinander abgestimmt sind. Während 1, 38 im
Gefolge von Klemens Honselmann von der Möglichkeit ausge-