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Ausgabe:

1993

Spalte:

19-20

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Biblische und ausserbiblische Spruchweisheit 1993

Rezensent:

Meinhold, Arndt

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 1

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schied und übrigens außenpolitisch zu einem totalen Desaster
geführt hat, eine „gottgewollte Revolution" gemacht.

Zum knappen Artikel „Jerobeam" (293f) von C. Dohmen sei
eine Formulierung zu Jerobeam II. kritisch hinterfragt: „Der
durch die Feldzüge des Assyrers Adadnarari III. erfolgte Macht-
verlust des Aramäerstaats... hat die außenpolitische Stellung J.s
II. begünstigt, was zu wirtschaftlicher Blüte und Wohlstand im
Inneren beitrug. Die damit gegebenen sozialen Mißstände und
falschen Sicherheiten der Oberschicht dieser Gesellschaft...
kommen... bei - Arnos in den Blick". Hier seien einmal die wirtschaftspolitischen
Voraussetzungen seitens Theologen angefragt
: Wieso verbinden wir immer so glatt die Diagnose von
wirtschaftlicher Blüte und gleichzeitigen sozialen Mißständen?
Zu empfehlen wäre hier die Lektüre von M. Silver, Prophets and
Markets. The Political Economy of Ancient Israel, Boston, The
Hague, London 1983.

Es ist ein ausgesprochenes Verdienst des Artikels „Jesaja
(Buch)" von H. Seebaß, daß er Echtes und Unechtes zu differenzieren
versucht (316f). Trotzdem möchte ich fragen, was die
Klassifikation „echt" genau meint? So wird Jes 7 erst als „echt
(bearbeitet?)" beurteilt, dann aber mit dem Zusatz „wegen der
dritten Person in Kap. 7 nicht von J." erläutert (317). Erstreckt
sich also die Klassifikation „echt" auch auf das Werk von
Schülern des Propheten, die ganz im Sinne ihres Lehrers erste
Texte zusammengesellt und auch produktiv gestaltet haben?

Eisenach Rainer Stahl

Klimkeit, Hans-Joachim [Hg.]: Biblische und außerbiblische
Spruchweisheit. Ergebnisse einer Tagung der Sektion Religionswissenschaft
/Missionswissenschaft der Wissenschaftlichen
Gesellschaft für Theologie vom 26. bis 29. September
1988 in Basel. Wiesbaden: Harrassowitz 1991. VIII, 146 S.
gr.8° = Studies in Oriental Religions, 20. Kart. DM 86,-.

Ein ungewöhnlich vielfältiger, interessanter und wichtiger
Band ist als Ergebnis der im Untertitel genannten Tagung erschienen
(leider mit großem Zeitverzug). Die interdisziplinäre
Zusammenarbeit zeigt sich in Bezug auf das Thema, die Spruchweisheit
, und seine Durchführung von der besten Seite. Namhafte
Gelehrte haben den Gegenstand - ausgehend von der
Welt der Bibel und des Alten Orients - in weiteren Bereichen
Asiens und vor allem Afrikas verfolgt und bis zum Kern des
Problems geführt, nämlich der Bedeutung der Gerechtigkeit als
einer gemeinschafts- und lebensbezogenen Größe. Dabei ist
bemerkenswert, daß am Ende ein Beitrag (von Ulrich Berner)
zur afrikanischen Spruchweisheit im Werk des nigerianischen
Schriftstellers Chinua Achebe steht und damit der Bogen bis
ins 20. Jh. geschlagen wird. Daß das nicht unbeabsichtigt war,
ergibt sich aus dem Vorwort des Hg.s, wo es heißt: „In einer
Zeit der Überwindung eurozentrischer Perspektiven... eröffnet
also gerade die Spruch- und Lebensweisheit einen Zugang zum
Denken jener Völker, die mit uns die Erde geteilt haben und
noch teilen" (VII). Ob das erstaunlich breite Interesse an der
Weisheit „mit unserer eigenen geistigen Situation zusammenhängen
könnte; mit jener Situation der abendländischen Kultur,
die viele ihrer religiösen Vorstellungen, Werte und Traditionen
zurückgelassen hat und doch gerade heute vermehrt (und vielleicht
nicht zuletzt aus diesem Grund) neuer Orientierung bedarf
und nach neuer Orientierung sucht", fragt Hans Heinrich
Schmid mit gutem Grund in seiner Einleitung (2).

Im einzelnen lassen sich die gehaltvollen Beiträge hier kaum
mehr als lediglich nennen. Den Anfang machen „Weisheitsüberlieferungen
vom Alten zum Neuen Testament" von Ulrich
Luck (7-31). Es geht dabei vor allem um einen Verstehensver-
such der Weisheit im biblisch-theologischen Kontext überhaupt

und um die vermittelnde und gestalterische Funktion der zwi-
schentestamentlichen Weisheitslitertur im besonderen. Dabei
spielt das Gesamtkonzept von Gerechtigkeit als Weltordnung,
das nicht unbestritten ist, eine beherrschende Rolle. So berechtigt
die Frage nach der Bedeutung der Weisheit in der Bibel
überhaupt ist, so sehr vermißt man in einem Band zur Spruchweisheit
eine eigene Behandlung des umfangreichen alttesta-
mentlichen Materials; der erste Beitrag kann diesen strukturellen
Mangel jedenfalls nicht beheben. Hellmut Brunner stellt
„Die menschliche Willensfreiheit und ihre Grenzen in ägyptischen
Lebenslehren" dar (32-46) und fügt die Voraussetzung
jeder erfolgreichen pädagogischen Bemühung auf der einen
Seite und die Begrenzung des unvollkommenen Menschen
durch Gott und die menschliche Unterordnung in der persönlichen
Frömmigkeit auf der anderen zusammen (In einer Anmerkung
wird zurecht auf das 1990 erschienene, einschlägige Buch
von Jan Assmann „Ma'at" verwiesen (431, das von „Weltordnung
als Gerechtigkeit" ausgeht [dort 34|). In Fritz Stolz' Darstellung
„Von der Weisheit zur Spekulation" (47-66) werden
für den mesopotamischen Bereich wesentliche Sachverhalte -
z.B. formgeschichtliche - behandelt, die auch auf die alttesta-
mentliche Spruchweisheit in analoger Weise zutreffen. Sie belegen
die bekannte Nähe der israelitischen Aussagesprüche zur
mesopotamischen Spruchweisheit, konturieren letztere aber
stärker in ihrer Geschichte. Hervorzuheben sind auch Hans-
Joachim Klimkeits Ausführungen zur „.Gerechtigkeit' in der
persischen Spruchweisheit" (69-84). Die Gerechtigkeit läßt
sich in typischer Weise durch die Kennzeichen des Gerechten
(„Bescheidenheit, Freundlichkeit, Menschenliebe, Großzügigkeit
und Friedfertigkeit", 75) und seines Gegenteils, nämlich
„Arroganz, Friedlosigkeit, Menschenfeindlichkeit, Reizbarkeit
und Habgier" (ebd.), beschreiben. Ähnlich zentral ist der Beitrag
von Norbert Klaes „Indische Spruchweisheit und das Verständnis
von dharma" (85-101) ausgerichtet, indem dieser
schwer zu ergründende Begriff fortschreitend bestimmt wird
(vgl. 86ff). Als sein Wesen und Maßstab tritt die „Einheit aller
Lebewesen in Gott" hervor, und sie steht „im Gegensatz zu
einer Welt mit Rechtsbestimmungen und Kostenvorschriften,
die in Dualität verstrickt ist" (95). Auf die grundlegend religiöse
Dimension der (Spruch-)Weisheit in Schwarzafrika machen
die profunden Aufsätze von Ernst Dammann „Gott und Geister
in Sprichwörtern aus Schwarzafrika" (105-116) und von Theo
Sundermeier „Weisheit in den afrikanischen Religionen" (117-
134), aber auf seine Weise auch der eingangs erwähnte abschließende
Beitrag (135-146) aufmerksam.

Die bemerkenswerte Einheitlichkeit in der Sache, die den
Band durchzieht, wird nicht wirklich getrübt durch Spannungen
bei der unabgestimmten Verwendung von „Sprichwort"
(59. 85.107.112. 114f. 120. 135ff); sein gewiß nicht leicht zu
bestimmendes Verhältnis zu „Spruchweisheit" hätte vielleicht
im Vorwort zu beschreiben versucht werden können. Die
Weisheitsforschung und insbesondere die von Sprüchen hat
durch diesen Band und die ihm zugrundeliegende Tagung Zusammenhänge
aufgezeigt bekommen und wertvolle Anregungen
erhalten, die aufmerksame Beachtung verdienen.

Naumburg (Saale) Arndt Meinhokl

Reumann, John [Ed.]: The Promise and Practice of ßiblical
Theology. Preface by J. W. Vannorsdall. Minneapolis: Fort-
ress Press 1991. X, 214 S. 8«.

Das Lutheran Theological Seminary in Philadelphia/USA
hat sein 125jähriges Jubiläum im Jahr 1989 zum Anlaß genommen
, einen Kreis von Theologen zu Vorlesungen einzuladen,
die der Thematik einer Biblischen Theologie sowie ihrer An-