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Ausgabe:

1993

Spalte:

406-407

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Thomas, John C.

Titel/Untertitel:

Footwashing in John 13 and the Johannine community 1993

Rezensent:

Wengst, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1 IS. Jahrgang 1993 Nr. 5

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pen den Reflex darstellen auf bestimmte monierte Übel" (72)
m.E. problematisch. Man könnte ihn mit gleichem Recht umkehren
, indem man fragt, ob nicht die Irrlehrerpolemik in ihrer
sprachlichen Gestalt ein Reflex der sonstigen (insgesamt reichlich
schematischen) theologischen Terminologie des Vf'.s der
Past sei.

Schiarb dürfte jedoch auf alle Fälle darin im Recht sein, daß
er die Situationsbezüge der Polemik sowie auch bestimmte polemische
Spitzensätze beim Wort nimmt. So schließt er aus 2Tim
3,6, daß die Gegner Lehrer sind, die aus den eigenen Reihen der
Gemeinden kommen, und nicht etwa von außen eindringende
pneumatische Wandermissionare (so U. B. Müller). Ihre Zugehörigkeit
zum „großen Haus" der Kirche sieht er durch 2Tim
2,20 bestätigt. Und die Namensnennungen (lTim 1,20: Hyme-
naios und Alexandras; 2Tim 2,17: Phygelos und Hermogenes)
dürfen als konkrete Hinweise auf Glieder der Paulusschule, die
zu Initiatoren der Irrlehre geworden sind, genommen werden.
Auf deren zentralen Inhalt verweist das Schlagwort „Die Auferstehung
ist bereits geschehen" (2Tim 2,18) hin, das „wahrscheinlich
den Kernsatz der gegnerischen Lehrdisputation in der
Gemeinde wiedergibt" (93). Schiarb will hier eine Spur wieder-
ßnden, die sich bis in die paulinischen Briefe zurückverfolgen
läßt: einerseits bis zum pneumatischen Auferstehungsenthusias-
mus in der korinthischen Gemeinde (IKor 15), andererseits bis
zu der Tauflehre des Paulus (Gal 3,28; Rom 6 und 8), die aufgrund
ihrer engen Verbindung von Taufe, Geistbesitz und Anteilhabe
am auferstanden Christus für entsprechende Mißverständnisse
offen war. Ebenso stellen sich der Anspruch der Gegner
auf eine besondere „Erkenntis" (lTim 6,20; Tit 1,16) und
ihre asketischen Neigungen (lTim 4,3) als auf der Linie der korinthischen
Debatte um das Götzenopferfleisch (IKor 8; vgl.
Rom 14) liegend dar.

Schwieriger verhält es sich mit der Polemik zu den Stichworten „Gesetz",
..Mythen" und „Genealogien" (lTim 1,3- 7). Schiarb erkennt nämlich richtig
, daß die Past - anders als Paulus - nicht gegen ein akutes Judaismus-Problem
kämpfen, und lehnt (wiederum gegen U. B. Müller) die Annahme einer
doppelten gegnerischen Front ab. Seine Auskunft, wonach diese Stichworte
lediglich für einen „sich pneumalisch legitimierenden, aber eben nicht zum
Nutzen der Gemeinde dienenden, selektiv verfahrenden Schriflgebrauch"
stehen (92). läßt freilich Fragen offen. Vor allem die sich aufgrund des
Askese-Motivs naheliegende Frage nach gnostisehen Kinflüssen bleibt völlig
ausgeklammert. (Die Auskunft, der Verzicht auf Sexualität und Fleischgenuß
habe sich aus exegetischer Kombination der in der Taufe angenommenen
Neuschöpfung mit der biblischen Urgeschichte ergeben, es gehe um
eine Rückkehr zur paradiesischen Ursprünglichkeit, die weder Sexualität
noch Fleischgenuß kannte [132f], kann, zumindest in der Beiläufigkeil, mit
der sie hier geäußert wird, schwerlich überzeugen).

Immerhin ergibt sich so für die Gegner ein überraschend einheitliches
Bild: Diese sind aus der Paulustradition stammende,
in den paulinischen Gemeinden wirkende Lehrer, die ein massives
präsentisches Heilsverständnis vertreten, „das sich aus der
Taufe und der damit verbundenen Geistbegabung herleitete"
(132), sich als Pneumatiker verstehen und dieses Bewußtsein in
Bilm ihren Äußerungen vertreten.

Damit ist die Voraussetzung gewonnen für den Versuch, dem
der II. Teil gewidmet ist, die Past insgesamt als Antwort auf die
Häresie ..in Lehre und Leben" zu deuten. Es ist Schiarb hier vor
allem um den Nachweis zu tun, daß alle in den Past vorgetragenen
Lehrinhalte, auch wenn sie formal als bloße Wiedergabe
von vorgegebenen Traditionen oder als pragmatisch-trockene
ethische Weisungen erscheinen, der Sache nach um den einen
zentralen Brennpunkt der dogmatischen Kontroverse mit den
Gegnern versammelt sind und von da her als dogmatische Stellungnahmen
- vorab zu Fragen der Sotcriologie und Pneumato-
logie - gewertet zu werden verdienen. Als weiterführend erweisen
sich dabei vor allem die Erwägungen zur Abwandlung des
Revelationsschemas (1 Kor 2,7ff; Kol 1,26f; Eph 3,4f.9f; Rom
16,251") in 2Tim 1,9t"; Tit l,2f: die esoterische Begrenzung des
Olfenbarungsgeschehens auf den Apostel bzw. den Pneumatiker

wird hier endgültig aufgehoben zugunsten des Gedankens, daß
die Offenbarung sich an alle Menschen richtet und im „Evangelium
" bzw. im „Kerygma" (beide im Sinne kirchlicher Lehre
verstanden) vorfindlich ist. Paulus ist dabei nicht als Offenbarungsträger
und Typus des Pneumatikers, sondern als Garant
und zugleich als Verkörperung bzw. Vorbild der Wirkung der
Heilsereignung gesehen (161). Im Gegenzug gegen das Esoteri-
kertum der Gegner wird alles Gewicht darauf gelegt, daß Gottes
Offenbarung allen Menschen zugänglich ist und in der Gestalt
paulinischer Lehre zugänglich gemacht werden soll. Verkündigung
ist „von daher nicht Offenbarung im paulinischen Sinne,
sondern letztlich traditio" (190). Der Paulus der Past ist nur
insofern Offenbarungsmittler, „als er Exempel für und Traden!
von Ol fenbarungswirkung ist" (191). Der „Epiphanie" der Gnade
Gottes kann man darum nur in der Weise Rechnung tragen,
daß man sich dieser Offenbarungswirkung unterstellt, indem
man die paulinische Lehre rezipiert und das paulinische Exempel
als ethische Verhaltensnorm praktiziert. Gerade die Betonung
der Stetigkeit und Kontinuität christlichen Lebensvollzugs,
etwa in der oikos-Ekklesiologie und den Weisungen zu den
innergemeindlichen Autoritätsverhältnissen, ist als Antithese zu
der rein präsentischen Heilstheologie der Gegner zu verstehen
und erhält von da her dogmatisches Gewicht.

In dem Bestreben, theologische Zusammenhänge und Hintergründe
aufzuzeigen, mag Schiarb manchmal etwas (zu) weit
gehen. So wäre hinter manches argumentum e silentio, aus dem
er weitgehende Schlüsse zieht (so z.B. das Fehlen des Sohnes-
Prädikats für die Getauften in den Past) ein kritisches Fragezeichen
zu setzen. Insgesamt jedoch halte ich das theologische Plädoyer
für eine theologische Rehabilitierung der Past, das er in
dieser ebenso kenntnisreichen wie umsichtig argumentierenden
Untersuchung vorbringt, für gelungen und überzeugend. Es ist
zu hoffen, daß es nach einer Epoche, in der die geringschätzige
Abwertung dieses Schriftencorpus an der Tagesordnung gewesen
ist, eine längst überfällige Neubewertung einleitet.

Erlangen Jürgen Roloff

Thomas, John Christopher: Footwashing in John 13 and the
Johannine Community. Sheffield: JSOT Press 1991. 214 S.
8° = Journal for the Study of the New Testament, Suppl.Series
61. Lw. £ 22.50.

T. beginnt in Kapitel 1 mit einem knappen Überblick über
bisherige Auslegungen von Joh 13, die in sieben Typen unterteilt
werden. Das 2. Kap. ist der lextkritischen Frage gewidemt.
ob die Worte et u,T) xovq nöbac, in V.10 zum ursprünglichen
Text gehören oder nicht. Wahrscheinlich ist das eine der Fragen,
über die es nie einen Konsens geben wird. Mich haben die Argumente
von T. für den Langtext nicht überzeugt. Kap. 3 informiert
über die Fußwaschung im Judentum und in der griechischrömischen
Welt. Wenn ich recht sehe, ist kein Text angeführt,
der nicht schon bei W. Lohse (Diss. Erlangen 1967) oder im
RAC-Artikel von Kötting genannt wäre. Das Verdienst von T.
ist es jedoch, in einer sinnvollen Gliederung alle relevanten Texte
in englischer Übersetzung zu bieten.

In Kap. 4 wendet sich T. ausführlich dem Text Jo 13,1-20 zu.
Er bestimmt ihn als integralen Teil der Abschiedsreden. Wie sie
dient er der Vorbereitung der Jünger auf Jesu Weggang. Da Fußwaschung
in der Antike in irgendeiner Weise immer auch den
Aspekt der Vorbereitung hat, ist dieser Text an dieser Stelle
besonders geeignet. Ein Bezug auf Jesu Tod ist so von vornherein
gegeben. Der Hauptteil des Kapitels besteht aus einer eindringenden
Vers-zu-Vers-Exegese des Textes. T. geht von der
Voraussetzung aus, daß der jetzt vorliegende Text Sinn macht.