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Ausgabe:

1993

Spalte:

398-399

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Schubert, Kurt

Titel/Untertitel:

Die Religion des Judentums 1993

Rezensent:

Wächter, Ludwig

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 5

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sehr beschränkte Beziehung zum rabbinisch-talmudischen Judentum
Palästinas aufweist, was religionsgeschichtlich von
großem Belang ist, da manchmal zu leichtfertig Befunde aus der
rabbinischen Literatur auf die westliche Diaspora übertragen
werden. Frauen (Kap. VII, 102-113) betreffen nur 40% der
Inschriften, wobei wieder die synagogale Organisation mit zur
Diskussion steht. Religionsgeschichtlich bedeutsam ist Kap.
VIII (114ff.) die ausgewogene Darstellung und Wertung der bezeugten
Ansichten über den Tod und das Leben nach dem Tod.
Der Neutestamentier findet dann in Kap. IX (127ff.) noch Hinweise
auf das Neue Testament. Dabei kommen aber auch hier
judaistisch relevante Aspekte zur Sprache, etwa die dominante
Bedeutung der Torah (1321.). Den Abschluß des trefflichen
Werkes bilden IM IT. eine Auswahlbibliographie und 17III. ein
Index nach dem CIJ und neueren Einzelpublikationcn. zuletzt
1771 f. ein (vielleicht doch etwas zu knapper) Namen- und
Sachindex.

Brühl Johann Maier

bezeichnete er den Sozialismus als die höchste Religion, die
Gerechtigkeit und Liebe als die beherrschenden Lichter der
Gesellschaft verwirklicht.

Heß war kein biblischer Gelehrter und behandelte die Bibel
nur im Vorübergehen mit großer Freiheit (175f.) Sie war keine
Autorität für ihn. Heß trat niemals für einen Judenstaat ein, weil
die Bibel es so will, sondern weil es gut für die Juden und die
übrige Menschheit ist.

Theodor Herzl (1860-1904) wußte in seinem ..Judenstaat"
noch nichts von Heß. Erst später (1901) rühmte er in seinem
Tagebuch den kommunistischen „Zionisten-Rabbi": „Seit Spinoza
hat das Judentum keinen größeren Geist hervorgebracht als
diesen vergessenen, verblaßten Moses Heß" (51).

Die Würdigung von Heß ist wichtig, weil in der ehemaligen
DDR das Andenken von Heß gegenüber Marx vernachlässig)
worden war (2, Anm. 1).

Berlin Wolfgang Gericke

Lundgren. Svante: Moses Hess on Religion, Judaism and the
Bible. Äbo: Äbo Akademis Förlag 1992. X, 206 S. 8°. ISBN
952-9616-02-3.

Das Buch stellt eine Akademische Abhandlung für die Theologische
Fakultät der finnischen Universität Abo in englischer
Sprache dar.

Moses Heß( 1812-1875) wurde als deutscher Jude in Bonn geboren
. Seine Rolle in der Geschichte des Sozialismus und Zionismus
darf nicht übersehen werden.

L.s Buch bietet zunächst hinter einer Einführung (1-17) eine
Biographie von Heß (18-52); sodann folgen längere Abschnitte -
ich übersetze: ..Heß über Religion und Judentum" (53-112) und:
„Heß und die Bibel" (1 13-177). Abgeschlossen wird das Buch
mit Ausführungen über: „Moses Heß zwischen Moses, Marx
und Spinoza. Allgemeine Zusammenfassung und Folgerungen"
(178-180). Beigegeben sind zwei längere Zitate in deutscher
Sprache (181-185). sowie ausführliche Register (186-206), die
teils einen Überblick Uber die recht verstreuten Schriften von
Heß geben, teils die ziemlich umfangreich gewordene Literatur
zusammenfassen.

L. nennt Heß einen „Pionier" (2). Er war nicht nur ein Kommunist
vor Marx und Engels, sondern auch ein Zionist 35 Jahre
vor Herzl's „Judenstaat" (1896). Er beeinflußte zeitweilig Marx.
So übte er z.B. einen gewissen Einfluß auf Marx' Abhandlung
„Zur Judenfrage" (1844) aus (35f.). Er verband religiösen (wenn
auch unorthodoxen) Glauben mit sozialistischen Gedanken. Seine
Vermischung von Spinozismus und Sozialismus war interessant
(2). Er gab dem Sozialismus eine ethische Motivation, keine
ökonomische wie Marx (2). Der Sozialismus wird, gemäß
Heß, die Vorherrschaft erlangen, weil er die allein gerechte
Form der Gesellschall schaffen kann. Nur er kann Rechtmäßigkeit
. Gerechtigkeit und Liebe garantieren. Diese Auffassung ist
auch heute - nach dem Zusammenbruch so vieler marxistischer
Länder - noch nicht überholt.

Während des letzten Teils seines Lebens maß Heß der Idee
der Nationalität eine große Bedeutung zu (2). Dafür ist Heß'
frühzeitiges Eintreten für einen Judenstaat symptomatisch, der
allerdings kommen wird ohne göttliche Intervention in der Person
eines Messias. Heß lehnte den orthodoxen „fantastischen"
Messiasglauben ab (99). Religion war für ihn im Grunde nicht
empirische, sondern ideale Religion, in Form des Spinozismus,
in welchem die jüdische Religion gereinigt war von „Mysterien"
und „Aberglauben" und in reiner Moral aufging (107). So kann
Heß' sozialistisches Engagement gesehen werden als ein Versuch
, die Ideen Spinozas zu realisieren (108). Von hier aus

Schubert, Kurt: Die Religion des Judentums. Leipzig: Benno
1992. 298 S. 8o. Pp. DM 34,-. ISBN 3-7462-0599-9.

Der bekannte Wiener Judaist legt mit seinem Buch „Die Religion
des Judentums" das zusammenfassende Ergebnis einer
mehr als 40 Jahre betragenden Forschungs- und Lehrtätigkeit in
diesem Fachbereich vor. Vergleicht man das 1955 erschienene
Buch des Vf.s „Die Religion des nachbiblischen Judentums",
das bereits eine instruktive Einführung geboten hatte, mit dieser
„Religion des Judentums", so spürt man, in welchem Maße in
den letzten Jahrzenten die Kenntnisse innerhalb dieses Fachgebietes
vertieft und erweitert worden sind.

Was Sch.s Buch auszeichnet, ist, daß Wissenschaftlichkeit
und Verständlichkeit, die auch dem Laien entgegenkommt, in
angenehmer Weise miteinander verbunden werden. Das ist nicht
zuletzt die Frucht einer umfangreichen Vortragstätigkeit, die
immer offen war für Hörer mit je verschiedenem Bildungsgrad.

Das Buch ist in 14 Kapitel gegliedert, wobei die ersten 7
Kapitel, einer Alttestamentlichen Theologie vergleichbar, sich
mit der Theologie, der Anthropologie und der Soteriologie befassen
: „I. Gott und der himmlische Hofstaat. II. Satan und
Dämonen. III. Wunder und Magie. IV. Mensch und Schöpfung.
V. Der Erwählungsbegriff. VI. Messianismus und politische
Eschatologie. VII. Individuelle Eschatologie und Auferstehung
." Es folgt ein kurzer Abschnitt über das Problem der Pro-
selyten (VIII). Kap. IX behandelt die jüdische Frömmigkeit und
Kap. X die religiöse Kunst des Judentums, ein Gebiet, mit dem
sich der Vf. in langjähriger Arbeit intensiv beschäftigt hat.

Während Kap. I-X ein notwendiges Grundwissen vermitteln,
einer zweistündigen Pflichtvorlesung über zwei Semester entsprechend
, wie im Vorwort angemerkt wird, bringen die letzten
vier Kapitel Spezialwissen: „XI. Der jüdische Hellenismus und
seine Folgen. XII. Die mittelalterliehe jüdische Religionsphilosophie
. XIII. Der aschkenasische Chassidismus. XIV. Die Kab-
bala. die mystisch-messianisehen Bewegungen des 17. und 18.
Jh.s, der Chassidismus."

Abgeschlossen wird mit einem Überblick über „Hauptepochen
der Geschichte und Religion des Judentums", einem Glossar
, das wichtige im Judentum gebräuchliche Begriffe erklärt,
und einem Abkürzungsverzeichnis. Ein Literaturverzeichnis
fehlt, doch finden sich Literaturverweise in den Anmerkungen.
Vielleicht kann die nächste Auflage, deren baldiges Erscheinen
zu wünschen ist, ein Literaturverzeichnis bringen, das sich auf
das Notwendigste beschränken könnte.

Erfreulich ist die vielfach erfolgte Fundierung im Alten Testament
, etwa bei dem Abschnitt „Von dem einen Gott zum einzigen
Gott" oder bei der Anthropologie. Zum Verständnis der