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Ausgabe:

1993

Spalte:

17-19

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Neues Bibel-Lexikon 1993

Rezensent:

Stahl, Rainer

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Theologische Literalur/.eitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 1

IX

einen Beitrag zur pädagogisch angestrebten Selbst- und Weltfin-
dung der Schülerinnen und Schüler. Im Rahmen ihrer Gesamtaul
gäbe (!) achtet sie also auch auf Fragen und Sachzusammenhänge
, die mit Sinn - Religion - Glaube - Weltanschauung und
damit auch dem Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit
verbunden sind. Versteht man den schulischen Bildungsauftrag
wirklich umfassend, schließt er in dem genannten Sinne
die religiöse Dimension unabdingbar mit ein61.

Daraus folgt: Eine Schule, deren Bildung und Bildungsverständnis
von vorneherein rein säkularpositivistisch, wissen
schaftspositivistisch oder faktensystematisch ausgerichtet ist.
bleibt nicht nur dem Schüler etwas schuldig, sondern verfehlt
auch Dimensionen des Lebens6- und der Wirklichkeit.

Allerdings muß erst - weil wir oben von „neuer" Schule sprachen
- ein Zustand erreicht werden, „in dem das Lebensnotwendige
von Religion im Zusammenhang von Schule, Unterricht
und Bildung spezifischen Ausdruck und vor allem Akzeptanz
gewinnt": Angesichts der großen Herausforderungen, vor denen
wir stehen, kann die religiöse Fragestellung nicht auf ein einzelnes
Schulfach beschränkt werden!6-^

3. Religionsunterricht

Der Religionsunterricht muß sich, wenn er pädagogisch er-
ziehungswissenschaftlich sowie bildungslheoretisch bestehen
soll, im Rahmen des vorgetragenen Schul- und Bildungsverständnisses
bewegen64. In diesen Rahmen eingezeichnet, kann
er kein Additum zur Bildung und Schule sein. Folglich ist seine

Aufgabe nicht in Kontrast und Gegensatz zu Bildung und Erziehung
, sondern nur im Sinne kritisch verantworteter Kooperation
zu begreifen. Es muß religionspädagogisch bzw. religionsdidaktisch
realisiert werden, daß er am Ort Schule mit Bildungsanspruch
und nicht am Ort Gemeinde/Kirche mit Verkündigunsanspruch
existiert65. So gesehen könnte dem schulischen
Religionsunterricht, zumal in den letzten 40 DDR-Jahren die
traditionellen Träger von religiöser Erziehung und Sozialisation
- nämlich Familie66 und Kirche - eminent an Bedeutung verloren
haben, eine erhebliche Bedeutung zufallen.

61 So für die ältere Sicht T. Wilhelm. Theorie der Schule. Stuttgart 1967.
19692, 309 sowie W. Klafki, Konturen eines neuen Allgemeinbildungskon-
zepls, a.a.O., 17 für die heutige Sicht.

62 Vgl. F. Schweitzer, Identität in Sinnfindung und Erziehung (Deutscher
Lehrertag 1987, Kitzingen 1988), 25f.

63 Mit D. Zilleßen. Die Gunst der Stunde ist die Gunst des neuen Dialogs
, a.a.O., 72ff. Vgl. neuerdings J. Bohne u.a. (Hg.). Die religiöse Dimension
wahrnehmen, Münster 1992.

64 Diesbezüglich dürfte in der religionspädagogischen Diskussion hüben
und drüben eine recht große Übereinstimmung herrschen. Vgl. dazu auch
K. E. Nipkow, Bildung..., a.a.O., 435.

65 „Der Ort des Religionsunterrichts ist unbeschadet eines für die Kirchen
notwendigen eigenen Unterrichts die öffentliche Schule im Rahmen
einer pluralistischen Gesellschaft." So K. Wegenast. Ist mit dem Religionsunterricht
„Staat zu machen"?, in: EvErz 40, 1988, 277.

66 Darüber führt beredt Klage die „Volksinitiative Bildung"; vgl. U. Baltz-
Otto/G. Otto. Überlegungen zum Religionsunterricht von morgen. a.a.O.,
15.M.N. Ebertz, Heilige Familie'.', in: Deutsches Jugendinstitut (Hg.).Wie
geht's der Familie?. München 1988.

Bibelwissenschaft

Ging. Manfred, u. Bernhard Lang [Hg.]: Neues Bibel-Lexikon
. Lfg. 7: Herrenmahl - Jesus Christus. Zürich: Benziger
1992. Sp. 129-322 4<>. Kart. DM 38,-.

Diese neue Lieferung behandelt wieder - bedingt durch die
alphabetische Reihenfolge - hochgewichtige Gegenstände. Ich
hebe nur die Artikel zu den biblischen Büchern „Hoheslied"
(183-191, O. Keel), „Hosea" (198-200, M. T. Wacker), „Ijob"
(215-219. B. Lang). „Jeremia" (287-290, J. Schreiner) und
Jesaja" (315-318. H. Seebaß) hervor. Sodann verweise ich auf
die Artikel ...lahwist" (268-271) und „Jehowist" (281-284), die
wieder von P. Weimar stammen und zu seinem Artikel „Elo-
hist" (Bd. I. 527-532) weitere Facetten des literaturgeschichtlichen
Bildes zum Pcntateuch liefern. Besonders erwähnt werden
muß der Artikel „Jahwe" (260-266, M. Görg), der zusammen
mit den Artikeln „Elohim" (Bd. I, 5261', H. Vorländer), „Gott"
(Bd. I, 904-909, B. Lang für das AT) und „Gott der Väter" (Bd.
I, 915-919. M. Köckert) gelesen werden sollte. Schließlich verweise
ich auf den hervorragenden Artikel „Jerusalem" (294-
314) von M. Küchler, durch den die Wechsel volle antike Geschichte
dieser Stadt gut aufbereitet wird.

Mit der Bennung fonnaler Beobachtungen sollen die kritischen Rückfragen
beginnen. Der Großbuchstabe ,J" wird mit dem unnötigen Hinweis auf
Jahwisf." eröffnet. Warum geschieht dies? Ein Vergleich lehrt, daß bisher
immer der neue Großbuchstabe gedruckt wurde und dann sofort bei nochmaliger
Wiedergabe des Anfangsbuchstaben das erste Stichwort folgte. Anders
ist das bei „H" und „1". Dort wird der erste Buchstabe des ersten Stichwortes
nicht noch einmal gedruckt. Ich denke, hier sollte so weiterverfahren
werden, wie es in Band I praktiziert wurde.

Mit großer Bestürzung stelle ich fest, daß mehrmals der grammatikalische
Unsinn des großgeschriebenen „I" zur Kennzeichnung auch weiblicher Möglichkeiten
angewendet wurde. Ich bitte dringend, in Zukunft in dieser wissenschaftlichen
Publikation korrigierend einzugreifen. Aufgefallen ist mir diese
Unsitte im neutestamentlichen Teil des Artikels „Hirt" von L. Schottroff:
..Jüngerinnen". ..Lohnarbeiterinnen", „Gemeindelciterlnnen" (I68f). Die
deutsche Sprachlehre gebietet, hier zweimalige Ausdrücke zu formulieren.

wodurch die weiblichen Möglichkeiten, die nicht ausgeschlossen werden sollen
, benannt werden. Dann verweise ich auf den kompetenten Artikel ..Ikonographie
" (219-226) von S. Schroer. der durch Zeichenfolgen (Worte sind das
ja nicht) wie „Betrachterin", „Mitteleuropäerln". „Leserin" und" Schülerinnen
" verunschönt wird. Besonders deutlich wird die Unsinnigkeit dieser
Sehreibweise, wenn die Formulierung richtig mit „dem/der" beginnt. Warum
schreibt dann die Vfn. nicht: „dem/derLeser/in" (vgl. 224)? Ironisch auf die
Spitze treiben darf ich diese Unsitte mit Blick auf den Artikel „Ismael/Ismae-
liter" (244-246) von U. Hübner. in dem von „Herrscherinnen" eines arabischen
Stämmeverbandes die Rede ist. Sind in den assyrischen Quellen des 8.
und 7. Jh.s wirklich Herrscherinnen belegt? In derselben Spalte wird zweimal
das Wort „Mitglieder" verwendet. Hatte dieser Stämmeverband nur
männliche Mitglieder, dann aber doch Herrscherinnen?

Im Artikel „Israel" (246-247) von P. R. Davies fehlt bei der Erwähnung
der „Merenptah-Stele" der Hinweis auf den Artikel ..Israelstele". Dort wird
dann (247-249) von „Merneptah" geredet. Warum werden auch solch kleine
Unterschiede nicht harmonisiert?

M. Hutter hat den Artikel zu „Hiskija" vorgelegt (169-171).
Hier möchte ich der historisierenden Interpretation der Immanuel
-Aussage in Jes 7.14 auf Hiskija widersprechen. Einmal
kann auch die vorgelegte Deutung die Probleme der unterschiedlichen
Synchronangaben in 2Kön 18,9t' und 18,13 nicht
lösen, zum anderen widerrät der Charakter der Aussage in Jes
7,14 jeder präzisen historisierenden Identifikation (vgl. auch M.
Görg, Artikel „Immanuel", 2270.

Zu den Literaturangaben in Artikel „Jahwe",Abschnitt 3 (266)
merke ich noch den wichtigen Aufsatz von H.-P. Müller. Kollo-
quialsprache und Volksreligion in den Inschriften von Kuntillct
Agrud und Hirbet el-Qom, ZAH 5, 1992, 15-51, an.

Der von M. Mulzer gegebenen Darstellung zu „Jehu" (2840
würde ich eine völlig andersartige Aufbereitung des Quellenmate-
rials cintgcgentcllen: Ein 100 Jahre nach den Ereignissen und ausdrücklich
kritisch formulierter Bezug auf die Machtergreifung des
Jehu liegt in Hos 1,4 vor. Auch der Bericht in 2Kön 8,28ff läßt
eine ältere Fassung erkennen, die ganz kritisch gegen die Grausamkeiten
des Jehu gewesen ist (vgl. auch E. Würthwein, ATD
11.2,339). Erst die deuteronomistische Bearbeitung hat auf
Grund ihrer geschichtstheologischen Konzeptionen aus dem blutigen
Putsch, der sich nicht von anderen Putschen in Israel unter-