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Ausgabe:

1993

Spalte:

394-396

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Hengel, Martin

Titel/Untertitel:

The 'Hellenization' of Judaea in the first century after Christ 1993

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 5

394

Paulus und der Art seines dabei angewandten hermeneutischcn
Verfahrens.

P. Morris (Exiled from Eden: Jewish Interpretations of Genesis
, 1 17-166) widmet seine Studie der rabbinischen Schriftauslc-
gung. Er verfolgt die jüdische Exegese der Erzählung von Adam
und Eva im Garten Eden über den Midrasch bis hin zu rezenten
Verstehensweisen.

J. O'Reilly (The Trees of Eden in Mediaeval Iconography,
167-204, mit 16 Abb.) führt unter Einbeziehung der ikonogra-
phischcn Traditionen des Nahen Ostens die allegorische und
typologische Umsetzung ins Bild hauptsächlich der Bäume des
Gartens Eden vor, namentlich aus illustrierten Handschriften. In
besonderer Weise werde um die beiden Bäume als Zentrum der
gesamte Heilsplan dargestellt. Sie sieht die christliche Kunst
basierend auf der Gegenüberstellung von erstem und zweitem
Adam (Christus), oft auch erster und zweiter Eva (Maria), ferner
dem Apfel und der Kommunionsoblate, der Schlange und dem
Satan, dem Baum und dem Kreuz.

H. Phillips (Gardens of Love and the Garden of the Fall, 205-
219), mit einer Abb.) bespricht die Thematik aufgrund einiger
mittelalterlicher englischer und französischer Texte, geht der
Tradition von Gärten des Vergnügens und der Liebe nach und
der Beziehung zwischen dem Garten Eden und dem Garten im
Hohenliede, die man schon in rabbinischen Äußerungen findet.

G. Campbell (Milton's Eden, 220-228) erörtert die vielerlei
fremdsprachigen Quellen, die Milton zu seinem Werk verwertete
sowie seine Beeinflussung von daher, und die Themen, die
bei ihm betont und auch im Gegensatz zu anderen Auffassungen
zum Tragen kommen.

P. A. Cantor (Blake and the Archaeology of Eden, 229-243)
zeigt Blakes, der zum Ende des englischen Neoklassizismus lebte
, romantische Verarbeitung des Stoffes. Sie fiel in eine Zeit, in
der man mit den Mythen anderer Völker bekannt wurde.

R. Roberts (Sin, Saga und Gender: The Fall and Original Sin
in modern Theology, 244-260) geht es um die Erzählung von
Paradies und Sündenfall in der modernen Theologie. Zunächst
im Mittelpunkt der protestantischen Theologie, sei die Lehre
vom Sündenfall in die zweite Reihe gerückt. Der Vf. beschäftigt
sich kritisch mit K. Barths Lehre vom Fall und legt ihre Wirkung
in modernen und zeitgenössischen theologischen Gedankengebäuden
offen.

M. Corner ("Refusing to learn to say 'no'": Karl Barth and the
garden of Eden, 261-272) liefert eine Interpretation von Barths
Ansicht über den Sündenfall im Kontext des heutigen Kampfes
um eine globale Strategie. Die biblische Erzählung trage wesentlich
dazu bei, ein Bewußtsein um unsere menschliche Begrenztheit
und unsere menschlichen Möglichkeiten hinsichtlich
Gut und Böse zu entwickeln.

D. F. Sawyer (Resurrecting Eve7 Feminist Critique of the
Garden of Eden, 273-289) beginnt mit der Zeichnung Evas in
der christlichen Tradition. Danach geht sie auf drei Themen ein:
die Schöpfungsordnung, welche die zurückgesetzte Rolle der
Frau begründe, Eva als Verursacherin der Sünde, die alte und
die neue Eva, was besage, Eva wurde die Ursache des Todes
durch ihren Ungehorsam, Maria wurde die Ursache der Rettung
durch ihren Gehorsam. Die Vfn. argumentiert, daß jedwede
feministische Begegnung mit der Christenheit den Versuch notwendig
macht, Eva wiederzuerwecken, nämlich das dem biblischen
Text adäquate Verständnis Evas. Und solche Wiederbelebung
müsse radikal sein im Lichte der traditionellen patriarchalischen
Inanspruchnahme Evas, denn diese ist auch im Bilde
Gottes geschaffen, hat die gleiche Verantwortung und engagiert
sich fern vom Paradies in der wirklichen Welt.

A. Cunningham (Type and Archetype in the Eden Story, 290-
309. mit einer Abb.) vergleicht christliche typologische Interpretationen
der Paradiesgeschichte mit den Archetypen von CG.
Jung. Das Verständnis Jungs repräsentiere eine Wiedererwek-

kung der allegorischen Auslegung der Schrift, und die therapeutische
Praxis könne man verstehen als eine nützliche gegenwärtige
Anwendung des moralischen Sinnes der Schrift.

A. Piskorowski (In Search of her Father: A Lacanian Ap-
proach to Genesis 2-3, 310-318) diskutiert am Ende eine ,lacani-
sche' Beurteilung von Gen 3. Der Bericht ziele darauf, daß
erzählt wird, wie das erste Mensehenpaar durch die Ödipus-
bzw. Elektra-Krise geht und eintritt in die symbolische Ordnung
und Annahme der sozialen und familiären Beziehungen. J.
Lacan, ein Zeitgenosse, entwickelte ein neues Gedankensystem
unter Verwendung der Freudschen Ideen vom Ödipus-Komplex,
der Verdrängung und des Unbewußten.

Stuttgart Wolfram Herrmann

Judaica

Hengel, Martin: The 'Hellenization' of Judaea in the First
Century after Christ. In collaboration with Ch. Markschies.
Transl. by J. Bowden. London: SCM; Philadelphia: Trinity
Press Intern. 1989. VII, 114 S. 8«. Kart. £ 6.95.

Das vorliegende Büchlein (der eigentliche Text reicht bis S.
56, daran schließen sich bis S. 97 die „Notes" mit reichen Belegen
und Literaturangaben, darauf bis S. 114 Abkürzungen sowie
Register der modernen Autoren sowie der antiken Namen und
Orte) setzt die große Darstellung von Martin Hengeis opus
magnum „Judentum und Hellenismus" von 1969 (31988) sozusagen
geradlinig und selbstverständlich mit der gleichen Kompetenz
fort, indem es die Begegnung von Judentum und Hellenismus
über die Mitte des 2.Jh.s v.Chr. nun bis in die Zeit des
Neuen Testaments und der Zerstörung des 2. Tempels weiterverfolgt
. Es hat aber dennoch eine andere wissenschaftliche
„Botschalt" als jenes erste Werk. Denn es will und muß jenem
traditionellen, lange auch in der Wissenschaft wirksamen Bild
entgegenarbeiten, als habe sich das Judentum im jüdischen Mutterland
nach der makkabäischen Erhebung jeglicher Hellenisie-
rung verweigert, so daß danach ein „palästinisches" von einem
in der Diaspora anzusiedelnden „hellenistischen" Judentum geographisch
und sachlich zu scheiden wäre. Dagegen tritt nun H.
mit dem umfassenden Nachweis an, daß auch Judäa (und
Galiläa) - wie jeder andere Landstrich im römischen Imperium
auch - mit hellenistischer bzw. hellenistisch-römischer Kultur
und Zivilisation durchtränkt wurde und daß dies auch von den
Juden nicht nur passiv hingenommen, sondern (zum großen
Teil) auch bejaht wurde: als Oase eines - de facto gleichwohl
fruchtlosen - Widerstandes dagegen in Judäa wird eigentlich nur
die Qumran-Gemeinde gelegentlich ins Blickfeld gerückt.

Der Nachweis wird im 2.-5. Kapitel unter verschiedenen
Gesichtspunkten gegliedert vorgeführt: 2. The Linguistic Que-
stion and its Cultural Background; 3. Greek Education and Lite-
rature in Jewish Palestine; 4. The Political and Social Aspects of
'Hellenization'; 5. 'Hellcnistic' Traditions in Jewish Palestine.
In allen Kapiteln schöpft H. aus der Fülle seiner vielseitigen
Gelehrsamkeit, so daß ein eindrucksvolles Bild entsteht. Gewiß
kann man diese oder jene Einzelheit in Frage stellen, wenn z.B.
aus der an heidnische Jerusalembesucher adressierten Warninschrift
am Tempel auf die Griechischkenntnisse der Einheimischen
Schlüsse gezogen werden (9); gewichtiger sind Bedenken,
die ein Gelehrter wie Louis H. Feldman aus rabbinistischer Sicht
anmeldet (JStJ 22, 1991, 142-144). Aber insgesamt ist es ganz
sicher richtig, mit der unhistorischen Vorstellung aufzuräumen,
als sei ausgerechnet Judäa von der generellen zivilisatorischen
Hellenisierung in römischer Zeit ausgespart geblieben, als seien
„Judentum" und „Hellenismus" für diese Zeit zwei voneinander
getrennt zu betrachtende „Wesenheiten" (entities, S. I).