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Ausgabe:

1993

Spalte:

357-358

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Benk, Andreas

Titel/Untertitel:

Skeptische Anthropologie und Ethik 1993

Rezensent:

Weidhas, Roija Friedrich

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Seite 1

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357

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

358

Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen" greifbaren
Grundeinsicht der Reformation verweist: daß es die unio cum
Christo (Christus in nobis) nur gibt auf der Basis des Hängens
am Christus extra nos, d.h. im reinen, passiven Empfangen;
daß es also auch die Zuwendung zum Nächsten nur geben kann
auf der Basis und als Folge (nicht als Realisation) des Glaubens
, der am Christus extra nos hängt.

Göttingen Notger Slenczka

Systematische Theologie: Ethik

Benk, Andreas: Skeptische Anthropologie und Ethik. Die

philosophische Anthropologie Helmuth Plessners und ihre
Bedeutung für die theologische Ethik. Frankfurt/M.-Bern-
New York-Paris: Lang: 1987. 278 S. 8» = Europäische
Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie, 320. Kart. sFr
60.-. ISBN 3-8204-0142-3.

Die vorliegende Untersuchung wurde 1987 als Dissertation
an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen
angenommen (5). - Die Frist zwischen dem Erscheinen
des Buches und seiner Rezension geht nicht zu Lasten des
Rez.- Ziele der Arbeit sind L, „einen Beitrag zur vernachlässigten
Plessner-Rezeption zu erbringen" (17) und 2., den
„schwierigen Weg von der Anthropologie zur Ethik" zu erhellen
„um den... Beitrag von Plessners Anthropologie für eine
kommunikationsfähige und konsenswillige theologische Ethik
herauszustellen" (18). Zu diesem Zweck wird im ersten Teil
der Arbeit Plessners Konzeption dargestellt und hinsichtlich
ihrer Grundbegriffe, Möglichkeiten und Grenzen erläutert. Dies
ist eine informative, gut verständliche und mit Gewinn zu
lesende Einführung in das anspruchsvolle, sich nicht leicht
erschließende Werk Plessners. Der /w eite Teil bietet Perspektiven
, die sich daraus für theologische Ethik ergeben, und hier/u
legen sich einige kritische Betrachtungen zu den theologischen
Vorentscheidungen und Methoden nahe.

Benk resümiert, daß Plessner eine „Wesensanalyse" des
Menschen vollziehe und das „Bewußtsein der Einheit und
Zusammengehörigkeit der Menschheit" stärke. Seine Anthropologie
ziele auf das Bewußtwerden der Verantwortung des
Menschen ab und damit letztlich auf die „Umkehr in die Entscheidung
zur Menschlichkeit" (207). Zur Auffindung oder
Begründung ethischer Normen könne sie jedoch nichts beitragen
(202), sie wolle „sich ausdrücklich diesseits von Theologie
. Ethik und Ontotogie halten" (204). Das mache sie aber für
theologische Ethik unter den gegenwärtigen Bedingungen, wo
„im öffentlichen Bewußtsein die konstitutive Bedeutung der
Religionsthematik für das Menschsein überhaupt nicht mehr
präsent sei" (203) besonders geeignet. Theologische Ethik solle
unter Rückbezug auf eine Anthropologie, „die allgemeinem
Verständnis zugänglich sein muß" und nicht von „nur glaubend
erschwinglichen Prämissen abhängig sein darf, vor allem
kommunikationsfähig werden (206); ihre Aufgabe sei es, „Kriterien
für die Kompatibilität unterschiedlicher Moralsysteme zu
erarbeiten" (208).

Benk läßt sich bei seinen theologischen Entscheidungen von
der gegenüber der Vergangenheit schwierigeren, „gewandelten
Situation" leiten, in der „überholte anthropologische Konzeptionen
... für das öffentliche Bewußtsein unwiderruflich ihre
Überzeugungskraft eingebüßt haben" (204). Zu den „überholten
anthropologischen Konzeptionen" rechnet er offensichtlich
alle biblischen Texte und verzichtet konsequent auf Bibelzitate,

auf paulinisches Gedankengut und auf jegliche Literatur zur
Anthropologie des AT und NT (vgl. Lit.-Verz.). Hiermit geht
Benk über traditions-kritische Intentionen seiner Gewährsleute
W. Pannenberg, K. Rahner, K. Wojtyla u.a. sowie der Pastoralkonstitution
„Gaudium et spes" weit hinaus. Eine Moral, die im
unmittelbaren Anschluß an die christliche Offenbarung entwickelt
ist, sei in ihrer Begründung heute nicht mehr allen
Menschen zugänglich (11). Sittliche Weisungen auf biblischer
Grundlage müßten heute vernünftiger Reflexion offenstehen
(12). „Wenn theologische Ethik die Chance wahren will, dann
darf sie sich nicht ein exklusiv christliches Menschenbild voraussetzen
, sondern muß sich an einer Anthropologie orientieren
, die auch für einen Nicht-Christen akzeptabel sein kann."
(205) In welche Sackgassen Theologie gerät, der es in erster
Linie um „breite Zustimmung" geht, hat sich in der liberalen
evangelischen Theologie in den Jahrzehnten vor dem 1. Weltkrieg
gezeigt. Eine theologische Ethik, die ihren Sinn darin findet
, „sittliche Weisungen" zu erteilen (anstatt sich z.B. als
Folie und Ziel des Zurechtgebrachtwerdens des zu ethischem
Handeln Unfähigen allein aus dem Glauben zu präsentieren),
benötigt jedoch „breite Zustimmung" - als Nachweis ihrer Existenzberechtigung
. Der Zirkel solchen katholischen ( ?) Theologieverständnisses
ermöglicht dann auch Perspektiven, in denen
es so aussieht, als ob philosophische Anthropologie die Voraussetzungen
dafür schaffe, daß Lösungen der natürlichen
Welt- und Menschheitsprobleme möglich werden (205/206) -
als ob das die zentralen theologischen Anliegen wären und als
ob der Ermöglichungsgrund aller Heilwerdung nicht Gott und
sein versöhnendes Handeln wären. Den Weg zu solchen Einsichten
verstellt sich, wer programmatisch davon ausgeht, daß
„die Natur ... den Menschen als Fundament und Rahmen seiner
Existenz von der Geburt bis zum Tode trägt" und daß „ohne
Philosophie von der Natur keine Philosophie des Menschen"
möglich sei (Plessner-Zitate, 22). Daß es immer Menschen
bzw. Bewußtseinsvorgänge im Menschen sind, die Begriffe
und Konzepte von „Natur", d.h. das. was unter „Natur" verstanden
werden kann, erst hervorbringen, wird nicht reflektiert.

Abschließend sei mir eine Erwägung zu der vom Autor gar
nicht gestellten Frage erlaubt, wo denn Plessner seinen anthropologischen
Kerngedanken - die „exzentrische Positionalität
des Menschen", die Benk gegen die normativ überfremdete
Plessner-Rezeption Pannenbergs als „Bestimmung zur Exzentrizität
" in Schutz nimmt (118-121) - präformiert gefunden haben
könnte: Könnte es sein, daß Plessner die Anthropologie des
Paulus gekannt hat, die mit dem Satz „das Gute, das ich will,
das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue
ich" (Rö 7,19) den Tatbestand exzentrischer Positionalität auf
den Punkt bringt?

Leipzig Roija Weidhas

Huber, Wolfgang, u. Hans-Richard Reuter: Friedensethik.

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1990. 365 S. gr.8«.
Kart. DM 39,80. ISBN 3-17-009604-4.

Literatur zu Fragen von Frieden und Gerechtigkeit - vor
allem atis den letzten zwei bis drei Jahrzehnten - füllt inzwischen
Regale. Friedens- und Konfliktforschung ist eine eigene
wissenschaftliche Disziplin geworden. Das Thema beschäftigt
Politologen und Soziologen, Philosophen und Theologen gleichermaßen
. Alle diese Fachbereiche übergreifend haben die
Autoren dieser Friedensethik ein „Lehr- und Studienbuch" vorgelegt
, das auch als Kompendium und Nachschlagewerk für
alle Interessierten bezeichnet werden kann.

Vor einigen Jahren hat der Rez. in einer Besprechung von
Wolfgang Hubers Barmen-Publikation „Folgen christlicher