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Ausgabe:

1993

Spalte:

354-357

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Menke, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Stellvertretung 1993

Rezensent:

Slenczka, Notger

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

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nern (keineswegs nur mit Zunft- oder Glaubensgenossen) führt
und in das er den Leser nun hineinnimmt. Kein (möglicher
oder tatsächlicher) Einwurf wird überhört, jeder Einwand nach
Kräften berücksichtigt, alle Anregung aufgegriffen. Das ist
nicht nur für eine allgemeine Gesprächskultur beispielhaft, es
zeigt auch, auf wieviele Arten die christliche Wahrheit heute
strittig sein kann und doch zu überzeugen vermag, wird sie nur
aus dem ihr Eigenen, als Proprium Christianum bezeugt (vgl.
94ff. 2361'f). Man braucht durchaus nicht überall mit dem Vf.
übereinzustimmen, „um sagen zu können, daß dieses weit ausholende
Lehrbuch der Dogmatik Theologie wie Kirche zu neuer
Gesprächsfähigkeit angesichts einer außerordentlich selbstbewußt
gewordenen Zeitgenossenschaft verhelfen wird" (so
schon ThLZ 111, 1986, 3060-

Errata: S. 459, Anm. I: gnadenlosen statt: gandcnlosen; S. 466: bagatellisiert
statt: bagetellisiert.

Berlin Johannes Wirsching

Haight, Roger: Dynamics of Theology. New York-Mahwah:
Paulist Press 1990. X, 274 S. gr.8». Kart. $ 12.95.

Roger Haight S.J. ist Professor für Systematische Theologie
in Toronto. Dort hat er vermutlich auch die Beobachtung
gemacht, die ihn zu diesem Buch anregte: Die Verunsicherung
von Theologiestudenten durch das moderne historische Bewußtsein
und ihre Schwierigkeiten, angemessen darauf zu reagieren
. Etliche seiner Studenten reagieren mit Traditionalismus
und Fundamentalismus. Andere, die nicht einfach die überlieferten
Formeln wiederholen wollen, werden im Studium nicht
so angeleitet, daß sie den christlichen Glauben für die heutige
Situation interepretieren lernen. Hier will Haight mit seinem
Buch helfen, das er als "an essay in fundamental or foundatio-
nal theology" (VIII) versteht. Sein erklärtes Ziel ist "to provide
grounds for the creativ interpretation or reinterpretation of tra-
ditionel doctrines." (IX)

Dazu werden nach einer Einleitung die Themen Offenbarung
, Schrift, Religiöse Symbole (in engem Anschluß an Tillich
) sowie Methode behandelt und im abschließenden Kapitel:
Dynamics of Theology Schlußfolgerungen gezogen.

Am Ende des Buches wird unter der Überschrift: The Me-
thod of Theology für die angestrebte Interpretation die Methode
der Korrelation empfohlen. Durchgehend wird der symbolische
Charakter der Theologie deutlich gemacht. "Theology is a
symbolic diseipline." (219) Zugleich wird ihre Ausrichtung auf
befreiendes Handeln betont. Jedes Kapitel ist so aufgebaut, daß
in einem ersten Teil eine allgemeine Erörterung des jeweiligen
Themas erfolgt und in einem zweiten Teil die Anwendung auf
llaights Fragestellung. Ein Namens-und ein Sachregister
schließen das Buch ab.

Die Überlegungen Haights sind von einem kritischen und
einem apologetischen Anliegen bestimmt. Kritisch stellt er fest:
"Theology itself should not be construed as a divinely commu-
nicated body of knowledge. It is a human diseipline..." (218).
Darum muß auch in der Theologie dem historischen Bewußtsein
Rechnung getragen werden.

Die apologetische Aufgabe der Theologie besteht darin, "to
establish meaning and its universal relevance in terms of common
human experience." (2) Dafür ist eine wichtige Voraussetzung
, daß Glaube und Offenbarung zum Menschscin dazugehören
. (16ff; 52ff) "Faith and revelation are universal human
phenomena...". (219, 60)

Darauf verweist die transzendentale Analyse (5-7). Sie ist
"...a reflexion on human existence, that is able to uncover the
universal in the particular." (5f). Durch sie wird als anthropologische
Basis für den Glauben Selbsttranszendenz (60) und "an

implicit quest and search for an absolute principle of being"
(220) herausgearbeitet. Von daher gilt: "...one cannot escape
faith" (34).

An einem Beispiel sei verdeutlicht, wie Haight die kritische
und die apologetische Aufgabe zu lösen versucht.

Er unterscheidet faith und belief. Faith wird als eine Dimension
des Menschseins verstanden. Belief dagegen ist der historisch
bedingte Ausdruck des Glaubens. Es kommt darum darauf
an, durch die Unterscheidung von faith und belief innerkirchlich
belief den rechten Stellenwert zu geben und nach
außen zu zeigen, daß die Kritik des historischen Bewußtseins
zwar ernst zu nehmen ist in bezug auf belief, aber eben faith als
human dimension nicht trifft. Die Unterscheidung von faith
und belief erleichtert so den Umgang mit historischer Kritik
und der Vielfalt der theologischen Positionen und warnt vor
der Absolutsetzung geschichtlicher Formulierungen des Glaubens
. "There is no absolute expression of faith in history, no
doctrine of the past or the present with which one could iden-
tify faith in an absolute and adequate way" (38). Diese These
ist m.E. kritisch und apologetisch gemeint. Theologie kann
nicht behaupten, faith endgültig zu formulieren. Das aber heißt
zugleich, sie braucht die Kritik an ihren Formulierungen nicht
als Infragestellung ihrer Sache aufzufassen. Damit wird die
relativierende historische Kritik ihrerseits relativiert. Sie wird
auf belief konzentriert: "Beliefs must always come under the
scrutiny of critical reason." (41) Von daher ist die Aufgabe der
Interpretation und Neuformulierung der Tradition (s.o.) gestellt
.

Überblickt man das Buch, so zeigt sich, daß Haight mit seinen
Überlegungen auf die historische, soziale und kulturelle
Relativität theologischer Inhalte reagiert, um seinen Studenten
die Notwendigkeit und die Chance der Interpretation deutlich
zu machen. Auch wer den hier dafür vorgelegten Begründungen
und Wegen nicht immer folgen will, findet in diesem Buch
Anregungen für eigenes Nachdenken.

Lambrechtshagen Karl-Matthias Siegert

Menke, Karl-Heinz: Stellvertretung. Schlüsselbcgriff christlichen
Lebens und theologische Grundkategorie. Einsiedeln-
Freiburg: Johannes 1991. 526 S. 8° = Sammlung Horizonte,
NF 29. Lw. DM 58,-. ISBN 3-89411-300-6.

Ein Werk mit dem Titel „Stellvertretung" verspricht die Entfaltung
eines zentralen Aspektes des Heilswerkes Christi. Schon
der Untertitel dieser von der kath.-theol. Fakultät in Freiburg angenommenen
Habilitationsschrift aber gibt zu erkennen, daß der
heute als Dogmatikprofessor in Bonn lehrende Autor mehr halten
will: der Begriff der Stellvertretung soll nicht nur als theologischer
und religiöser Zentralterminus ausgewiesen werden, sondern
der Vf. will zeigen, daß der am „,Lebensgesetz' des trinita-
rischen Gottes" abgelesene Begriff sich „wie ein ,roter Faden'
durch alle Glaubensartikel zieht..." (456; vgl. 24f; 434- 456. bes.
453ff).

Der Vf. stellt dar, daß der erst im 18. Jh. entstandene Abstraktbegriff
(82-86) in der Absicht ausgebildet wurde, eine
theologische Alternative zur Lehre von der „stellvertretenden
Genugtuung" zu formulieren (82-86, vgl. 88f; 18ff u.ö.). Das
exklusive Verständnis der Heilstat, die Christus vor Gott erbringt
und deren Früchte dem Menschen sakramental vermittelt
werden, sollte durch ein „inklusives" (im Anschluß an Ritsehl,
132) Verständnis abgelöst werden, dem gemäß die Vertretenen
an der Tat des Vertreters selbst Anteil erhalten (132, vgl. bes.
162f; 191-193; 2l2f; 224 und ff; 268ff; 296ff; 309ff; 315ff;
324; 346f; 41 Off; 429ff; 434ff). M. umschreibt die Formalstruktur
dieser „eigentlichen" (18ff) Stellvertretung als „direkte