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1993

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Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

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339

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

340

ob nicht unter den heutigen Stichworten der sozialen oder gesellschaftlichen
Diakonie weit über Innere Mission hinaus das
Anliegen des Barons eine späte Würdigung und Erneuerung finden
sollte. Insofern ist Masers Buch auch für die praktische
soziale Arbeit in Kirche und Gesellschaft heute ein anregender
Impuls.

Potsdam Peter Schicketanz

Schäfer, Rolf, u. Reinhard Rittner [Hg.]: Delmenhorster Kirchengeschichte
. Beiträge zur Stadt-, Schul- und Sozialgeschichte
. Im Auftrage der Stadt Delmenhorst hg. Delmenhorst
: Rieck 1991. 280 S. m. zahlr. Abb. 8». Pb. DM 36,-.
ISBN 3-920794-41-9.

Der vorliegende, aus neun Einzelbeiträgen bestehende, durch
zahlreiche Illustrationen aufgelockerte und mit zwei Registern
am Schluß versehene Band will „eine wissenschaftlich fundierte
und zugleich allgemeinverständliche Darstellung der Kirchengeschichte
des heutigen Stadtgebiets" Delmenhorst sein.
Da die einzelnen Abhandlungen ursprünglich als Vorträge für
die ev.-lutherische Stadtkirchengemeinde konzipiert wurden,
lagen Erfahrungen vor, welche der eigenen Zielsetzung bei der
Druckfassung zugutekamen. So konnte es gelingen, sowohl
dem an der Orts- und Kirchengeschichte Interessierten einen
zuverlässigen Orientierungsrahmen für die Beschäftigung mit
der Vergangenheit zu vermitteln als auch dem Fernerstehenden
ein reizvolles Beispiel dafür zu liefern, wie sich Großes im
Kleinen spiegelt. Allerdings vermißt gerade der Nichtortskundige
trotz der Zeittafel am Schluß eine knappe Zusammenfassung
der nicht ganz einfachen territorialen und politischen Entwicklung
der Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst als Verstehenshin-
tergrund für die kirchlichen Geschehnisse.

Im ersten Beitrag (11-40) behandelt Dieter Rüdebusch das
kirchliche Leben von der Christianisierung bis zum Ende des
Mittelalters. Im einzelnen kommen der Bau der Burg Delmenhorst
durch die Oldenburger Grafen nach der Niederlage der
Stedinger Bauern bei Altenesch (1234) sowie die Gründung des
Kanonikerstifts St. Marien als geistiges und kulturelles Zentrum
durch den Stammvater der Delmenhorster Grafen (1286) zur
Sprache. Der Ubergang der Herrschaft auf den Bischof von
Münster und die Rückeroberung durch Anton I. von Oldenburg-
Delmenhorst (1547) werden demgegenüber nur angedeutet.

Es folgt Heinrich Schmidt mit der Schilderung der frühneuzeitlichen
Kirche unter den Bedingungen des landesherrlichen
Kirchenregimentes im 16. und 17. Jh. (41-66). Dabei ist besonders
die gleitende Reformation „von oben" herausgearbeitet
und die fehlende Gemeindedimension betont. Die Auflösung
des Kanonikerstifts mit seinen reichen Besitzungen wird mit
Recht als Grund für die vergleichsweise bescheidene Ausstattung
der evangelischen Nachfolgekirche gewertet. Das leicht
gewandelte Fortbestehen der Polykarpusbruderschaft erscheint
demgegenüber als Kontinuum zwischen Mittelalter und Reformation
. Die evangelische Frömmigkeit soll sich im wesentlich
in Autoritätstreue und ehrbarer Kirchlichkeit erschöpft haben.
(Über das Ringen um die rechte Lehre, von Konfessionskämpfen
, pastoraler Opposition gegen den Summepiskopus oder
Frömmigkeitskrisen erfährt man allerdings nichts!).

Anschließend berichtet Elfriede Heinemeyer über die Geschichte
der Stadt- bzw. Kollegiatkirche vom 13. bis ins 20. Jh.
(67-95).

Danach läßt Friedrich-Wilhelm Schaer die Schulgeschichte
Delmenhorsts von 1667 bis 1827 Revue passieren (96-121).
Dabei klingen die politischen Verhältnisse unter dänischer und
oldenburg-gottorpischer Herrschaft ebenso an wie die geistesgeschichtlichen
Bedingungen der Orthodoxie und der Aufklärung.

Rolf Schäfer erörtert das Selbständigwerden der Kirche im
19. Jh. als Erfüllung eines reformatorischen Uranliegens (122-
142). Zur Illustration wählt er den gemeindlichen Protest gegen
das Aufklärungsgesangbuch von 1791, erste Impulse zur Bildung
von Gemeindevorständen 1817 und das Aufbrechen von
erwecklicher Frömmigkeit. Es folgt die Nachzeichnung des
Weges zur synodalen Verfassung der Kirche von 1848/49.

Auch der im Zuge der Industrialisierung Delmenhorsts um
die Mitte des vorigen Jh.s gegründeten katholischen Gemeinde
ist ein angemessener Raum gewährt. Joachim Kuropka schildert
den Entwicklungsgang der katholischen Missionsgemeinde von
der Einweihung der ersten Kapelle 1879 bis zum Bau von drei
weiteren katholischen Kirchen nach dem 2. Weltkrieg (143-
177). Enno Konukiewitz wendet sich den Veränderungen zu,
die sich für die Gemeinden infolge der „ungestümen Industrialisierung
" im vorigen Jahrhundert ergaben (178-214). Er läßt viele
interessante Aspekte anklingen (Unkirchlichkeit einzelner Arbeitergruppen
, soziale Notstände, Überforderung der Pastoren,
Verhältnis der Konfessionen untereinander, Stellung der Kirche
zur Sozialdemokratie). Besonders eindrucksvoll erscheint die
Einrichtung eines fabrikeigenen Pastorats durch einen Unternehmer
.

Wie schon in der katholischen Gemeindegeschichte steht im
vorletzten Beitrag von Reinhard Ritlner die Zeit des „Dritten
Reiches" zur Diskussion (215-240). Insbesondere geht es um
den Delmenhorster der BK angehörenden Pastor Paul Schipper,
der 1934 mit anderen gegen die Amtsenthebung von Heinz
Kloppenburg protestierte, wegen seiner christozentrischen, bekenntnisbezogenen
Theologie 1938 Berufsverbot erhielt, Privatgottesdienste
hielt und trotz Einschaltung des Geistlichen Vertrauensrates
erst nach Kriegsende (als er längst gefallen war!)
seine Rechte als Geistlicher wieder erlange. Rittners abschliessende
„Würdigung" ist ein Muster nobler, problembewußter
Vergangenheitsaufarbeitung.

Zuletzt widmet sich Udo Schulze unter besonderer Berücksichtigung
des Nachkriegsbischofs Wilhelm Stählin sowie des
Kirchenrates Ramsauer sehr kundig dem Auf- und Ausbau der
ev. Kirche nach 1945 (248-272). Der inhaltsreiche und aussprechend
aufgemachte Band entläßt den Leser mit viel Informationen
und Denkanstößen und lädt zur Nachahmung im Blick auf
andere Städte oder Regionen ein.

Göttingen Inge Mager

Achleitner, Wilhelm: Gott im Krieg. Trinitarische Formeln in den Hir-
tensehreiben österreichischer Bischöfe im Krsten Weltkrieg (In: Achleitner.
W.. u. U. Winkler: Gottesgeschichten. Freiburg: Herder. 69-100).

Albecker, Christian: L'Evangile dans la cito: lüsterne de la Mission
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Andermann, Ulrich: Die Pröpste des Kanonissenstiles Schildesche
(1219-1542). (JWKG 85, 1991, 91-1 19).

Baumgarten, Achini: Die Hexenprozesse in der Wild- und Rheingrafschaft
(MEKGR 40, 1991, 53-102).

Bayer, Clemens M. M.: Der „Uber de fundatione et abbatibus" des
Abtes Petrus Knor und die Gladbaeher Klosterhistoriographie seit dem 16.
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Brecht, Martin: Die evangelische Kirche in und um Calw in der /weiten
Hüllte des 19. Jahrhunderts aus der Sicht Hermann GundertS (liWKC 90.
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Dienst, Karl: Rund um die Paulskirche: die Kirchen der Freien Stadt
Frankfurt am Main um 1848 zwischen Verkündigung und Politik (JHKGV
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Faulenbach, Heiner: Ein Weg durch die Kirche. Heinrich Josel Obel
heid. Köln: Rheinland-Verlag 1992. X, 271 S. 8o = Schriftenreihe des Vereins
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Franzen, Werner: Gemeindegründung. Gemeindelehen und Kirchenbau
am Beginn des 20. Jahrhunderts: das Beispiel der evangelischen Kirchengemeinde
Düsseldorf-Oberkassel (MEKGR 40, 1991, 215-269: III ).