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Ausgabe:

1993

Spalte:

336-337

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Titel/Untertitel:

Kirche - Gewissen des Staates? 1993

Rezensent:

Greschat, Martin

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335

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

336

Die „Schrift über die sieben Stufen der Liebe" ist an der Can-
ticuni-Auslegung Bernhards von Clairvaux und an Augustins
Confessiones, aber auch an Ps.-Bernhardinischen orientiert und
bietet mehr eine Beschreibung als eine Anweisung zum mystischen
Aufstieg. Inhalt ist die in den Kategorien der Brautmystik
zum Ausdruck gebrachte Suche nach dem Verbum, die höchste
Stufe bildet der transitus in Deum.

Die „Schrift über das Verbergen der Laster unter dem Anschein
von Tugenden" behandelt die sieben Todsünden und
zeigt mit viel Menschenkenntnis auf, wie diese als Tugenden
verbrämt werden können und was dagegen zu tun ist. In dieser
Schrift sind ausgiebig die Moralia Gregors des Großen benutzt.
Gleich im ersten Kapitel (de superbia) wird deutlich, wie die
Vorstellung von der Alleinwirksamkeit der Gnade und dem Un-
genügen menschlicher Werke im Augustinerorden beheimatet
war.

Die einzelnen Abschnitte beider Schriften sind wahrscheinlich
urpsrünglich als Predigten gehalten worden. Während der
Traktat über die Liebe nur in zwei relativ späten Handschriften
erhalten ist, sind von dem über die Laster bisher 98 Handschriften
bekannt geworden (von denen 13 für die Edition herangezogen
wurden), dazu Bearbeitungen und eine mittelhochdeutsche
Übersetzung. Damit erweist sich diese Schrift als ein wichtiges
Stück moralischer Unterweisung im 14./15. Jh.

Register runden die qualitätsvolle Edition ab.

Ist S. 56 Z. 8 statt „Non" zu lesen: „Nam"?

Greifswald Hans Georg Thümmel

Schraut, Elisabeth |Hg.]: Die Renaissancefamilie Borgia. Geschichte
und Legende. Hg. im Auftrag der Stadt Schwäbisch
Hall. Sigmaringen: Thorbecke 1992. 164 S. m. zahlr. Abb.
z.T. färb. 4° = Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums
Schwäbisch Hall, 6. Lw. DM 39,-. ISBN 3-7995-3308-7.

Papst Alexander Borgia hatte 1492 seinen Thron bestiegen,
500 Jahre danach gab es in Schwäbisch Hall dazu einen Kongreß
und eine Ausstellung mit Katalog. Er bietet die Bildnisse
der Borgia und ihres Kreises in der Graphik (191-102). Es folgen
Münzen und Medaillen der Borgia (103-11 1) mit dem
Kapitel „Die Borgia auf Münzen und Medaillen" (75-86). Weitere
Stücke betreffen die Bedrohung des christlichen Abendlandes
durch die Türken, die Veränderungen des Weltbildes durch
die Entdeckungsfahrten im 15. Jh. sowie kriegerische Auseinandersetzungen
und politische Bündnisse im christlichen
Abendland um die Wende vom 15. zum 16. Jh. (114-146). Der
Abschnitt „Die Rezeption der Borgia in der Literatur" beginnt
mit dem zeitgenössischen Zeremonienmeister Burcardus, dessen
Schilderungen Papst Alexander VI. stark belasten (1471).
er endet mit Conrad Ferdinand Meyer, Oskar Panizza und Kla-
bund (161f.). Dem Katalogteil gehen gründliche Arbeiten voran
zu einzelnen Themen jener Epoche:

Marion Hennann-Röttgen: Die Borgia. Geschichte und Geschichten
(15-23); P. Miguel Batlori S.J.: Die Renaissancepolitik
Alexanders VI.: Rom - Italien - Spanien - Europa (24-27);
Sabine Pöschel: Pinturicchios Fresken im Appartemenlo Borgia
. Die Gestaltung einer Papstwohnung (28-50); Sabine Pöschel
: Alexander Borgia, der heilige Vater. Bemerkungen zur
Authentizität der Borgia-Bildnisse im Vatikan (51-67); Herwarth
Röttgen: Alexander VI. als „Patron" und Fürbitter oder
„Die Würde des hl. Petrus geht auch in einem unwürdigen Erben
nicht verloren" (68-74).

GH.

Territorialkirchengeschichte

Büttner, Heinrich: Geschichte des Elsaß I. Politische Geschichte
des Landes von der Landnahmezeit bis zum Tode
Ottos III. und Ausgewählte Beiträge zur Geschichte des Elsaß
im Früh- und Hochmittelalter, hg. von T. Endemann. Sigmaringen
: Thorbeckc 1991. 378 S. , 2 Taf. dav. I färb., 2 Ktn
gr.80. Lw. DM 108,-. ISBN 3- 7995-4119-5.

Der erste Teil ist eine Neuauflage eines 1939 erschienenen
Buches über die Geschichte des Elsaß vom 4. bis zum 10. Jh.
mit vier Schwerpunkten: die alemanische Landnahme, die Zeit
des Herzogtums, der Karolinger und der Ottoncn bis 1002.
Büttner war einer der ersten, der Landesgeschichte mit den Problemen
und Methoden der Reichsgeschichte verband. Er berücksichtigt
auch die angrenzenden Gebiete am östlichen Oberrhein
und das westliche Vogesengebiet. Es ist die Geschichte
der politischen Entwicklung: die wichtigsten Schwerpunkte
sind die Rolle der verschiedenen Klöster als Stützpunkte der
Kolonisation, der Verwaltung und der Erfassung des Landes,
die naturgeographischen Gegebenheiten und die Bedeutung des
Elsaß in der politischen Geschichte. Nach der Rolle der Eticho-
nen bleibt im 9. Jh. das Elsaß im Schatten der Ereignisse und
hat nur eine passive Rolle. Unter den Ottoncn wird das Elsaß
ein Reichsland, da die Ottonen sich sehr stark hier festsetzen.

Der zweite Teil besteht in zehn Einzelbeiträgen, die Fragen
zum Gegenstand haben, die in der Geschichte angeschnitten
wurden und manchmal bis zum 15. Jh. gehen. Hier kurz, etliche
Erwähnungen. St. Blasien und das Elsaß: um 1300 war der Besitz
im Oberelsaß so wichtig, daß er einen eigenen Verwaltungsbezirk
darstellte. Das Stift Hohenburg wurde im 12. Jh.
eine wichtige Position der Staufer im Elsaß, Lothringen und Le-
berau: Geschichte der Entwicklung der Rechte vom ursprünglichen
Vogteirecht durch die Herzöge von Lothringen bis /um
15. Jh. Drei Aufsätze betreffen das Besitztum des Andlauer
Stiftes, während einer das Entstehen der staufischen Herrschaft
um Colmar zur Zeit von Barbarossa verfolgt.

T. Endemann ergänzt den Band durch Ausgewählte neuere
Literatur bis zum heutigen Stand, ein Register und zwei Karten.

Da in den letzten Jahrzehnten diese Zeitperiode wenig untersucht
wurde, ist diese Neuauflage ganz, gerechtfertigt, umso-
mehr als das Buch zu einer Zeit erschien, wo es wenig Beachtung
finden konnte.

Strasbourg Bernard Vogler

Dellsperger, Rudolf, l uchs. Johannes Georgt, Gilg, Peter, Hafner
, Felix, u. Walter Stähelin: Kirche - Gewissen des Staates
? Gesamtbericht einer von der Direktion des Kirchenuesens
des Kantons Bern beauftr. Expertengruppe über das Verhältnis
von Kirche und Politik. Bern: Stämpfli 1991. 302 S.
8°. Kart, sfr 53.-. ISBN 3-7272-9255-5.

Der Vorgang ist bemerkenswert: Der Berner Große Rat formulierte
eine große Anfrage, wie es denn um das Verhältnis
von Staat und Kirche im Kanton Bern bestellt sei. Dahinter
standen Irritationen über die Erosion des kirchlichen Milieus bis
hin zu zahlreichen Kirchenaustritten, mindestens ebensosehr jedoch
die Beunruhigungen über eine angeblich politisierte, links-
lastige Kirche. Die hier vorliegende Antwort der kirchlichen
Expertengruppe besteht aus vier Teilen: l. einem weitgespannten
Überblick über die Stellung der Kirche im gesellschaftlichen
Kontext der Schweiz in diesem Jahrhundert (Peter (iilg.
Die Kirchen im gesellschaftlich-politischen Spannungsfeld der