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Ausgabe:

1993

Spalte:

327-329

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Diers, Michaela

Titel/Untertitel:

Bernhard von Clairvaux 1993

Rezensent:

Köpf, Ulrich

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Seite 1, Seite 2

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327

Theologische Literaturzeitung 1 18. Jahrgang 1993 Nr. 4

328

für die Lutherakademie zur Zeit von R. Hermann und E. Schott
eingesetzt (373). Der Bericht von Horst Fuhrmann endet mit
einer Übersicht über den Stand der Veröffentlichungen der
MGH (XVII-XIX). Weitere Berichte betreffen die Tätigkeit der
Pius-Stiftung für Papsturkundenforschung 1989/90 von R. Hiestand
(374-376) sowie über die Germania Sacra 1990/91 von O.
G. Oexle (377f).

Die Reihe der Aufsätze eröffnet E.-D. Hehl mit einer Untersuchung
„798 - ein erstes Zitat aus der Konstantinischen Schenkung
" (1- 17). Die behaupteten Zusammenhänge sind gut möglich
, sie fügen sich ein „in die Tendenzen der Forschung, in der
Konstantinischen Schenkung weniger ein juristisches Dokument
und einen päpstlichen ,Besitztitel' zu sehen als ein Zeugnis
für das sich in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts
wandelnden Selbstverständnisses der römischen Kirche..." (17).
M. Borgolte schreibt „Über Typologie und Chronologie des
Königskanonikats im europäischen Mittelalter". Königskanoni-
kate hält er erst für „eine Schöpfung des Hochmittelalters" (43);
er unterscheidet davon die älteren Bruderschaften mit Stiftskapiteln
, die schon bei Heinrich II. vorlagen. A. Wolf beweist
unter der Überschrift „Königskandidatur und Königsverwandtschaft
", daß ein „Prinzip der freien Wahl" nur eingeschränkt gegeben
war: Königskandidaten sollten aus dem Kreis der Nachkommen
des Dynastiegründers kommen, wobei auch „Tochterstämme
" anerkannt wurden (45-117). Sylvia Schein untersucht
„Die Kreuzzüge als volkstümlich-messianische Bewegungen".
Die Eroberung Jerusalems wurde „als eine notwendige Voraussetzung
für den Beginn der endzeitlichen Ereignisse, der Ankunft
des Antichrist in Jerusalem betrachtet" (126). H. E. Mayer
ging einigen Urkunden nach „Zur Geschichte der Johanniter im
12. Jahrhundert" (139-159). H. Willjung bietet Erkenntnisse
„Zur Überlieferung der Epistola de processione Spiritus sancti
Smaragds von Saint Mihiel". B. C. Brasington äußert sich „Zur
Rezeption des Prologs Ivos von Chartres in Süddeutschland"
(167-174). J. Miethke meldet den Abschluß der kritischen Ausgabe
von Ockhams akademischen Schriften: In 21 Jahren wurden
17 Bände erarbeitet; gegen Details werden Vorbehalte angemeldet
(175-185).

W. Goez überschreibt seinen Beitrag „Mathilda Dei gratia si
quid est - Die Urkunden-Unterfertigung der Burgherrin von Ca-
nossa" (379-394). Jene Formel sollte nicht nur mittelalterliche
Demut bezeugen, „sie drückt zugleich auch jene Vollmacht aus,
mit welcher die Tochter des Bonifatius und der Beatrix zu handeln
gewohnt war" (393). T. Vogtherr bietet unter der Überschrift
„Der bedrängte König" Beobachtungen zum Itinerar
Heinrichs (VIII.), die sich zu fünf Karten für die Jahre 1220-
1235 verdichten. W. Kollers „Studien zur Überlieferung der
Chronik des Saba Malaspina" (441-507) betreffen ein Dokument
aus dem späteren 13. Jh. Kathrin Utz Tremp erstattet
einen Werkstattbericht über"Richard von Maggenberg und die
Freiburger Waldenser (1399-1438)". H. E. Mayer führt in die
Jahre 1119-1126 mit der Miszelle „Die antiochenische Regentschaft
Balduins II. von Jerusalem im Spiegel der Urkunden"
(559-566). Über die Hälfte der Seiten werden gefüllt mit Besprechungen
und Anzeigen.

Rostock Gert Haendler

Diers, Michaela: Bernhard von Clairvaux. Elitäre Frömmigkeit
und begnadetes Wirken. Münster: Aschendorff 1991.
VIII, 436 S. gr.8° = Beiträge zur Geschichte der Philosophie
und Theologie des Mittelalters, NF. 34. Kart. DM 1 10,-.
ISBN 3-402-03929-X.

Bernhards Selbstbezeichnung als „Chimäre meines Zeitalters
" (Ep. 250,4) ist immer wieder - auch vom Rez. - zur Deutung
seiner in mancher Hinsicht problematischen Erscheinung
herangezogen worden. Wie wenige Gestalten des Mittelalters
verbindet der Abt von Clairvaux stärkste religiös-theologische
Konzentration und ausgedehnte politische Aktivitäten auf allen
Ebenen und in allen Bereichen miteinander. Das Spannungsverhältnis
zwischen der kontemplativen und der aktiven Komponente
seines Lebens (,Mystik und Politik') ist oft bemerkt und
beschrieben, aber noch nie umfassend untersucht worden. Das
vorliegende Buch, eine im Wintersemester 1990/91 angenommene
Freiburger historische Dissertation, leistet einen wichtigen
Beitrag zu seiner Erhellung. Die Vfn. sammelt, paraphra-
siert und interpretiert Bernhards Äußerungen über sein Wirken
sowie Aussagen der Vita prima und anderer zeitgenössischer
Werke in zehn locker aneinandergereihten Kapiteln. Die Aspekte
von Frömmigkeit und Theologie sind dabei eher an den Rand
gerückt - mit Recht, da sie schon immer ein zentrales Thema
der Bernhardforschung gebildet haben. Eingehend vorgestellt
werden dagegen die Rolle des Mönchsstandes und seiner besonderen
Lebensform in Bernhards Denken (11-27), der Nachfolgegedanke
in seinen Beziehungen zu Christologie und Geschichtsverständnis
(28-81), die Einbindung des einzelnen in
die klösterliche Gemeinschaft (82-104), das Verhältnis von
Aktion und Kontemplation und die Rolle der Liebe beim Handeln
(105-149), Bernhards mannigfache Klagen über seine persönliche
Situation (150-176), die Rechtfertigung seines Wirkens
besonders aus der Sorge um die „Angelegenheiten Christi"
(177-196), Bernhards Selbstdarstellung durch Selbstverkleinerung
und die Formen seines öffentlichen Wirkens zumal in der
Auseinandersetzung mit den frühscholastischen Theologen Petrus
Abaelard und Gilbert von Poitiers (197-269), sein Wirken
durch Wunder (270-310), seine Geschichtsauffassung als Rahmen
für die Bestimmung von Ziel und Inhalt seiner Tätigkeit
(311-348) und schließlich seine Aktivitäten im Zusammenhang
mit dem Zweiten Kreuzzug (349-398).

Die Abfolge dieser zehn Kapitel läßt sich nicht immer sachlich
nachvollziehen. Die Vfn. hat auf den Versuch verzichtet,
die Struktur von Bernhards Tätigkeit und seine Gedanken darüber
systematisch folgerichtig zu rekonstruieren. Immer wieder
weist sie auf Mängel an gedanklicher Strenge, auf Wiedersprüche
, uneinheitliche Terminologie u.dgl. in Bernhards Äußerungen
hin. „Weder an der intellektuellen Durchdringung noch
an der systematischen Erfassung seines Gegenstandes ist Bernhard
gelegen, sondern an dessen Vergegenwärtigung. Bernhards
Theologie hat ihren Sitz im Leben, auf dessen heilsverheißende
Gestaltung sie dringt. In immer neuen Variationen kostbaren
Bedeutens gilt es daher zum Nutzen des Nächsten aus der Fülle
der Wahrheit zu schöpfen." (7) Hinter dem Urteil über Bernhards
mangelnde systematische Fähigkeiten steht natürlich eine
an der Scholastik gewonnene Auffassung von Theologie. Ohne
daß die Vfn. dies ausdrücklich zu einem Thema machte, kommen
in ihrer Darstellung Züge einer .symbolischen Theologie'
in Bernhards Werk zur Geltung. Sie nimmt auch den von Jean
Leclercq geprägten, in Deutschland freilich noch immer nicht
voll anerkannten Begriff der ,monastischen Theologie' auf -
allerdings in einer nicht sehr präzisen und deshalb für die Behandlung
ihrer Fragestellungen wenig hilfreichen Weise: „Diese
Theologie, die das Kloster als Schule verstanden wissen will,
ist im wesentlichen Lebenslehre mit dem zentralen Anliegen
der .Bildung des Menschen'" (250). Für die Erfassung des
Typus einer .monastischen Theologie' tragen solche allgemeinen
Formulierungen nichts aus. Dagegen gelingen der Vfn. gehaltvolle
Analysen der Aktivitäten Bernhards. Aus ihrer Untersuchung
wird deutlich, daß der Heilige im wesentlichen durch
das gesprochene und geschriebene Wort gewirkt hat (vgl. vor
allem 228-248: „Anmaßung", „Betreiben", „Invektive", „Beredsamkeit
", „Drohungen"). Symbolische Handlungen oder ein
karitatives Wirken, wie sie etwa für Franziskus von Assisi