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Ausgabe:

1993

Kategorie:

Neues Testament

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Neuerscheinungen

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323

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

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akzentuiert Mt nach W. die Gerichtsfolgen menschlicher Fehlentscheidungen
mehr als die Belohnung einer positiven Lebensführung
aufgrund der Verheißung der „Herrschaft im Himmel
" (117), wie er auch mehr auf den Erkenntniswert der Taten
(sie erweisen, wer der Mensch ist) als auf ihren Leistungscharakter
abhebt (1181'.). Immerhin: Vergolten wird nach den Werken
aber so, daß die Bewährung der Nachfolge als ganze qualifiziert
wird. Dies muß für Mt so sein, weil aufgrund seines
ganzheitlichen Menschenbildes die „innere" Einstellung zum
Messias und die „äußeren" Taten des Menschen nicht zu trennen
sind (126f.). So werden die Gerichtsaussagen im Mt „zum
eindringlichen Appell an die Gemeinde..., ihrer Berufung treu
zu bleiben" (153).

Dies geschieht als Bewährung der Menschen in der Gegenwart
durch das „Tun des Willens des Vaters" (161 ff.). Dieser
umfaßt das gesamte göttliche Wirken zum Heil des Menschen,
so daß vor allem Jesus selbst zum Ausdruck des väterlichen Willens
wird. Gleichwohl zielten insbesondere Gottes Wille und
Jesu Forderungen - auch in Gestalt der autoritativen Schrillaus
legung Jesu - auf die Lebenspraxis des Menschen: Auch hier
gehören die göttliche Berufung des Menschen und sein Beitrag
rechter Praxis also zusammen (201). Vollzieht sich menschliches
Handeln in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters,
so herrscht „Gerechtigkeit" (205f.). Diese Gerechtigkeit erschöpft
sich nicht im äußeren gesetzlichen Tun, sondern zielt auf
innere Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters (246ff.).

Dieses Gottesverhältnis wird zwischen der Auferstehung
Jesu und der Aufrichtung des „Reiches der Himmel" den Menschen
durch die Gemeinde angeboten und in ihr besonders verwirklicht
: Sie ist nämlich der Ort des Lernens, insofern in ihr
die Lehre Jesu präsent ist. Sie ist jedoch auch zugleich der Ort
des Verzeihens und der Zurechtweisung des sündigen Bruders,
insofern in ihr die Lehre Jesu praktiziert wird (29711.). Sie ist
endlich der Ort, an dem das „Mit-sein Jesu" bei seinen Jüngern
in besonderer Weise gegeben ist (359ff.).

Diese Skizze vermittelt hoffentlich einen Eindruck von der
Geschlossenheit des Konzeptes, wie es der Vf. vorträgt und in
immer neuen systematisch und exegetisch wohl überlegten
Schritten entfaltet (z.T. mit etwas viel Wiederholungen). Auch
inhaltlich wird man den großen Linien des Konzeptes bescheinigen
, daß Mt in vieler Hinsicht gut zur Geltung gebracht ist.
Allerdings bleiben Nachfragen. Eine wesentliche bezieht sich
auf die Methode. W. betont bei seiner „redaktionskritischen
Untersuchung" (42f.) die „alleinige Verantwortung des Redaktors
für die jetzige Gestalt des Textes" (44) so stark, daß m.E.
die immer auch vorhandene Spannimg zwischen Tradition und
Redaktion heruntergespielt wird. Nur weil W. praktisch alles
für den Evangelisten reklamiert, kann er z.B. das für Jesus
rekonstruierbare Verständnis der Antithesen in Mt 5,21 ff. und
ihr miVerständnis zusammenfallen lassen (228ff.), oder kommt
er zu einer m.E. systematisch konstruierten Unterscheidung
von „Reich der Himmel", „Reich Gottes" und „Reich des Menschensohnes
" (70ff.)7

Methodisch wird man auch nachfragen dürfen, warum der,
der sich aufmacht ..redaktionskritisch" zu arbeiten, es versäumt,
das Thema erst einmal im literarischen Aufriß des Mt zu suchen
und dadurch seine Gewichtung für Mt zu beschreiben. W. hingegen
orientiert sich an seinem eigenen Darstcllungskonzept und
greift immer gerade auf solche Stellen des Mt zurück, die für
seine Dissertation sachdienlich sind. Er arrangiert also gleichsam
die Stoffe des Mt neu. Daß man so auch seine eigene Systematik
des Textes aufzw ingen kann, ist klar.

Dies geschieht wohl doch auch durch die Sprache des Vf.S.
Nach ihm setzt sich z.B. die Gültigkeit der Wcltordnung des
Menschensohnes durch (106), oder die Ordnung des Mcn-
schensohnes gelangt zum Durchbruch (110; vgl. 146-148.152),
oder nüi Jesus habe Gott einen „Prozeß" der Durchsetzung seiner
Herrschaft initiiert (322). Mt benutzt solche Sprache nicht.
Mit welchen Kategorien wird also Mt angemessen wiedergegeben
? Hierzu gälte es insbesondere auch den mt Gesetzesbegriff
(Mt 5,17-19) abzuklären, was W. versäumt, denn er springt
flugs zur autoritativen Gesetzesauslegung Jesu, ohne aufzuweisen
, welche Hintergrundentscheide Mt z.B. aus dem Judentum
seiner Zeit übernimmt, wenn er vom Nomos redet. Bei der
Sprache des Vf.s muß man auch noch an anderer Stelle um der
Sache willen nachfragen: Kann man wirklich nach einer langen
Diskussion zu den synoptischen Gleichnissen die Begriffe
„Gleichnis" und „Parabel" für Mt 22,1 ff. durcheinander verwenden
, ohne überhaupt den notwendigen Begriff „Allegore -
se" anzuzeigen und die damit für Mt 22,1 ff. gesetzten Verste-
hcnsgrundlagen anzuwenden (161 ff.)?

Raisdorf b. Kiel Jürgen Becker

Alctti, J.-N.: Comment Paul voil la justice de Dieu en Rm. Enjeux d'une
absence de definition (Bibl 73, 1992, 359-375).

Barth, Gerhard: Zur Frage nach der in I Korinther 15 bekämpften Aufer-
stehungsleugnung (ZNW 83. 1992, 187-201).

Broadhead, Edwin: Mk 1,44: The Witness of the Leper (ZNW 83,
1992, 257-265).

Carter, Warren: Kernels and Narrative Blocks: The Structure of Mat-
thew's Gospel (CBQ 54, 1992, 463-481).

Edwards, M. J.: Quoting Aratus: Acts 17.28 (ZNW 83. 1992, 266- 269).

Erlemann, Kurt: Der Geist als ÜQQaßojv (2Kor 5.5) im Kontext der
paulinischen Eschatologie (ZNW 83, 1992, 202-223).

Heil, J. P.: The Progressive Narrative Pattern of Mark 14,53-16,8 (Bibl
73, 1992, 331-358).

Iersel, Bas van: De thuishaven van Marcus (TTh 32, 1992, 125-142).

Kilgallen, J. J.: A Suggestion regarding gar in Luke 10,42 (Bibl 73.
1992, 255-258)).

Klumbics, Paul-Gerhard: ..Ostern" als Gottesbekenntnis und der Wandel
zur Christusverkündigung (ZNW 83. 1992, 157-165).

I.autenschlagcr. Markus: Abschied vom Disputierer. Zur Bedeutung
von onl;i)TtiTij5 in IKor 1,20 (ZNW 83, 1992, 276-285).

Lebourlier, J.: Entos Hymon. Le sens "au milieu de vous« est-il possi
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McKay, K. L.: Time and Aspcct in New Testament Greek (NT 34. 1992.
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Moberly, R. B.: When Was Revelation Conceived? (Bibl 73, 1992. 376

393).

Plümacher, Eckhard: Eine Thukydidesreminiszen/ in der Apostelgeschichte
(Act 20,3.3-35 - Thuk.II 97,3f) (ZNW 83, 1992, 270-275).

Schmidt, Thomas E.: The Penetration of Barriers and the Revelation of
Christ in the Gospels (NT 34, 1992, 229-246).

Weber, Beat: Schulden erstatten - Schulden erlassen. Zum matthäischen
Gebrauch einiger juristischer und monetärer Begriffe (ZNW 83. 1992, 253-
256).

Kirchengeschichte: Mittelalter

Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters. Namens
der Monumenta Germania Historica hg. von H. Fuhrmann u.
H. M. Schaller. 47. Jg., Heft 1 u. 2. Köln-Wien: Böhlau 1991.
XXIII, 838 S„ 6 S. Inhalt gr.8«. ISSN 0012-1223.

An der Plenarsitzung der Zentraldirektion im März 1991 w aren
zum ersten Mal seit 1966 „sämtliche Vertreter der mit den
MGH verbundenen Akademien versammelt, aus der ehemaligen
DDR neben dem im vorigen Jahr bereits anwesenden Delegierten
der Berliner Akademie ... diesmal auch ein Vertreter
der Leipziger Akademie" (I). Ein Nachruf gilt der Historikerin
Ruth Bork, die in Potsdam 1966-1987 unter schwierigen Bedingungen
Mitarbeiterin an den MHG war; sie hatte sich auch