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Ausgabe:

1993

Spalte:

324-326

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wouters, Armin

Titel/Untertitel:

"... wer den Willen meines Vaters tut" 1993

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

324

Schlüsselbegriff ihrer Hermeneutik. "Inclusion" ist Gegenbegriff
zu "Exclusion", einer fundamentalen Erfahrung von Frauen
in Geschichte und Gegenwart. Die Beendigung der Margina-
lisierung von Frauen bedeutet nicht die "exclusion" von Männern
. "Any new feminist model ... must be able to include wo-
men as well as men at the centre of history" (31). Die theoretischen
Grundlagen dieses Buches sind die der feministisch-theologischen
Hermeneutik von Elisabeth Schüssler Fiorenza.

In einem ersten Kapitel werden diese Grundlagen übersichtlich
und leicht verständlich dargelegt. Die Arbeit am Material
des Matthäusevangeliums, das sie mit der Mehrheitsmeinung
der traditionellen Forschung zwischen 80-90 n.Chr. ansetzt
(339 u.ö.), bezieht sich auf Texte, in denen Frauengestalten eine
zentrale Rolle spielen: Maria und die Ahnfrauen (besonders Mt
1,1-25), Frauenheilungen (Mt 8,14-15; 9,18-26; 15,21-28),
Frauen in der Passionsgeschichte. Die Texte werden in einem
methodisch reflektierten Dreischritt untersucht: 1. "narrative-
critical"; 2. "redaction-critical"; 3. Zuordnung der Texte zur
Gemeinde des Matthäus. Für die Ahnfrauen-Maria-Erzählung
ergibt der erste Schritt, daß in eine androzentrische, patriarcha-
len Interessen dienende Genealogie „Traditionen eingebracht
werden, die die Macht und Gegenwart von Frauen in der Geschichte
Israels und der Geburt seines Messias bestätigen" (75).
Zwischen der androzentrischen Genealogie und Josefserzählung
und der Ahnfrauen-Maria-Erzählung besteht eine Spannung.
Der zweite Arbeitsschritt erbringt für diesen Text Mt 1: Maria
und die Ahnfrauen sind in einer Situation, die die herrschende
patriarchale Kultur für unnormal hält (174). Ihre Geschichten
bedeuteten Unterbrechung und Störung der patriarchalen Ordnung
. Diese patriarchatskritische Tradition wird zwar einer androzentrischen
Tradition (also der Josefsgeschichte) redaktionell
einverleibt, aber von ihr nicht ausradiert (175). Diese patriarchatskritische
Tradition ist einer befreienden Christologie verbunden
. Der dritte Schritt erbringt dann, daß die Grundlage dieser
literarischen patriarchatskritischen Traditionen, die sich wie
für den Komplex Ahnfrauen-Maria auch für die anderen Frauentraditionen
zeigen lassen, die inklusive Lebensweise der mat-
thäischen Gemeinde ist, in der Frauen nicht in den Strukturen
der patriarchalen Familie leben, sondern in denen einer neuen
"kinship", die der Vision Jesu von der basileia verpflichtet ist
und volle Teilhabe von Frauen an der Jüngerschaft ermöglicht.
Dadurch, daß diese patriarchatskritischen Traditionen im Text
erhalten sind, werden durch dieses Nebeneinander aus androzentrischen
Traditionen (nach der z.B. die Jünger Männer sind)
inklusive Symbole (355). Die patriarchatskritischen Frauentraditionen
des Matthäusevangeliums sind als von Frauen in Hausgemeinden
tradierte Jesusgeschichte zu begreifen. Ihre Funktion
bleibt zweischneidig: "On the one hand, the presence of the-
se stories of women at the centre of the patriarchal narrative and
at the heart of the life of the house churches offered a constant
critique of patriarchy and all its attendant structures and world
view. On the other hand, their incorporation into such a narrative
co-opted their very subversive power for the support of
patriarchy so that woman, idealized as ,the other' or ,the faithful
one', was removed from the realm of concrete structures and
values where men struggled and failed and where patriarchy
prevailed."

„Frauen und ihre Traditionen waren im Zentrum des Überlebens
und des Wachstums der matthäischen Kirche, aber ihre
Zentralität war beides - bedrohlich und bedroht" (35 lf).

Auf der Grundlage des hermeneutischen Modells von Elisabeth
Schüssler Fiorenza bietet diese Dissertation einen sorgfältigen
und einleuchtenden Erklärungsversuch für das Nebeneinander
so krass sich widersprechender Traditionen. Grundlegend
finde ich den Schritt aus den Texten in die Lebenszusammenhänge
der matthäischen (Haus)Gemeinden. Dieses Buch macht
klar: Das Matthäusevangelium (wie die anderen Evangelien) ist

nicht Produkt einer von Männern definierten Gemeinde. An den
Evangelien haben Frauen mitgeschrieben und sie sind in sich,
was patriarchale Interessen angeht, fundamental widersprüchlich
. An Einzelergebnisse hätte ich Fragen, z.B. ob die Ahnfrauen
innerhalb der Genealogie nicht eine patriarchale Vereinnahmung
der vaterlosen Geburt Jesu durch Maria vorbereiten. Aber
die prinzipielle Problematik der Evangelien im Blick auf patriarchale
Strukturen ist von solchen Anfragen nicht betroffen.
Ebenso bleibt nach meiner Sicht die Vorstellung von Patriarchat
in der Durchführung des Buches zu schmal auf Männerherrschaft
und patriarchale Familienstrukturen beschränkt. Z.B.
werden politische und ökonomische Aspekte der patriarchalen
Herrschaft und damit zentrale sozialgeschichtliche Fragen nur
am Rande erwähnt. Dieses Buch sollte nicht nur berücksichtigt
werden, wenn es um die Erforschung der Frauentraditionen der
Evangelien geht, sondern es sollte auch dazu beitragen können,
daß die Diskussion über patriarchatsorientierte und patriarchatskritische
Strukturen der frühchristlichen Praxis, der frühchristlichen
Texte und der Bibelauslegung auch in der herrschenden
neutestamentlichen Wissenschaft in Gang kommt. In diesem
Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sowohl die grundlegenden
Werke von Elisabeth Schüssler Fiorenza (bes.: In Memory
of Her. A Feminist Theological Reconstruction of Christian
Origins, New York 1983; deutsch München 1988) als
auch das wichtige Buch von Jane Schaberg, The Illegitimacy of
Jesus. A Feminist Theological Interpretation of the Infancy
Narratives, San Francisco 1987, das ebenfalls im Zentrum der
Dialoge dieser Dissertation steht, in der ThLZ bis heute nicht
besprochen worden sind. Es gibt einen deutschlandspezifischen
Nachholbedarf.

Kassel Luise Schottroff

Wouters, Armin: „...wer den Willen meines Vaters tut". Eine
Untersuchung zum Verständnis vom Handeln im Matthäusevangelium
. Regensburg: Pustet 1992. 458 S. 8° = Biblische
Untersuchungen, 23. Kart. DM 48,-. ISBN 3-7917-1307-8.

Die bei F. Laub in München angefertigte Dissertation geht
von der Einsicht aus, daß das MtEv „wie kein anderes durch
zahlreiche Handlungsanweisungen und Forderungskataloge
geprägt" ist (13). Die Untersuchung will darum klären, „welchen
Stellenwert für Matthäus das Handeln gemäß den Forderungen
Jesu in der Jüngerexistenz hat", bzw. „warum Matthäus
solches Gewicht auf das Handeln des Jüngers legt" (17). Dabei
geht es nicht um den Materialgehalt der Forderungen Jesu,
sondern grundsätzlich um die Fragen: Warum soll der Mensch
gerade so handeln, wie Jesus es fordert; warum ist das Handeln
gemäß diesen Weisungen überhaupt so wichtig, und von welchen
Voraussetzungen geht Matthäus aus, wenn er den Jünger
zum Handeln auffordert?" (17).

Diesen Fragenkomplex klärt W. zunächst ab, indem er von
den „Einlaßsprüchen" im Mt ausgeht und die Verbindung von
menschlichem Tun und Heilsverheißung thematisiert (47ff.).
Die Heilsverheißung ist für Mt durch das Stichwort „Herrschaft
der Himmel" gegeben. Mit der Zukunft dieses Reiches verbindet
Mt die Vorstellung vom Gericht und der Parusie des Menschensohnes
. Das menschliche Handeln, das im Blick auf das
„Reich der Himmel" gefordert wird, soll dem Menschen Bestand
im Gericht des Menschensohnes verleihen, so daß der
Mensch im „Reich der Himmel" leben kann. Dabei gilt ein
Doppeltes: Dieses Reich ist alleinige Heilstat Gottes. Doch zugleich
soll der Mensch, der auf dieses Geschenk wartet, sein
Tun als Wartender darauf einstellen. So sind die Güte Gottes
(Mt 20,1- 16) und die Einlaßbedingungen ins „Reich der Himmel
" (z.B. Mt 18,3) aufeinander bezogen (99-130). Im übrigen