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Ausgabe:

1993

Spalte:

318-320

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Scholtissek, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Vollmacht Jesu 1993

Rezensent:

Vogler, Werner

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

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die .Patriarchen' bereits mit der Tora befaßt sind, wird vom Vf.
problematisicrt). Eindeutig ist das theologische Anliegen. Mit
Recht bedenkt Vf.: „Daß es sieh bei der katechismusartigen
Gesetzesparänese um ethische Unterweisung für das alltägliche
Leben handelt, ... beweisen die betonten Aussagen, die das
konkrete Verhalten in den Horizont des Willens Gottes stellen"
(I64ff. [166: Zitat]).

Da sich bei den einschlägigen Abschnitten in den TestXII
eine „inhaltliche(n) und intentionale(n) Verwandtschaft mit den
im ersten Hauptteil behandelten frühjüdischen Texten" ergeben
hat. ist für Vf. die „These" erhärtet, „daß diese Form der Paränese
traditionell geprägt ist" (167). Deshalb ist in einem dritten
Teil der Untersuchung „Katechismusartige Toravergegenwärti-
gung als Wesenszug der frühjüdischen Paränese" in einem
..Querschnitt"" Zu erheben (167-231), wobei für die ausgewählten
Texte weder geographisch noch chronologisch eine Gliederung
erfolgen noch gattungsmäßig die nachfolgende Rubrizierung
voll überzeugen kann, wie Vf. ausdrücklich festhält (168).
Er behandelt 1) „Paränetische Unterweisung in .apokalyptischen
' Schriften'": (a) Sibyllinische Orakel; (b) Slavischer He-
noch; (c) Testament Abrahams; (d) Apokalypse Abrahams; - 2.
..Paränetische Unterweisung in Testament-Form": (a) Tobit; (b)
Jubiläenbuch. - 3. „Paränetische Unterweisung in lehrhafter
Form": (a) Weisheit Salomos; (b) IVMakkabäer. - 4. „Paränetische
Unterweisung in Form pseudepigraphischer Dichtung":
(a) Psalmen Salomos; (b) Dramatiker-Gnomologion. Bei aller
Verschiedenartigkeit der Belege bestätigt sich das im ersten
und zweiten Teil der Untersuchung Erarbeitete: z.B. „Die katechismusartige
Vergegenwärtigung der Toraforderungen in Sib
unterstreicht die paränetische Ausrichtung der Schrift auf eine
Leserschaft, die in den Reihen des Diasporajudentums zu suchen
ist ..(185); „Der Verfasser des IVMakk schöpft aus demselben
Fonds frühjüdischer ethischer Weisungen, der aus dem
Vergleich von PseuPhok, Josephus, Ap II 190-219. und Philo.
Hyp 7,1-9, erschlossen werden konnte" 221).

In einer zusammenfassenden Auswertung der über 40 näher
behandelten Texte/Abschnitte geht Vf. zunächst darauf ein, daß
materialiter die in den katechismusartigen Reihungen angesprochenen
„Verhaltensweisen" entscheidend dem „Alltagsmi-
lieu" zugehören und daß diese als „konkrete sittliche Mahnungen
" „Ausdruck der Forderungen der Tora" sind (233), die aber
durchaus im Lichte gewandelter Situation und somit gegenwartsnah
für die jüdischen Diasporagemeinden zu sehen sind.
Bei solcher Aktualisierung erklärt sich sachgemäß die „Kombination
von Gesetzesforderungen mit gemeinantikem Weisungsgut
", wobei letzteres „innerhalb der paränetischen Reihen meist
wie selbstverständlich unter die .mosaischen' Mahnungen gemischt
und damit ihrer Autorität unterstellt" wird (235).

Im weiteren verdeutlicht Vf.. daß die von ihm als „traditionsgeschichtliche
Vorstufe" der im ersten Teil behandelten
Texte „nicht als literarische Quelle", „sondern als flexible
Sammlung konkreter sittlicher Weisungen der Tora und mit
ihnen verwandter jüdischer und gemeinantiker Mahnungen"
anzusehen ist (236), wofür sich bei den im zweiten und dritten
Teil diskutierten Texten nur begrenzt „spezifische Übereinstimmungen
" und unmittelbare Zuordnungen ermitteln lassen
(z.B. IVMakk 2,5-16; Sib V,386-393.I65ff.; III,7627-66.594ff.;
Vgl. S. 2I91T.I791T.I8II.). Doch auch die inhaltlich differenten
Weisungen sind qua Reihung durchaus diesem .ethischen
Fonds' zuzuordnen (237). Die Abschnitte paränetischer Reihungen
selbst aber stehen im Dienste der Unterweisung, jedoch
nicht im Sinne eines „institutionalisierten" Elementarunterrichts
, sondern - wie mehrfach in der Untersuchung festgehalten
- für die in der Diaspora lebenden Familien (238f.). Die in
den genannten Reihungen sichtbar werdende Variabilität der
Weisungen aber läßt „das Gesetz zur positiven Norm für das
Handeln im Alltag" werden, zur „Verwirklichung" angestammten
Glaubens in einem „Leben nach dem Willen Gottes"
(240ff.).

Diese wichtige Untersuchung leistet, wie vom Vf. erhoff!
(II.), in der Tat in reichem Maße Vorarbeit für die neutesta-
mentliche Forschung, indem sie in einem speziellen Feld Voraussetzungen
für die Anknüpfung der frühen christliehen Gemeinde
bietet und Weisungen innerhalb der ntl. Schriften besser
verstehen lehrt.

Von hier aus stellt sich dann aber die Frage, ob der Vf. nicht
noch eingehender auf Begründungen und Normen bzgl. frühjüdischer
Weisungen (und ihrer Reihungen) hätte eingehen sollen
, gerade weil die neutestamentliehen Autoren vielfach bei
materialiter übernommenem paränetischen Gut - nicht nur aus
dem Frühjudentum, sondern auch aus der hellenistischen Umwelt
- durch neuen Kontext, durch Normen und Motivierungen
vom christlichen Glauben her bestimmte und Richtung weisende
Akzente setzen.

Abschließend ist ein mögliches Mißverständnis abzuwehren:
Es kann der Eindruck entstehen, frühjüdische Paränese werde
in vorliegender Dissertation auf die Auslegung der Tora
beschränkt. Das ist in der Sache nicht der Fall und auch nicht
Absicht des Vf.s. denn es geht ihm in seiner „Untersuchung um
den Nachweis einer charakteristischen Ausprägung, nicht jedoch
um eine Gesamtdarstellung der frühjüdischen Paränese"
(167 Anm. 1). Dies ist ihm in einem beachtlichen Maße gelungen
.

Erlangen Otto Merk

Scholtissek, Klaus: Die Vollmacht Jesu. Traditions- und redaktionsgeschichtliche
Analysen zu einem Leitmotiv marki-
nischer Christologie. Münster: Aschendorff 1992. XII, 340
S. gr.8° = Neutestamcntliche Abhandlungen, N.F. 25. Lw.
DM 98,-. ISBN 3-402- 04773-X.

Diese bei K. Kertelge gearbeitete (und 1989 von der Universität
Münster angenommene) Dissertation widmet sich einem
bisher monographisch noch nicht aufgearbeiteten Thema. Sie
fragt nach der - seit der Untersuchung von A. H. Howe ("The
Teaching Jesus Figurc in the Gospel of Mark", 1980) verstärkt
in den Blick getretenen - Exousia Jesu in den Traditionen des
frühen Christentums und dem darin ihr beigemessenen Stellenwert
. Dabei kommt Sch. zu dem Ergebnis, daß Markus die in
seinen Quellen ihm implizit entgegengetretene Vollmachtschri-
stologie aufgegriffen und zu einem „Leitmotiv" seines Evangeliums
gemacht habe: allem voran der Christologie. die sieh u.a.
dadurch auszeichne, daß von dem Exousia-Motiv her auch die
Hoheitstitel bestimmt sind, darüber hinaus aber auch der Ekk-
lesiologie. Den Nachweis dafür erbringt der Vf. in dem - umfangreichen
- Hauptteil C seiner Untersuchung.

Nach einführenden Bemerkungen - namentlich zum ..Stand
der Forschung zum Exousia-Motiv im Markusevangelium" (5-
8) - sowie einem wohltuend knapp gefaßten Abschnitt über den
„Diskussionsstand" zur „Christologie im Markusevangelium"
(9-28) geht der Vf. zunächst dem Exousia-Begriff in vormarki-
nischen Überlieferungen nach. Dabei stellt er für das Alte Testament
fest: So wenig dieses dafür einen adäquaten Terminus
hat, so sehr kommt doch die Sache, die sich mit ihm verbindet,
darin schon zur Sprache: „Die göttliche Exousia ist seine (sc.
Jahwes) absolut-freie Handlungsmächtigkeit" (48). Im Gegensatz
, hierzu weist das Nomen Exousia in der griechischen, früh-
jüdischen und rabbinischen Überlieferung ein breit gefächertes
Verständnis auf. Auch im Corpus Paulinum ist Exousia „eine
offene Vokabel mit einer relativen Bcdeutungsvielfalt" (71).
Anders verhält es sich dagegen mit der Redenquelle. Hier stellt
Sch. bereits ein deutlich „christologisches Interesse" an der