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Ausgabe:

1993

Spalte:

305-306

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pohlmann, Karl-Friedrich

Titel/Untertitel:

Ezechielstudien 1993

Rezensent:

Bartelmus, Rüdiger

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305

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

306

auch für diejenigen, die zu einer anderen Auffassung von der
Entstehung des Hoseabuches gelangt sind.

Helsinki Martti Nissinen

Pohlmann, Karl-Friedrich: Ezechielstudien. Zur Redaktionsgeschichte
des Buches und zur Frage nach den ältesten Texten
. Berlin-New York: de Gruyter 1992. IX, 274 S. gr.8° =
Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft
. 202. Lw. DM 138,-. ISBN 3-11-012976-0.

Der von dem Münsteraner Alttestamentier K.-F. Pohlmann
vorgelegte Band „Ezechielstudien" gibt in zwei annähernd
gleichlangen Abschnitten: „Zur Frage nach der Entstehung des
Buches - Redaktionsgeschichtliche Beobachtungen und Analysen
" (1-134) und „Zur Frage nach den ältesten Texten im Ezechielbuch
" (135-244), ergänzt um ein kurzes Kapitel: „Auswertung
- Zusammenfassung - Folgerungen" (245-254) sowie um
ein Literaturverzeichnis (255-262) und ein Stellenregister (263-
274). einen an zentralen Texten orientierten Einblick in den
derzeitigen Stand der redaktionsgeschichtlichen Forschung am
Ez-Buch; der „Verfassungsentwurf des Ezechiel" (Ez 40-48)
bleibt dabei allerdings weitgehend außer Betracht. Im ersten
Abschnitt werden dem Leser Beobachtungen zu „Strukturierungen
im Ezechielbuch" mitgeteilt, aufgeteilt in vier Kapitel:
„Die golaorientierte Redaktion" (3-45; diskutierte Texte: Ez
14; 17,22-24; 24 sowie das „Beziehungsgeflecht Ez 3,25-27 -
24,25-27 - 33.21 f."), .„Die Sammlung der Zerstreuten' - Beobachtungen
zur literarischen und theologischen Weiterführung
der golaorientierten Konzeption" (46- 87; diskutierte Texte: Ez
20; 36,16-38), „Erwägungen und Thesen zur golaorientierten
Fassung des Ezechielbuches - Die Visionen Ez. 1-3, Ez 8-11
und Ez 37" (88-119) sowie „Zusammenfassung und Folgerungen
" (120-134). Der zweite Abschnitt umfaßt eine kurze Einführung
(137-138) sowie v.a. „Textanalysen" (139-244; diskutierte
Texte: Ez 15; 17; 18; 19,1-14; 23; 31).

Das Buch ist der Gattung des „Werkstattberichts" zuzurechnen
. Hier breitet ein Insider, der seit Jahren an Vorarbeiten für
einen Ez-Kommentar sitzt, die ei sten Ergebnisse seiner Studien
in erster Linie für Insider aus, denen das Denken in redaktionsgeschichtlichen
Kategorien selbstverständliche Voraussetzung
ihrer exegetischen Arbeit geworden ist: Der tendenzkritische
Ansatz seines Lehrers (). Kaiser, nach dem P. überwiegend
Verfährt, wird nicht eigens thematisiert, sondern schlicht vor-
ausgesetzt. Dieses Verfahren hat zwar den Vorteil, daß sich der
Umfang des Bandes in vernünftigen Grenzen hält - angesichts
der verbreiteten Tendenz zu immer umfangreicher werdenden
Studien zu immer kleineren Texteinheiten eine wahre Wohltat -
. hat aber den Nachteil, daß sieh Leser, die nicht mit jeder Volte
der neueren Prophetenforschung vertraut sind, u.U. überforden
Fühlen dürften. Die Tatsache, daß es nicht wenige Theologen
gibt, die (nicht ganz ohne Anhalt an den Texten) davon
ausgehen, daß hinter einem Prophetenbuch doch irgendwo eine
konkrete prophetische Gestalt stehen müsse, die dem Volk von
Israel/Juda/Jerusalem oder seinen Königen Botschaften Jahwes
vermittelt hat, und die demzufolge einer argumentativen Hin-
führung zu der (aus ihrer Sieht) radikalen Lösung P.s bedürften
, wird nicht berücksichtigt: Erst ganz am Schluß (253)
kommt P. mit einigen Sätzen auf das Problem der Gestalt des
Ez zu sprechen: Ez ..war nicht der, wie er uns jetzt im Endstadium
des Buches vor Augen stehen soll" - wer Ez. positiv war,
sagt P. (von seinem Ansät/ aus konsequent) nicht.

Die weitgehend thetische Argumentationsstruktur - Auseinandersetzungen
mit Gegenpositionen finden vornehmlich in
den Anmerkungen statt und tragen zudem oft rein deklaratorischen
Charakter (vgl. z.B. 137, Anm. I: „Gegen Beckers These
...") - dürfte gelegentlich selbst solchen Theologen Mühe
machen, die (wie der Rez. selbst) das Ez-Buch mit redaktionskritischen
Augen zu lesen gelernt haben und dem methodischen
Ansatz P.s im Prinzip zustimmen. Wenn P. den ursprünglichen
Kern des Buches in nichtprophetischen „Klagetexten
" (Ez 19,2-9*; 31,2-13*; 19,10-14*) findet, in denen
„jeglicher Hinweis auf ein Hintergrundwirken Jahwes fehlt"
(192.194.249; sachlich an vielen anderen Stellen wiederholt),
weicht diese These so weit von dem ab, was man in breiteren
Kreisen bisher über die Genese von Prophetenbüchern zu denken
gewohnt war, daß man gerne eine ausführlichere Erklärung
bekäme: Das von P. angewandte Substraktionsmodell - was
sich weder von der „golaorientierten", noch von der diasporatheologischen
, noch von späteren Redaktionen her erklären läßt
und zudem mit der historischen Situation von 587 v.Chr. vereinbar
ist, ist dem Kern des Buches zuzurechnen - überzeugt
jedenfalls nicht jedermann auf Anhieb.

Ungeachtet dieser mehr am Stil als am Inhalt orientierten
kritischen Anmerkungen ist dieses Buch ein wichtiger Beitrag
zur Forschung am Ezechielbuch, der lebhaftes Interesse an dem
angekündigten Kommentar in der Reihe ATD erweckt. Daß der
„naive" Leser darauf hofft, daß dort dann die ihm noch fehlenden
Hintergrundinformationen für manche redaktionskritischen
Entscheidungen im vorliegenden Band nachgeliefert werden,
ist angesichts des auf ein breiteres Publikum zielenden Charakters
der Reihe ATD wohl keine unbillige Erwartung.

Wörthsee Rüdiger Bartelmus

Sperling, Uwe: Das theophanische Jahwe-Uberlegenheits-
lied. Forschungsbericht und gattungskritische Untersuchung
der sogenannten Zionlicder. Frankfurt/M.-Bern-New York-
Paris: Lang 1991. 472 S. 8° = Europäische Hochschulschriften
. Reihe XXIII: Theologie, 426. Kart. DM 99,-. ISBN 3-
631-43804-4.

Eine rein gattungsgeschichtliche Untersuchung der sog.
Zionslieder ist heute nicht ganz unproblematisch. Das sieht der
Vf. der vorliegenden Studie ebenso, wenn er nach einer eisten
Sondierung des Problems („Ansätze der Gattungsforschung an
den Psalmen als erster Zugang zur Gattungsforschung an den
sogenannten Zionliedern", 17-34) feststellt, daß das gattungsgeschichtliche
Konzept H. Gunkels einerseits „auf einer breiten
Ebene bis heute aufgenommen, weiterentwickelt, differenziert"
und andererseits ..immer wieder verkürzt und mißverstanden, ja
gänzlich abgelehnt wurde" (32). Aus diesem Grund stellt sich
der Vf. die Aufgabe, am Beispiel der Zionslieder die Chancen
und Grenzen der gattungsgeschichtlichcn Forschung zu untersuchen
. Nach Durchsicht verschiedener Ansätze erweisen sich
für ihn jene drei Kriterien als unaufgebbar, die nach Gunkels
klassischem Konzept eine Gattung definieren. Das sind: „1.
Gemeinsamer Sitz im Leben, 2. Gemeinsame Stimmung und
Stil des Gedankens, 3. Gemeinsamer Grundbestand an literarischen
Formen, Motiven und Ausdrücken" (ebd., A. 82).

In einem ersten forschungsgeschichtlichen Teil („Die sogenannten
Zionlicder: klassische Positionen der Gattungsfor-
schung", 35-144) werden ausführlich die Positionen von H.
Gunkel, J. Beglich, S. Mowinckel, A. Weiser und H.-J. Kraus
dargestellt. Mit dem Schwerpunkt Zionslieder bilden hier
Grundkonzeptionen den Leitfaden, die am gesamten Psalter
und seiner Kommentierung gewonnen wurden. Demgegenüber
werden in einem zweiten forschungsgeschichtlichen Teil („Die
sogenannten Zionlieder: Weitere Beiträge zur Erforschung der
Gattung". 195-308) Ergebnisse zusammengetragen, die aus
ganz unterschiedlichen Studien erwachsen sind. Gliederungs-