Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1993

Spalte:

299-302

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

McKenzie, Steven L.

Titel/Untertitel:

The chronicler's use of the Deuteronomistic history 1993

Rezensent:

Mathias, Dietmar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

299

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

300

Örsy, Ladisias: Theology and Canon Law. New Horizons for Legislation
and Interpretation. Collegeville, Minn.: The Liturgical Press 1992. 211 S.
gr.8° = A Michael Glazier Book. Kart. $ 17.95. ISBN 5011-2.

Riekkinon, Wille: Über die Bibelauslegung als ökumenisches Problem
(In: Kvist. H.-O. (Hg.|: Bibelauslegung und Gruppenidentität. Abo: Abo
Akademis Förlag 1992. 73-78).

Venetz, Hermann Josef: Die Bibel - „Wort Gottes"? Ein Plädoyer für
einen „lockeren"Umgang mit der Schrift (In: Hänggi, A.: Miteinander.
Freiburg: Herder. 169-178).

Altes Testament

McKenzie, Steven L.: The Chronicler's Use of the Deutero-
nomistic History. Atlanta: Scholars Press 1985. VIII, 219 S.
8° = Harvard Semitic Museum. Harvard Semitic Monogra-
phs, 33. Lw. $ 16.50.

Japhet, Sara: The Ideology of the Book of Chronicles and Its
Place in Biblical Thought. Frankfurt/M.-Bern-New York-
Paris: Lang 1989. VII, 553 S. 8« = Beiträge zur Erforschung
des Alten Testaments und des antiken Judentums, 9.

Beide Werke gehen auf Dissertationen zurück. Die von McKenzie
wurde 1983 bei F. M. Cross an der Harvard University
in Cambridge (Mass.) angefertigt1, die von Japhet schon 10 Jahre
früher (1973) bei I. L. Seeligman an der Hebräischen Universität
in Jerusalem (in Hebr.)2. Von letzterer liegt hier die englische
Übersetzung (von Anna Barber) der hebr. Druckfassung
von 1977 (Jerusalem: Bialik Institut)-' vor. Dem Hg. ist dafür zu
danken, daß sie dadurch einem größeren Publikum zugänglich
wird. Sowohl im methodischen Vorgehen als auch in der Zielstellung
und den Ergebnissen unterscheiden sich beide Arbeiten
grundlegend. Ihre gemeinsame Besprechung ist geeignet, gegenwärtige
Probleme der Chronikforschung zu beleuchten.

S. Japhet (= J.) gibt in einer Einführung (1-10, davor S. V-
VIII Vorworte von ihr und Barber) Auskunft über Prämissen
und Ziel der Arbeit. Sie lehnt die verbreitete These ab, daß Chr
und Esr-Neh als Werk eines Autors (chronistisches Geschichtswerk
) zusammengehören, und rechnet mit zwei getrennten
Werken verschiedener Autoren (4). Linguistisch hatte sie dies
1968 in einem seitdem oft zitierten Aufsatz zu begründen versucht4
, ohne jedoch damit allgemein überzeugen zu können5.
Die vorliegende Studie möchte sich den Interpretationshorizont
nicht durch Esr-Neh vorgeben lassen und beschränkt sich daher
auf die Chr. Ebensowenig soll die „geistige Welt" der Chr
durch eine „vorgegebene ideologische Struktur" verstellt werden
(7). Als solche versteht J. Vermutungen über die historische
Position der Chr, sei es sozialpolitisches Engagement (Levitis-
mus, antisamaritanische Polemik), sei es die Hervorhebung der
Chr als Repräsentantin eines Übergangsstadiums von der bibli-

1 Vgl. HThR 77, 1984, 43 If.

2 Hebr. Titelangabe bei: Isaac Kalimi, The Books of Chronicles. A Clas-
sified Bibliography. Jerusalem 1990 (Simor Bible Bibliographies), S. 94,
Nr. 602.

* Vgl. Einheitssachtitel bei Japhet auf der Rückseite des Titelblatts und
Kalimi, a.a.O., Nr. 606.

4 The Supposed Common Authorship of Chronicles and Ezra-Nehemia
Investigated Anew, VT 18, 1968, 330-371.

5 Vgl. Peter Welten, Geschichte und Geschichtsdarstellung in den Chronikbüchern
. Neukirchen-Vluyn 1973 (WMANT 42). 4 Anm. [5; Mark A.
Throntveit, Linguistic Analysis and the Question of Authorship in Chronicles
, Ezra and Nehemiah, VT 32, 1982, 201-216; Antonius H. J. Gunne-
weg, Esra. Berlin 1985 (KAT), 26; David Talshir, A Reinvestigation of the
Linguistic Relationship Between Chronicles and Nehemia, VT 38, 1988,
165-193; Kim Strübind, Tradition als Interpreation in der Chronik. König
Josaphat als Pradigma chronistischer Hermeneutik und Theologie. Berlin,
New York 1991 (BZAW 201), 26-29.

sehen Periode zum Judentum oder Christentum6. J. beschreibt
ihr Ziel: "We must identify the book's uniqueness within the
context of biblical Ihought and then uncover...the basic linc of
continuity, as well as specific elemcnts that connected the Bible
to the post-biblical period." (7).

Der Text, den J. ihren Untersuchungen zugrunde legt, entzieht
sich allerdings einer genaueren Bestimmung. Denn sie
rechnet damit, daß der Chron. sein Material verschiedenen
Quellen entnahm, dabei aber unterschiedlich verfuhr, manchmal
wörtlich entlehnte, dann wieder drastisch änderte, dennoch aber
auch (wegen eines Mangels an Systematik) Texte aufnahm, die
nicht seine Meinung wiedergeben. Ein "clear picture of Iiis
world-view" (8) sei daher aus den Veränderungen des Chron.
an seiner Vorlage zu gewinnen. Da aber die Vorlage des Chron.
für Sam-Kön von unseren Büchern Sam-Kön (MT) differierte7
und der Chron. gar außerbiblische, nicht auf uns gekommene
Quellen benutzt haben soll, bleibt die Erkennbarkeit solcher
Veränderungen ein Geheimnis von J. Es ist auch nicht einzusehen
, warum das vom Chron. bewußt ausgewählte nachprüfbare
Material für ihn nicht in gleicher Weise ideologisch relevant
sein soll wie seine Änderungen und Zusätze. J. verunsichert den
Leser über ihre Textbasis noch weiter dadurch, daß sie /war
eine spätere Bearbeitung des ursprünglichen Werkes voraussetzt
, sich aber möglichen Konsequenzen durch die Behauptung
entzieht: "It would seem that additions of this sort are not nu-
merous or extensive" (9). So kann sie unbeschwert vom gegenwärtigen
Bestand der Chr ausgehen.

Begibt man sich mit der Autorin auf den Weg durch die folgenden
5 Kapitel (1: "Yhwh, the God of Israel", 11-198; 2:
"The worship of Yhwh", 199-265; 3: "The people of Israel".
267-393; 4: "Kingship", 395-491; 5: "The hope of redemption".
493-504), deren Themenangabe durch "the dictates of the mate-
rial itself" (10) bestimmt sein soll*, so wird man durch eine Fülle
von Beobachtungen belohnt, von denen hier nur einige Impressionen
wiedergegeben werden können.

J. kommt u.E. zu Recht zu dem Ergebnis ("Epilogue", 505-
516), daß die Chr Geschichtsschreibung ist, die einem religiösen
System und eigenem Prinzip historischer Wahrscheinlichkeit
folgt, so daß die Bezichtigung des Chron. als eines tendenziösen
Fälschers seinem Anliegen nicht gerecht wird (509). Die
Bewertung der Chr könne daher nicht allein von ihrer historischen
Glaubwürdigkeit abhängig gemacht werden. J. möchte
die Glaubwürdigkeitsfrage nicht generell beantworten, sondern
von Fall zu Fall unterschiedliche Antworten zulassen (514f.),
kommt aber letztlich zu einem relativ günstigen Ergebnis (vgl.
5101.). Ein apologetischer Ton schwingt mit, wenn sie die
chron. Praxis des "reworking" beschreibt. Nachdem sie festgestellt
hatte, daß der Chron. das Funktionieren des Prinzips der
göttlichen Vergeltung dadurch sicherte, daß er die überlieferten
Geschichtsereignisse durch die erwarteten Folgen oder vermuteten
Anlässe ergänzte und so der Kausalverbindung nachhalf
(das sog. „Vergeltungsdogma"), urteilt sie: "In all these in-
stances, the Chronicler does not alter the historical facts in Iiis
sources; he merely explains them aecording to Iiis system."
(168)

6 Die Ansicht von J. (6), daß für manche Autoren die Chr "a transitional
stage to Christianity rather tinin Judaism" sei, ist ein merkwürdiges Mißverständnis
der zur Beschreibung chron. Eigenart benutzten Terminologie (z.B.
"religion of the Law").

7 J. (8 Anm. 22) bezieht sich auf W. E. Lemke, The Synoplic Problem in
the Chronicler's History, HThR 58, 1965, 349-363, übrigens mit ungenauer
Titel- u. Seitenangabe.

H Thomas Willi (ThZ 31, 1975, I09f.) bemerkte, daß die Kapiteleinteilung
an die der Dissertation von Jelte Swart (De Theologie van Kronieken.
Groningen 1911) erinnere, und vermißte eine Behandlung der "zentralelnl
Rolle der Propheten in der Chr." (109).