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Ausgabe:

1993

Spalte:

294-297

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Archäologisches Bibellexikon 1993

Rezensent:

Zobel, Konstantin

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293

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 4

294

Insofern bleibt der Gesamtertrag wohl hinter der Erwartung
nicht weniger Leser zurück, auch wenn jeder Beitrag eine solide
Leistung darstellt.

Voran steht der instruktive Vortrag von Gerhard Sellin
(Oldenburg) über "(ioiicserkenntnis und Gotteserfahrung bei
Philo von Alexandrien" (17.40). Schon Philo kennt das Dilemma
, in menschlichen Worten eigentlich Dnsagbares formulieren
zu müssen. Im Anschluß an den Mittelplatonismus weiß er, daß
von Gott nur seine Existenz, nicht sein Wesen, erkannt werden
kann und zwar entweder durch aktive Erkenntnis des Nus (von
unten nach oben) oder - recht eigentlich - durch Gnade und
Inspiration (von oben nach unten). Der nicht inspirierte Nus
wird nämlich de facto zum Inbegriff der hybriden Selbstbehauptung
des Menschen. Der soteriologische Umschlag erfolgt durch
die Himmelsreise des Nus. durch die pneumatische Inspiration
des Frommen oder - am radikalsten - durch die Selbstaufgabe
des Nus in der Ekstase zugunsten es göttlichen Pneuma, so daß
der ..Mensch Gottes" mit dem zwischen Gott und Welt vermittelnden
Logos verschmilzt. Israel verkörpert diesen Typos des
höchsten Frommen. Hier liegen Sprachhilfen für die urchristliche
Theologie und Christologie bereit.

Michael Theobald (Tübingen) äußert sich ausführlich zu
„Gott, Logos und Pneuma" im Johannesevangelium (41-87). Er
liest das vierte Evangelium als Zeugnis der Auseinandersetzung
um das biblisch-jüdische Bekenntnis zum einzigen Gott zwischen
Synagoge und Kirche. Im Hintergrund sieht er den jüdischen
Vorwurf des „Ditheismus" (vgl. Jo 5,18; 10,33; 1,1.18;
20.28). der wesentlich zur Ablösung der christlichen Gemeinde
von der Synagoge beigetragen hat. Ziel des ursprünglichen
Evangelienbuches war es, diese Ablösung in theologisch re-
flektierter Weise verstehbar zu machen, d.h. vor allem, auf den
Vorwurf des „Ditheismus" eine differenzierte Antwort zu geben
. Historisch setzt Th. voraus, daß die nach 70 n. Chr. entstehende
rabbinische Orthodoxie mit ihrer Neutralisierung aller
himmlischen Mittlergestalten unmöglich eine Christologie tole-
rieren konnte, die Jesus die Funktion des eschatologischen Lebensspenders
und die Würde des himmlischen Menschensohnes
/uschrieb. Die joh.Gemeinde ihrerseits hatte gerade an den
durch ältere Traditionen von Mittlergestalten modifizierten
jüdischen Monotheismus angeknüpft und - darüber hinausgehend
den Erhöhten in die liturgische Verehrung und Anbetung
des einzigen Gottes einbezogen (Jo 5,23). Auf den Vorwurf
des ..Ditheismus" reagiert sie nun mit dem Ausbau der
Gesandtenchristologie, d.h. mit einem „subordinatianischen"
Modell, das an der Einzigartigkeit Gottes betont festhält. Selbst
die sog. „trinitarischen" Texte (1,29-34; 7,37-39) und der
„binitarisch" ausgelegte Prolog wahren diese Theozentrik.

Karl Löning (Münster) beschäftigt sich mit dem „Gottesbild
der Apostelgeschichte im Spannungsfeld von Frühjudentum
und Fremdreligionen" (88,117). Er entwickelt die lukanische
Theologie aus einem einheitlichen apokalyptiseh-weisheitli-
Chen Ansatz, in dessen Rahmen Judentum (Pfingstpredigt) wie
Heidentum (Areopagrede) „Unkenntnis" als soteriologisches
Kriterium charakterisiert. Von „Gott " sprechen nur die Reden,
nicht der Erzähler. Ironische Züge in der Darstellung zielen
pragmatisch auf das Einverständnis zwischen Autor und christlichen
Lesern. Ihnen will Lukas versichern, daß ihr Glaube auch
dem Anspruch der Vernünftigkeil standhält.

Max Küchler (Freiburg/Schweiz) berichtet aus der Arbeit an
ältesten Weisheitstexten;Ijob 28 und Spr8(l 18-143). Die LXX-
Fassungen beider Texte sind kürzer als die masoretischen Texte
und repräsentieren eine ältere Textgestalt aus der Zeit um
'00 v. Chr. Das weisheitliche Gottesbild dieser Zeit trägt charakteristische
Züge: Radikalisierung der Schöpfermacht, ohne
mythologische Elemente. Gott als ausschließlicher Besitzer der
Weishe it. die nur einem auserwählten Kreis, den Weisen Isra-
e«, sichtbar und hörbar zuteil wird.

Joachim Gnilka (München) berichtet aus der Arbeit „Zum
Gottesgedanken in der Jesusüberlieferung" (144-162). Unter
bewußtem Verzicht auf die Rekonstruktion des Gottesgedankens
Jesu wird zuerst nach der Be/grifflichkcit (Gott, Herr,
Vater u.a.) und danach nach der je besonderen Ausprägung des
Gottesgedankens in den drei synoptischen Evangelien gefragt.
Die Rückfrage nach dem Befund in Q erfolgt leider nicht. Charakteristisch
für Markus ist die Verteidigung des Monotheismus
(12, 29f) und das Verständnis der Predigt Jesu von der
Gottesherrschaft als Ausdruck der eingetretenen Zeitenwende
(l,14f), für Matthäus die häufige Rede vom himmlischen Vater
und das Verständnis der Basileia als heilsgeschichtliche Größe,
für Lukas die Favorisierung des Gotteslobes und die Ersetzung
der Gottesherrschaft durch den Geist des Herrn.

Rudolf Hoppe (Bamberg) berichtet aus der Arbeit an der
„Theo-logic in den Deuteropaulinen" (163-185). Das Ergebnis
zu Kol 1,12-20 und 2,14f lautet: „Theo-logie" steht im Dienst
einer pragmatisch verstandenen Christologie. Eph 1 Ubernimmt
die theologischen Aussagen der Kol-Vorlage, greift in die Vorzeitlichkeit
des Heilsplans aus und „ekklesialisiert" die kosmische
Perspektive stärker.

Peter Hofrichter (Salzburg) berichtet aus der Arbeit an
„Logosichre und Gottesbild bei Apologeten, Modalisten und
Gnostikcrn" (186-217). Entfaltet wird das Thema an der Rezeption
der johanneischen Christologie. Sie zeigt, wie deutlich
im 2. Jh. die Spannug zwischen der „dilheistisch" mißverstehbaren
Logoschristologie des Prologs und der auf die Einheit
von Vater und Sohn dringenden Christologie und der Jesusreden
empfunden worden ist.

Mit einigem Befremden stellt der Rez. fest, daß die einschlägigen
Artikel zu „Gott" in der TRE (Bd. 17) keine Berücksichtigung
gefunden haben.

Greifswalcl Günter Haufe

Negev, Avraham |Hg.|: Archäologisches Bibellexikon. Aus

dem Engl, von I. Elgert, R. Rosenthal-Heginbottom, H.
Sommerfeld, W. Zwickel. Bearb. d. deutschen Ausgabe: R.
Rosenthal. W. Zwickel. Neuhausen: Hänssler 1991. 520 S.
m. 268 Abb., 58 Farbtaf., 3 Ktn 4o.

Das zu rezensierende Werk, das 1972 erstmals in deutscher
Sprache als "Archäologisches Lexikon zur Bibel" erschien
(München, hg. v. A. Negev, übers, u. bearb. v. .1. Rehork), liegt
jetzt in einer völlig neuen Bearbeitung vor. die sich weitgehend
an der ebenfalls von Negev herausgegebenen Neuauflage der
"Archaeological Encyclopedia of the Holy Land" (Jerusalem
1986) orientiert. Der Hg. (*1923) ist Professor für klassische
Archäologie an der Hebräischen Universität Jerusalem.
Am englischen Original arbeiteten 31 klassische und biblische
Archäologen, Semitisten, Altorientalislen, Kunstgeschichtler.
Historiker und Museologen mit.

Die Bearbeitung der deutschen Ausgabe übernahmen die
Archäologin Dr. Renale Rosenthal-Heginbottom und der Altte-
stamentler und Archäologe Dr. Wolfgang Zwickel, die, neben
anderen, auch als Übersetzer tätig wurden. Beiden ist der Beginn
der ersten Grabungen in Palästina vor gut 100 Jahren ein
willkommener Anlaß, eine Neuausgabe auf den Buchmarkt zu
bringen. 1890 grub der Ägyptologe Sir W. M. Flinders Petrie
den Ruinenhügel Tell-el-Wäs/ aus und nicht 1891, wie auf S. 7
behauptet wird; dagegen richtig S. 176. Sie überarbeiteten das
Lexikon, beseitigten offensichtliche Fehler (leider nicht alle)
und ergänzten ggf. den aktuellen Forschungsstand. Einige Beiträge
wurden von den Bearbeitern völlig neu geschrieben (7).
Allerdings wird nicht deutlich, um welche Artikel es sich dabei
handelt, und manche stilistische Eigenheit ist dennoch ge-