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Ausgabe:

1993

Spalte:

238

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Athenagoras Atheniensis, Supplique au sujet des chrétiens et Sur la résurrection des morts 1993

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 3

238

schichtliche Perspektive zielt auf den lateinischen Westen und
den „faktischen Vorrang Roms" (267); d.h. die Darstellung will
dem modernen Leser Ursprung und Anfange der gegenwärtigen
(katholischen) Kirche nahebringen und zugleich zeigen, welche
altkirchlichen Elemente in ihr heute noch lebendig sind. Es geht
ihr weniger um die Frage nach dem Selbstverständnis dieser Alten
Kirche in ihrem spannungsvollen Wachsen und Werden,
ihrem Ringen um eine eigene Identität zwischen Judentum und
Heidentum, ihren theologischen und kirchlichen Konflikten um
Orthodoxie und Häresie, um Einheit und die Grenzen der Vielfalt
, auch wenn die damit verbundenen Probleme nicht einfach
ausgeklammert werden (vgl. Kap. VI: „Innere Gefährdungen",
123-150, und VII: „Theologische Klärungen", 151-214). Der
Ketzertaufstreit wird z.B. nur an zwei Stellen beiläufig und ohne
jede Erläuterung erwähnt (179 und 267).

Die Gliederung folgt zwar dem geschichtlichen Verlauf, aber
nur die ersten drei Teile („Anfänge", „Heidenmission" und „Lösung
der Kirche von der Synagoge", 15-70) bauen chronologisch
aufeinander auf. Die weiteren Abschnitte: „Religiöse Umwelt
"; „Außere Widerstände"; „Innere Gefährdungen"; „Theologische
Klärungen"; „Gottesdienst und Leben" und zuletzt:
„Mission und Ausbreitung" sind eher historische Längsschnitte,
die jeweils die Entwicklung einzelner Aspekte von den Anfängen
bis zum Beginn des 4. Jh.s nachzeichnen und erst in der Zusammenschau
ein eindrucksvolles Bild von der frühen Kirche
vermitteln.

Es ist hier nicht möglich, auf diese Aspekte im einzelnen näher
einzugehen. Es seien lediglich einige von ihnen etwas genauer
betrachtet. Besonders gelungen ist in meinen Augen der
Abschnitt „Religiöse Umwelt", der nicht nur Kaiserkult und
Mysterienkulte in ihrer Bedeutung für die Spätantike anschaulich
beschreibt, sondern auch die Bedeutung des Hauskultes für
die Familie und die religiöse Verankerung der Philosophie herausstellt
. Nur im Schlußabschnitt „Philosophie und Offenbarung
im Widerstreit" (93f.) hätte vielleicht doch noch der Beitrag des
Origenes im Vorfeld des Neuplatonismus erwähnt werden sollen
. - Daß sich der Leser ein zusammenhängendes Bild vom
Wirken einzelner Persönlichkeiten selbst zusammensuchen
muß, hängt mit der Art der Darstellung zusammen. Immerhin
erleichtert ihm ein Namensregister (277-284) das Auffinden der
Querverbindungen.

Zu den theologischen Klärungen, die im Hinblick auf Lehre
und Bekenntnis etwas knapp ausgefallen sind, gehören in diesem
Buch auch die Entstehung und Entwicklung der kirchlichen
Ämter (161- 175) sowie das Problemfeld Taufe, Buße, Sündenvergebung
(197-214). Beides wird recht ausführlich behandelt
ebenso wie Gottesdienst und christliches Leben (215-250).
Interessant ist die Einordnung Markions (187ff.) in den Zusammenhang
von „Schrift und Tradition" (181-197) und nicht in
den der Gnosis (135-145). Ob allerdings Markions Herausforderung
hinreichend deutlich geworden ist, die darin bestand, das
Christentum von seinen jüdischen Wurzeln zu trennen, weiß ich
nicht. Vielleicht liegt das daran, daß die enge Vverbindung zwischen
dem hellenistischen Judentum mit seiner Septuagin-
tafrömmigkeit und dem frühen Christentum (z.B. lebt Philo von
Aleandrien bekanntlich nur in christlicher Tradition fort), lediglich
angedeutet wird. Immerhin betont D. mit Recht immer wieder
die jüdischen Wurzeln des Christentums. - Solche Fragen
und Anmerkungen sollen keineswegs die Leistung dieses Buches
schmälern, zumal vieles darin auf eigenen Forschungen
des Vf.s beruht. Sie sind vielmehr durch das Buch selbst angeregt
, das sich auch selbst nicht scheut, Wertungen und Urteile
zu formulieren.

Druckfehler finden sich in dem sorgältig gestalteten Werk kaum. Erwähnt
seien hier nur solche, die nicht gleich als solche zu erkennen sind: S.
15 (Literatur): Das Buch von H. Paulsen ist bisher nicht erschienen; stattdessen
wäre vielleicht hinzuweisen auf: M. Jacobs, Das Christentum in der

antiken Welt = Zugänge zur Kirchengeschichte 2 (Göttingen 1987). - S.89
Z. 13f v.u. muß heißen Gal j,28. - S.I23 (Literatur): Statt „Lutz" ist zu lesen
„Luz". - S.I5I (Literatur): Statt „Bienert" ist zu lesen „Be/nert". - S. 235 Z.2
v.o. muß heißen Mt 19./2. - S. 272 Anm. 177: Der Hg. heißt „Dörrics".

Marburg Wolfgang A. Bienert

Athenagore: Supplique au sujet des chretiens et sur la resur-
rection des morts. Introduction, Texte et Traduction par B.
Pouderon. Paris: Cerf 1992. 360 S. 80 = Sources Chretiennes,
379. fFr 276.-. ISBN 204-04447-4.

Über die Bände 364-373 der Reihe Sources Chretiennes hatte
ThLZ117 (1992) im Zusammenhang informiert (412-417).
Band 379 nimmt einen der ältesten christlichen Schriftsteller
auf, dessen Werke in der Clavis Patrum Graecorum (I, 1983) als
Nr. 1070 und 1071 verzeichnet wurden. Athenagoras aus Athen
schrieb sein Bittgesuch für die Christen um 177 an die Kaiser
Marc Aurel und Commodus, um Vorwürfe gegen die Christen
zu entkräften (70-209). Kurz danach vollendete er seine Arbeit
über die Auferstehung der Toten (214- 317). Euseb und Hieronymus
erwähnen Athenagoras nicht, dafür zitiert ihn Methodius
von Olymp (10). In der weithin verlorenen Kirchengeschichte
des Philipp von Side wird Athenagoras genannt als
Lehrer an der Schule von Alexandrien zur Zeit Hadrians (11).
Seine beiden Schriften liegen in zahlreichen Manuskripten vor
(35-48). Die ersten Drucke der lateinischen Übersetzungen erschienen
1498 in Venedig (ed. Valla) und in Paris (ed. Ficino).
Der griechische Text wurde 1541 von P. Nannius erstmals zum
Druck geführt (49). Einen wichtigen Fortschritt brachte die Edition
von J. K. Theodor Otto (Jena 1857). Nach speziellen Arbeiten
von Harnack und Gebhardt erschien 1891 die Edition von
Eduard Schwartz, 1907 die von J. Geffcken, 1914 die von E. J.
Goodspeed (53f.). Die neue Textausgabe stützt sich primär auf
das älteste Manuskript und berücksichtigt die Ergebnisse der
bisherigen Editoren (55). Den Texten folgen noch 7 Anhänge,
u.a. um den Heroenkult (319-324), Orpheus bei den Apologeten
(325-327) sowie die Schriftzitate und ihre Quellen (341-343).
Der Index der Zitate bietet mehr profane als biblische Zitate, der
Index der Eigennamen verstärkt noch diesen Eindruck (345-
358).

G. H.

Kirchengeschichte: Neuzeit

Besier, Gerhard, u. Stephan Wolf /Hg./: „Pfarrer, Christen
und Katholiken". Das Ministerium für Staatssicherheit der
ehemaligen DDR und die Kirchen. 2., durchges. und um weitere
Dokumente vermehrte Aufl. Neukirchen: Neukirchener
Verlag 1992. XVI, 959 S. gr.8« = Historisch-Theologische
Studien zum 19. u. 20. Jh., L.

Die 1. Aufl. dieses Werks wurde vom Rez. in ThLZ117,
(1992) 9, 641-650 ausführlich besprochen. In der neuen Ausgabe
ist das Buch im wesentlichen dasselbe geblieben. Die Vff.
fühlen sich durch die vielen kritischen Stimmen aus dem Raum
der Kirche nur bestätigt. Die neu hinzugekommenen Stücke
(v.a. Teil V „Anhang: Ergänzende Dokumente zu den Jahren
1980-1989", S. 734 bis 810) sollen ebenso wie zahlreiche Berichtigungen
und Änderungen (vornehmlich in der „Einleitung
") die schon in der 1. Aufl. vorgetragene Sicht der Dinge
verteidigen und untermauern. Diese Anzeige beschränkt sich
daher auf drei Punkte: 1. sollen die Änderungen der 2. Aufl.