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Ausgabe:

1993

Spalte:

233-235

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Taylor, Nicholas

Titel/Untertitel:

Paul, Antioch and Jerusalem 1993

Rezensent:

Becker, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 3

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- m.E. vor allen anderen ntl. Autoren - als unmittelbarer Paulusschüler
, nicht nur weil er (10,38) wie Paulus (Gal 3,11, Rom
1,17) auf Hab 2,4 zürückgreift. Freilich darf man weder bei ihm
noch bei seinem Lehrer einen Glaubensbegriff voraussetzen, der
den Ton auf die Haltung des Menschen legt (vgl. 43f. 71. 127).
Die jrioTig ist eine von Gott gestiftete Wirklichkeit, die ewigen
Hall repräsentiert und gibt. Sie besteht, nicht weil Jesus Glauben
vorgelebt (160), sondern weil er der Gottes Sohn ist, Gott
nicht abgesagt (Hebr4,15) und „durch sein eigen Blut eine ewige
Erlösung erfunden hat" (9,12). Dadurch wurde er «QX^yö?
tfjg jüotecoc; (7,22; 12,2; 2,10; vgl. Gal 4,4) oder in gleichem
Sinne xoetreovoe; /xaivf)?/ öiccÖT|xr|c; u,ecrtt]c, (7,22, 8,6, 9,15,
12,24), sowie Bringer der Gottesruhe (4,10f), da „zum Glauben
gekommen sein in die xaxänavoig eingehen bedeutet" (45).
Wird die motte; zeitlich-heilsgeschichtlich erfaßt, dann ist sie in
der Zeit des AT Zukunft (Hebr 11,13, Gal 3,23.25). Doch vermag
sie die Frommen des Alten Bundes(7,12,12,2) rückgreifend
zu bezeugen (eu,aQTDQT]^oav, 11,2.39; anders hier Str.
149). Entsprechend räumlicher Betrachtungsweise, was nicht
unbedingt hellenistisch-philosophischen Einfluß verrät, versteht
Hebr den Glauben als eine Hypostase (I 1,1a), d.i. als einen von
Gott geschaffenen Grund, der, unsichtbar, eine erschaubare
Wirklichkeit ist (Hebr 11,1a, vgl. 2Kor 4,18), ein Standort, eine
Basis (IKor 16,13). Aktualisiert wird er nach Paulus durch den
Geist (Phil 1,19), nach Hebr hauptsächlich durch das Wort
(2,3f, 4,2.120- Das mag wohl einen relativen Unterschied zwischen
Lehrer und Schüler markieren (Str. 49f)- In dem „Hause"
des Glaubens (Hebr 3,6, vgl. Gal 6,10) finden die darin Versammelten
Geborgenheit und werden eingeladen dabeizubleiben
(Hebr 10,25), also vnoiovr) zu üben, auch wenn von außen ein
Kampf des Leidens droht (10,32.36, 12,10, bis der Vollender
des Glaubens (12,2) kommt, dessen Wiederkunft der Hebr allerdings
nicht ausdrücklich erwähnt (169). - Die Gemeinde, welcher
der aus Italien schreibende Autor (12,24) seinen Zuspruch
sendet, lokalisiert Str. im griechisch-kleinasiatischen Raum und
nennt mit Vorbehalt (13) Ephesus oder Korinth. Ihr droht die
Gefahr des Weichens (10,39), des Müdewerdens (5,11-13) und
damit des Versäumens des gegenwärtigen (!) Heils. Entsprechend
den Ausführungen von Kap. 3 und 6 legt sich m.E. nahe,
dabei an einen Rückfall in den Alten Bund zu denken (vgl. bes.
auch das Üoteqeiv, 12,15!), was nicht unbedingt judenchristli-
chc Leser voraussetzt (Str. 142). Wahrscheinlich meint auch das
für den Vf. unvorstellbare Wiederaufnehmen einer Grundbelehrung
(6,1-3) und die Ablehnung der zweiten Buße (6,4-6, 10,26-
31, 12,160 sowie den Hinweis auf die Möglichkeit einer neuerlichen
Kreuzigung des Herrn (6,6) die Unmöglichkeit eines
Veisetztwerdens aus dem besseren, erfüllteren „Heute" (3,7) in
die unvollkommene heilsgeschichtliche Vergangenheit.

Es wäre der Wunsch des Rez., daß seine z.T. kritischen Bemerkungen
als Erweis dafür gewertet werden, daß er dieses
Buch, das durch verschiedene Register, besonders auch durch
Begriffserläuterungen bereichert wurde, mit viel Gewinn durchgearbeitet
hat und für die aus ihm erhaltenen Anregungen dankbar
ist.

Hermannstadt Hermann Binder

Taylor, Nicholas: Paul, Antioch and Jerusalem. A Study in
Relationships and Authority in Earliest Christianity. Sheffield
: JSOT Press 1992. 271 S. 8» = Journal Cor the Study of
the New Testament, Suppl.Series 66. Lw. £ 32.50. ISBN 1-
85075-331-8.

T. ist in seiner Dissertation mit dem weitaus größten Teil der
Paulusforschung seit F. Chr. Baur gar nicht zufrieden (13-25;
222). Ausgenommen sind natürlich sein immer wieder zitierter

Lehrer J. D. G. Dunn, auch B. Holmberg und noch ein paar
Auserwählte. Wenn es wirklich so schlimm um die Paulusinter-
pretation stünde, müßte man dies notgedrungen akzeptieren,
aber die dunkle Folie, von der sich das Licht dieser Dissertation
abheben will, entsteht so, daß pauschal das Unheil des schier
unausrottbaren und breiten Nachwirkens der Tübinger Schule,
oft in Verbindung mit lutherischer Theologie, konstatiert wird
(z.B. 15, 27 u.ö.), und z.B. Literatur zu drei entscheidenden
Brennpunkten der Arbeit von T., nämlich zum Thema der Entwicklung
des Paulus, zur Differenziertheit der frühen nachösterlichen
Geschichte des Christentums und speziell zur frühen Geschichte
Antiochias nur sehr begrenzt beachtet wird.

Nun soll man hier einem Erstlingswerk einiges nachsehen.
Also sei gefragt, was T. an eigenen Thesen vertritt. Sie sind aus
der übersichtlichen Gliederung und der durchsichtigen Gedan-
kenführung gut erkennbar und kreisen um drei Schwerpunkte:
die Bekehrung des Paulus und seine erste christliche Selbstfin-
dung (Teil 1: 61-85), die Geschichte Antiochias z.Z. von Barnabas
und Paulus (Teil 2: 87-144) und die selbständige Mission
des Paulus (Teil 3: 145-226). Programmatisch betont T„ daß er
dabei neben der historisch-kritischen Methode vor allem sozialwissenschaftliche
Kategorien benutzen will (25ff.).

Die paulinische Wende stellt sich T. als Bekehrung mit privatem
Rang vor, nicht aber als apostolische Berufung und missionarische
Beauftragung, wie es alle Paulustexte (bis auf Phil 3)
deutlich vertreten. Erst durch die geistgeleitete Sendung nach
Apg 13,2f. wird Paulus zum antiochenischen Gemeindeapostel.
Dabei wird die Vision aus 2Kor 12,2-4 als persönliche Seite dieser
apostolischen Delegation durch die Antiochener verstanden.
Nach dem Ausscheiden aus Antiochia erst versteht sich Paulus
als gemeindeunabhängiger Missionar. Darum reinterpretiert er
seine Wende und macht daraus eine göttliche Berufung zum
Apostel der Völker. Dies wird vor allem mit Hilfe des Gal begründet
, für dessen Frühdatierung sich T. stark macht (155ff.).

Dieser Dreitakt ist nun allerdings eine Konstruktion mit deutlichen
Schwächen: Natürlich wird man Paulus und sein Verhältnis
zu den Gemeinden cntwieklungsgeschichtlich sehen müssen
: Mit seinem Damaskuserlebnis stehen nicht einfach seine
Theologie des Rom und sein neues Selbstverständnis fertig da.
Aber nur weil T. es ganz versäumt, die Situation des frühen
Christentums (Hellenisten, Gemeinde in Damaskus) konkret zu
klären und Paulus da hineinzuzeichnen, nur weil er die paulini-
schen Texte zur Berufung, ohne Gründe in ihnen selbst zu benennen
, für anachronistisch hält, gelingt es ihm, die Wende des
Paulus so zu entleeren. Weiter sprechen gegen eine Kombination
von Apg 13,2f. und 2Kor 12,2-4 beide Texte: Sie haben einlach
nichts miteinander gemeinsam. Die Frühdatierung des Gal
ist eine vor allem angelsächsische Mode, gegen die sehr viel
spricht. Doch selbst wenn man sie einmal benutzt, und die gottunmittelbare
apostolische Autorität in Gal 1 eine Folge der Polemik
gegenüber den Gegnern im Gal sein läßt, kann man bei
1 Kor 15,1-11 in Verbindung mit 1 Kor 9,1 f. so nicht verfahren.

Noch eines stört an den Erörterungen von T. grundsätzlich: T.
kann sich immer nur Motive oder Satzteile aus den Quellen herauspicken
, um dann unmittelbar ihre historische Relevanz zu erörtern
. Er kann nicht Abschnitte erst einmal als ganzes (Gattung
, Aussageabsicht, Funktion im ganzen usw.) zur Kenntnis
nehmen, nicht zwischen Textebene und traditionsgeschichtlichem
Hintergrund, zwischen Typik und Individualität unterscheiden
; er trennt nicht zwischen der eigenständigen literarischen
und der historischen Welt. Dieser methodische Mangel
erleichtert es T. dann immer wieder, für einen isolierten Satzsplitter
einen historischen Kontext neu zu schneidern, also ihn
mit Motiven, Begründungen der handelnden Personen und Zielen
zu vernetzen, die auf der Textebene keinen Anhalt haben.

Besonderen Wert legt T. darauf, daß die paulinische Selbst-
findung nicht ohne Einbindung in die Gemeinden von Antiochia