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Ausgabe:

1993

Spalte:

219-220

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

O'Brien, Mark A.

Titel/Untertitel:

The deuteronomistic history hypothesis: a reassessment 1993

Rezensent:

Lohfink, Norbert

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Seite 1

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219

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 3

220

alleged rhetorical structure, and a historical setting postulated
about which our knowledge is in fact very slight. To find ch.l 1,
for example, set in the context of the Syro-Ephraimite conflict
will come as a considerable surprise to many scholars. Again, no
allowance is made for the kind of development of the material
postulated by Vermeylen, while Kaiser's proposed setting of
much of these chapters in the Persian or Hellenistic age is dis-
missed out of hand. The danger is, therefore, that Gitay's book
will find a readership mainly among those who wish to rebut
attacks on the Isaianic authorship of the whole, while his consi-
deration of rhetorical devices passes relatively unnoticed.

It is regrettable that several very serious errors have not been
corrected: the king whose death is referred to at 6.1 is said to be
Ahaz (117), and the leadership of the revolt of the northern
kingdom is attributed to Rehoboam rather than Jeroboam (257).
Wrong references in the headings to the fifth and tenth addres-
ses are also very disconcerting. In short, then, a book with va-
luable insights, but one whose implicit Claims that other approa-
ches (historical- and form-criticism, for example) are to be aban-
doned must be culled into question.

London R. J. Coggins

O'Brien, Mark A.: The Deuteronomistic History Hypothesis:

A Reassessment. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1989. XIV, 319 S. gr.80 =
Orbis Biblicus et Orientalis, 92. geb. sFr 86.-. ISBN 3-7278-
0647-8.

Noths Theorie von einem exilischen, auf einen selbständigen
und kreativen Schriftsteller zurückgehenden Geschichtswerk,
das von Dtn 1 bis 2Kön 25 reichte (Dtr), ist, nach einigen Jahrzehnten
fast nur staunenden Schweigens, in verschiedenen
Schulen und praktisch ohne gegenseitigen Kontakt auf recht
verschiedene Weise weiterentwickelt worden. Am wichtigsten
waren die Cross-Schule, die zurückging zu Kuenen und Wellhausen
und mit einer ersten Redaktion der Königsbücher schon
zur Zeit Joschijas rechnete, und die Smend-Schule, die das eine
Werk des einen Nothschen Verfassers in mehrere exilische Redaktionsschichten
zerlegte. Einen ersten Versuch, die beiden
Hypothesenwelten zu vergleichen und miteinander zu versöhnen
, hatte A. D. H. Mayes 1983 veröffentlicht („The Story of
Israel between Settlement and Exile"). Dies wurde dann abermals
, und mit kritischerem Zugriff, in zwei parallel und unabhängig
voneinander entstandenen Dissertationen unternommen:
der von I. W. Provan in Cambridge ("Hezekiah and the Books
of Kings", 1988 = BZAW 172) und der hier zu besprechenden
in Melbourne. In der Überarb. Druckausgabe setzt O'B. sich
auch schon mit Provan auseinander, doch das geht auf seine
Überarbeitung der Dissertation für den Druck zurück. O'B.
legt, im Unterschied zu der eingegrenzteren Untersuchung Pro-
vans, seiner Untersuchung alle Bücher von Dtn bis 2Kön zugrunde
. Er setzt dabei die These seines Doktorvaters, A. F.
Campbell, über eine in den Samuels- und Königsbüchern verarbeitete
umfangreiche „prophetische Geschichte" aus dem 9. Jh.
voraus und verlängert sie gewissermaßen in den deuteronomi-
stischen Bereich hinein ("Of Prophets and Kings", 1986 =
CBQMS 17). Insofern bringt er auch noch die vor allem in
Amerika geführte Diskussion über die im deuteronomistischen
Geschichtswerk übernommenen Materialien in die Diskussion
ein. Noth hatte zwar mit Quellen, aber nicht mit schon so umfassenden
gerechnet.

O'B. hat seine Arbeit von der Disposition her nicht eigentlich
kritisch oder polemisch angelegt. Die Auseinandersetzung
geschieht unterwegs. Im Buchautbau führt er in einem I. Teil in
seine eigene neue Hypothese ein (1-44), in einem II., längeren

Teil begründet er diese (45-292). Es folgt noch eine Bibliographie
der zitierten Arbeiten (293-310) und ein Bibelstellenindex
in Auswahl (311-319).

Im I. Teil verbindet O'B. zunächst geschickt einen knappen
Überblick über die Forschungsgeschichte seit Noth mit der kritischen
Beurteilung der wichtigsten Positionen. Besonders gut
scheint mir zu sein, was er zu W. Dietrich (8f), H. D. Hoffmann
(15f) und B. Peckham (17-20) schreibt. Am Ende steht natürlich
die Forderung nach einem Neuentwurf, den er sofort in
einem knappen Aufriß des von ihm angenommenen joschijani-
schen Geschichtswerks vorstellt (24-44). Aus dem Aufriß geht
schon hervor, daß er im Grundansatz auf die Seite von Cross
tritt (wie im übrigen auch Mayes, Peckham, Provan und andere,
die sich mit beiden Schulen auseinandergesetzt haben). Daß er
dennoch erstaunlich viel Anregungen von Smend aufnehmen
wird, zeigt erst der II. Teil.

Hier geht er analytisch den Text der Bücher Dtn - 2Kön entlang
, um seine Abgrenzung der deuteronomistischen Grundschrift
und ihr inneres Funktionieren zu begründen (47-271).
Natürlich wird er vor allem bei Schlüsseltexten und umstrittenen
Stellen breit. So führt er etwa sofort am Anfang eine gründliche
Diskussion mit den Thesen Mittmanns zu Dtn 1-3 (49-56). In
einem abschließenden Kapitel faßt er die nebenbei angefallenen
Vermutungen über drei spätere Hauptbearbeitungen des joschija-
nischen Werks und noch spätere Zusätze zusammen (272-287).
In seiner ersten, nun im Exil anzusetzenden Hauptbearbeitung erkennt
man - selbstverständlich mit einigen Varianten - un-schwer
die noch fehlenden Textbestände des Göttinger „DtrH" wieder,
und in den beiden anderen, ebenfalls exilischen Hauptbearbeitungen
- wieder mit zum Teil bemerkenswerten Varianten - die
Göttinger Redaktionen „DtrP" und „DtrN". Bei der (leider auch
bei ihm gegen den üblichen Sinn des Wortes so genannten) „no-
mistischen" Redaktion legt O'B. Wert darauf, daß es sich nicht
um einen einzelnen Bearbeiter, sondern um kontinuierliche Auslegungsarbeit
vieler handelt. Aber auch die Göttinger Schule tendiert
ja in diese Richtung. Obwohl oft neue Beobachtungen vorgelegt
werden und die Argumentation meist recht eigenstiindii!
ist, kann man im ganzen fast den Eindruck gewinnen, hier würden
die Konzepte der beiden Schulen einfach addiert.

Ich glaube in der Tat, daß so etwas wie die Addition der
jeweils entscheidenden Ausgangsintuitionen von Cross und
Smend berechtigt ist. Sowohl die Ansetzung der ältesten deuteronomistischen
Geschichtsschreibung in der Zeit Joschijas und
dann ein zweiter Bearbeitungsschub im Exil sind vom Text
gefordert als auch zumindest die Ausgrenzung einer spätexili-
schen „nomistischen" Textbearbeitung, die Smend in den Büchern
Jos und Ri vorgenommen hatte. Vgl. - auf die Probleme
des Dtn eingegrenzt - meinen Aufsatz „Kerygmata des Deuteronomistischen
Geschichtswerks" (jetzt in meinen „Studien zum
Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur II", 125-
142). Insofern habe ich keine Einwürfe gegen die „additive"
Technik von O'B. Doch frage ich mich, ob die kritische Neuanalyse
nicht oft noch ein ganzes Stück weiter getrieben werden
müßte. Dann könnte sich auch der Eindruck eher äußerlicher
Theorienaddition auflösen.

Im übrigen müßte eine kritische Auseinandersetzung mit diesem
Buch ganz und gar ins Detail gehen - und das ist hier nicht
möglich. Seine forschungsgeschichtliche Bedeutung wird vor
allem darin liegen, daß es für die rivalisierenden Schulen von
nun an nicht mehr möglich ist, sich gegenseitig zu ignorieren
und stets nur innerhalb der eigenen Evidenzgemeinschaft zu
bleiben. Da die umfassenderen Versuche zur Überwindung der
Gegensätze bisher allein aus dem englischsprachigen Raum
kommen, warten wir natürlich mit Spannung auf eine erste Göttinger
Monographie, die ein breiter angelegtes Gespräch wagt.

Frankl'url/M. Norbert Lohl'ink