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1993

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Religionswissenschaft

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213

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 3

214

Pfleiderer, Georg: Theologie als Wirklichkeitswissenschaft.

Studien zum Religionsbegriff bei Georg Wobbermin, Rudolf
Otto, Heinrich Scholz und Max Scheler. Tübingen: Mohr
1992. VII, 265 S. gr.8° = Beiträge zur historischen Theologie
, 82. Lw. DM 158,-. ISBN 3-16-145891-5.

In seiner im WS 1990/91 an der Münchner Evangelisch-theologischen
Fakultät angenommenen Dissertation setzt sich Georg
Pfleiderer ein zweifaches Ziel. Mittels eines ebenso „immanentsystematischen
Verfahrens" (238) wie „eines vergleichenden
Querschnitts" (11) sollen einmal die „zwischen ca. 1913 und
1922 entstehenden Entwürfe (...) einer .phänomenologischen'
Religionsphilosophie" (243) von G. Wobbermin, R. Otto, H.
Scholz und M. Scheler behandelt werden. Diese Entwürfe, die
im Zusammenhang einer um die Jahrhundertwende beobachtbaren
„Schleiermacher-Renaissance" zu sehen seien, versuchen,
auf das aus der empirisch-religionswissenschaftlichen Forschung
resultierende Problem der „Pluralität der positiven Religionen
" (20) durch eine Neubestimmung der religionsphilosophischen
Theoriebildung zu reagieren. Die Funktion der Religion
soll nicht innerhalb einer Theorie vernünftig-sittlicher bzw.
Irans/.endental-intelligibler Subjektivität verortet, sondern von
einer Theorie der religiösen Erfahrung bzw. des religiösen Erlebens
wahrgenommen werden, die von den „Selbstaussagen" des
als singulär-empirische (bzw. „konkrete") Subjektivität gegebenen
religiösen Bewußtseins ausgehen will. Diese Entwürfe reflektieren
zugleich das um den Ersten Weltkrieg virulente Krisenbewußtsein
, von dem zeitgleich auch die Anfänge des von
der „dialektischen" Theologie inszenierten Epochenbruchs bestimmt
sind. Daher will der Vf. ein andermal zeigen, daß die
phänomenologisch geleiteten Religionsphilosophien, die gerade
in der Zeit der Weimarer Republik ihre Konjunktur haben, zunächst
als mögliche Alternative zu dem von der „dialektischen"
Theologie propagierten und schließlich vollzogenen „Ausstieg
der Theologie aus der Religionsphilosophie" (12) in Erscheinung
treten. Diese Religionsphilosophien konnten sich allerdings
wegen ihrer inneren Aporctik nicht als wirkliche Alternative
gegenüber der auf binnentheologische Konzentration setzenden
Bardischen Theologie durchsetzen. Gleichwohl will der
Vf. ihnen eine „Scharnierfunktion" (243) zuerkennen, wodurch
sich die bisher übliche Sicht der Geschichte des theologischen
Neueinsatzes modifizieren lasse: „Die exklusiv theologische
Wahrnehmung der religiösen Thematik" (243) sei auch als
Radikalisierung eines solchen „Krisenmanagement(s)" zu verstehen
, das nicht den „Ausstieg", vielmehr den „Einstieg der
Theologie in die Religionsphilosophie" (16) hatte vollziehen
wollen.

Seine zunächst in den „Prolegomena" (1-23) skizzierte Intention
, die phänomenologisch orientierte Religionsphilosophie als
..Ausdrucksphänomen der religiösen Erfahrung" (233) empi-
lisch-singulärer Subjekte zu deuten, führt der Vf. auf zweifache
Weise durch. Im Teil A (24-73) läßt er seine „Skizzen der religionsphilosophischen
Entwürfe von W. Bender, H. Siebeck. W.
E. Rauwenhoff. W. Windelband, P. Natorp, A. E. Biedermann
und R. A. Lipsius" auf eine „gemeinsame Problemlage" (41)
zulaufen (24-42), die dann von E. Troeltsch (42-73) so ver-
grundsät/.licht werde, daß sich die empirisch-gegenständlich
gewendete Rcligionsphilosophie den „Selbstaussagen" der von
ihrem „Erlebnissen" zehrenden religiösen Subjekte annehme.
Als Durchführung des von Troeltsch formulierten Programms,
die Religionsphilosophie als Theorie der „Selbstwahrnehmung
empirischer religiösen Subjektivität" (39 Anm. 65) zu explizieren
, will der Vf. die im Teil B (74-224) behandelten religions-
philosophischen Entwürfe von G. Wobbermin (74-103), R. Otto
(104-139), H. Scholz (140-192) und M. Scheler (193-224) verständlich
machen. Die in den „Epilegomena" (225-244) gegebene
luzide Zusammenfassung seiner Untersuchungsergebnisse

verbindet der Vf. schließlich mit einem thetischen „Ausblick"
auf die systematische Beziehung der behandelten Religionsphilosophien
zur „Kirchlichen Dogmatik" K. Barths.

Fraglich erscheint mir die These des Vf.s, die gegenständlich-
phänomenologisch orientierten Religionsphilosophien repräsentierten
deshalb einen eigenen religionsphilosophischen Typ,
weil sie auf den Selbstaussagen der in Erlebnissen zu sich selbst
kommenden religiösen Subjekte aufbauen. Diese These bedarf
zumindest der Differenzierung. Denn einerseits zeichnet sich
die am Ende des 18. Jh.s entstandene Disziplin der Religionsphilosophie
durchgehend dadurch aus, das empirisch gegebene
religiöse Bewußtsein zum Subjekt der Religion zu erklären. Daher
sind andererseits die vom Vf. behandelten Religionsphilosophien
eher ein Indiz für die Sackgasse, in die sich die einseitig
vom religiösen Bewußtsein ausgehende Religionsphilosophie
manövriert hat. Der Vf. selber deckt immer wieder die Aporien
der thematisierten Religionsphilosophien auf, die zu deren
„Scheitern" (243) führen. Aber wie schon der Titel seines Buches
zeigt, möchte er diesen Religionsphilosophien auch eine positive
Seite abgewinnen, die er dem Ausgang bei den Selbstaussagen
der religiösen Subjekte entnimmt. Im Zentrum dieser Selbstaussagen
steht das religiöse Erlebnis, das z.B. H. Scholz zufolge „als
Produkt des religiösen Inhalts verständlich zu machen" (186) sei.
Aber diese Argumentation entspricht der - nota bene: etwa zeitgleich
entdeckten - Palmström-Logik: „Weil nicht sein kann, was
nicht sein darf". Ist die „Eigenart der Religion" „das Erlebnis der
Erlebnisse überhaupt" (236), so wird das religiöse Bewußtsein
auf das sowohl individuell-unübertragbare wie nicht kommunizierbare
Erleben seiner mentalen oder pektoralen Zustände reduziert
. Welche „Wirklichkeit als ,ganz andere'" soll aber dann die
Religion dem Subjekt „am Ort seines ureigensten Beisichselbst-
seins erlebbar" (239) machen? Die an das religiöse Erleben gebundene
„Vergewisserung der Wirklichkeitsgewißheit" (237)
verleiht einer ebenso abstrakten wie privaten Innerlichkeit Ausdruck
, die ihre supramundan gemeinte Äußerlichkeit nur noch
auf negative Weise zu benennen weiß: Das „ganz andere" erscheint
als sanktionierter Widerspruch, nämlich als „anderes"
bezogen-abhängig und doch zugleich - „ganz" - unbezogen-
eigenständig zu sein. Das behauptete „Wirklichkeitserlebnis"
des so gefaßten religiösen Bewußtseins zerfällt in eine an sich
selbst wärmende Innerlichkeit und in eine irgendwie „gegebene
" ungegenständlich-überweltliche Äußerlichkeit. Das auf sein
erlebendes Erleben reduzierte religiöse Bewußtsein verwaltet
sein eigenes Unglück: Es meint, der „Wirklichkeit" eines „ganz
anderen" gewiß zu sein, die es doch nur als Ausdruck seiner
Eigengewißheit hat. Der emphatisch übersteigerte Gebrauch des
Wortes .Wirklichkeit' gleicht der Verwendung einer referenzlosen
Vokabel.

Wien Falk Wagner

Annali dell'Istituto Superiore di Scienzc Religiöse ..Beato Ippolito
Galantini" Firenze. Vivens Homo I + 2/90. Firen/e: Cittä Nuova 1992.

Krück, Michael von: Naturverständnis und kosmische Einheitserfahrun}!
im Buddhismus (In: Golser, K.: Verantwortung für die Schöpfung in den
Wellreligionen. Innsbruck: Tyrolia 1992. 102-124).

-: Religiöse Voraussetzungen für Gerechtigkeit, Frieden und Naturbewahrung
im Hinduismus (In: Golser, K.: Verantwortung für die Schöpfung
in den Weltreligionen. Innsbruck: Tyrolia 1992. 81-101).

-: Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie (EvTh 52, 1992,
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Hollenweger, Walter J.: Umgang mit Mythen. Interkulturelle Theologie.
München: Kaiser 1992. 276 S. 8° = Kaiser-Taschenbücher, 123. Karl. DM
22,80. ISBN 3-459-01946-8.

Khoury, Adel Theodor: Der Islam komm) uns naher. Worauf müssen wir
uns einstellen? Freiburg-Basel-Wien: Herder 1992. 157 S. 8°. Kart. DM
22,80. ISBN 3-451-22924-2.