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Ausgabe:

1993

Spalte:

205-207

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Alttestamentlicher Glaube und biblische Theologie 1993

Rezensent:

Oeming, Manfred

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 3

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Jakob-Söhne erklärt werden kann.5 Wohl konnten Christen im
2. Jh. eine Gesetzesparänese nach Art der TextXII im Sinne der
Argumentation des Justin rezipieren und deuten. Fraglich
scheint mir aber, ob sie sie auch in dieser Weise selbst hätten
produzieren können, gerade wenn ihnen eine solche Argumentation
zur Verfügung stand. Dies zu erklären, müßte man eine
sehr spezifische Aussageabsicht annehmen (etwa als Missions-
schrift gegenüber Juden, denen nicht zuviel Diskontinuität mit
der eigenen Tradition zugemutet werden solle; aber ist das im
späten 2. Jh. denkbar? Auch die Hypothese de J.s von „christlichen
Leviten", 261f, scheint mir in der Luft zu hängen).

Die drei für die angestrebte Rezeption der christlichen Testamente
entscheidenden Merkmale: Ermahnung zu umfassendem
Toragehorsam,Autorisierung durch den pseudepigraphen Standort
der Jakob-Söhne und (von diesem Standort her) der prophetische
Ausblick auf das Geschick und das Werk Christi (und das
Geschick Israels innerhalb dessen) deuten m.E. am ehesten auf
einen Übernahme- und Interpretationsvorgang nach Art der
„praeparatio evangelica" hin. Die Anlage der Schrift als Gesetzesparänese
und deren inhaltliche Konkretion stellen sie zur
frühjüdischen paränetischen Literatur. Diese Verwandtschaft erlaubt
es angesichts der von de Jonge zu Recht herausgetellten
Kontinuität zwischen I rüh jüdischer und frühchristlicher Paräne-
se, die TestXII weiterhin auch zur Erhellung des Gesetzesverständnisses
im Frühjudentum heranzuziehen, selbst wenn ihre
paränetischen Passagen im Zuge christlicher Rezeption nicht
unbearbeitet geblieben sein sollten.

Cambridge Karl-Wilhelm Niebuhr

' S. jetzt: Jesus, the Servant-Messiah. New Häven 1991.

* The Testaments of the Twelve Patriarehs. A Critical Edition of the Greek
Text (PVTG 1,2). Leiden 1978.

1 Hollander. H. W./de Jonge. M.: The Testaments of the Twelve Patriarehs.
A Commentary (SVTP 8), Leiden 1985.

* Sieben weitere Beitrage waren bereits in dem von M. de Jonge herausgegebenen
Sammelband Studies on the Testaments of the Twelve Patriarehs
. Text and Interpretation (SVTP 3). Leiden 1975, zusammengestellt worden
. Der große Forsehungshericht The Testaments of the Twelve Patriarehs:
Central Problems and Essential Viewpoints, ANRW II 20,1 (1987), 359-
420. ist der Substanz nach in den ersten der hier abgedruckten Aufsätze eingegangen
.

" Hier kann nur auf die bequeme Zusamnienslellung der einschlägigen
Belege in Justins Dialog bei H. Schreckenberg: Die christlichen Adversus-
Judaeos-Texte und ihr liierarisches und historisches Umfeld (1.-11, Jh.) (EHS
23,172), Frankfurt/M.. Bern 1982. 193-197, verwiesen werden.

[Preuß, Horst Dietrich ! Alttestamentlicher Glaube und Biblische
Theologie. Festschrift für Horst Dietrich PreuB zum 65.
Geburtstag. Hg. von J. Hausmann u. H.-J. Zobel. Stuttgart-
Berlin-Köln: Kohlhammer 1992. 376 S., 1 Porträt gr.8». Pp
DM 120,-. ISBN 3-17-011079-9.

Festschriften zeigen immer auch Wesentliches an dem auf,
der mit einer solchen Aufsatzsammlung geehrt werden soll.
Hort Dietrich Prcuß ist ein sehr profilierter Theologe. Wie sein
CEuvre eindrucksvoll ausweist (vgl. das Schriftenverzeichnis
37311), ist er Exe gel von Büchern aus allen drei Kanonteilen
' Diu, Dtjes, Weisheitsliteratur), von alttestamentlichen Themen
(Zukunftserwartung, Verspottung fremder Religionen) und
Begriffen (ThWAT, TRE, EKL3), aber auch Hermeneut (Linguistik
. Strukturanalogie). Prediger („Das Alte Testament in
christlicher Predigt": eine große Fülle von Predigtmeditationen)
und Bibel-Didaktiker (Bibelkunde des AT, Taschentutor AT).
Er bringt die biblische Überlieferung mit aktuellen Fragen in Beziehung
(Frieden, Ökologie, Stcrbebegleitung) und meldet sich
immer wieder zu Fragen der Reform des Theologiestudiums oder

des Pfarramtes zu Wort. In seiner zweibändigen „Theologie des
Alten Testaments" (1991/1992), die schon wegen der ungewöhnlich
gründlichen Einarbeitung der Sekundärliteratur bleibende
Bedeutung haben wird, findet sein Schaffen eine krönende
Zusammenfassung. Wie der Titel der Festschrift treffend zum
Ausdruck bringt, ist Preuß ein Alttestamentler, der als christlicher
Theologe ständig auch die Beziehungen zum Neuen Testament
mitbedenkt. Der ganze Kanon ist ihm wichtig, wobei er
auch kritisch nach dem theologischen Recht einzelner Schriften
fragen kann, überhaupt im Kanon zu stehen. Sein menschlicher
Charme und Humor verbinden sich oft mit spitzer, theologisch
engagierter Zunge. In der ihm zum 65. Geburtstag gewidmeten
Festschrift spiegelt sich das ganze weite Spektrum des Theologen
H. D. Preuß wider. Die hier vereinigten 36 Aufsätze sind
nicht alphabetisch geordnet, sondern folgen zunächst der Ordnung
des hebräischen Kanons, wobei Gesetz, Propheten und
Schriften in etwa gleichmäßig vertreten sind. Vier Arbeiten zu
grundsätzlicheren Fragen, die in die theologische und philosophische
Verortung des Alten Testaments ausgreifen, eine Studie
zu Luthers Wallfahrtsverständnis (mit einer Erörterung von Luthers
Mariologie hatte Preuß 1954 seine wissenschaftliche Publikationstätigkeit
begonnen) sowie ein Beitrag zur Qumranfor-
schung runden die instruktive Sammlung ab, die Einblicke in die
aktuelle Diskussion der alttestamentlichen Forschung eröffnet.
Im übrigen zeigen die Namen der Mitarbeiter dieser Festschrift,
in wie engem Kontakt H. D. Preuß zur Theologie und Kirche in
der ehemaligen DDR stand.

Es ist hier schwerlich möglich, drei Dutzend ohnehin konzentriert
knapper Aufsätze auch nur kurz „aufzublättern": es wäre
auch nicht fair, einzelne m.E. besonders spannende herauszustellen
(etwa diejenigen von F. Crüsemann, W.H. Schmidt. J. Jeremias
oder H. P. Müller), daher hiereine schlichte Inhaltsangabe:

H. Setbau, Dialog über Israels Anfänge. Zum Evolutionsmodell von N.
P. Lemche, Early Israel, VTS 37, Leiden (1985), 11-19; J. Schreiner, Zur
Theologie der Patriarchenerzählungen in Gen 12-36, 20-34; H. J. Boecker,
Überlegungen zur Josephsgeschichte, 35-45; W. Herrmann, Ex I7,7ß und
die Frage nach der Gegenwart JHWHs in Israel. 46-55; ,S'. Herrmann, Weisheit
im Bundesbuch. Eine Miszelle zu Ex 23,1-9, 56-58; E. Otto. Der Dekalog
als Brennspiegel israelitischer Rechtsgeschichte. 59-68; F. Crüsemann.
Das Gericht im Tor - eine staatliche Rechtsinstanz, 69-79; K. Koch, Gefüge
und Herkunft des Berichts über die Kultreformen des Königs Josia. 80-92;
W. Thiel, Jahwe und Prophet in der Elisa-Tradition, 93-103; O. H. Steck,
„...ein kleiner Knabe kann sie leiten". Beobachtungen zum Tierfrieden in
Jesaja 11, 6-8 und 65, 25, 104-113; K. Baitzer, Stadt-Tyche oder Zion-Jeru-
salem, 114-119; H.-C. Schmitt. Erlösung und Gericht. Jes 43,1-7 und sein
literarischer und theologischer Kontext, 120-131; G. Wanke, Jeremias Berufung
(Jer 1,4-10). Exegetisch-theologische Überlegungen zum Verhältnis
von individueller Äußerung und geprägtem Gut anhand eines Einzeltextes.
132-144; M. Köckerl, Das Gesetz und die Propheten in Arnos 1-2, 145-154;
L. Schmidt. Bemerkungen zu Hosea 1,2-9 und 3,1- 5, 155-165; R. Stahl,
..Deshalb trocknet die Erde aus und verschmachten alle, die auf ihr wohnen
...". Der Versuch einer theologischen Einordnung von Hos 4.3. 166-173;
K. D. Schunck, Juda in der Verkündigung des Propheten Zephanja. 174-179;
H. Graf Reventtow, Tradition und Aktualisierung in Sacharjas siebentem
Nachtgesicht. Sach 6,1-8, 180-190; H.-J. Zobel, Das Schöpfungshandeln
Jahwes im Zeugnis der Propheten. 191-200; R. Mosis, Die Mauern Jerusalems
. Beobachtungen zu Ps 5l,20f., 201- 215; S. Wagner. Theologischer
Versuch über Ijob 42,7-9(l0a). 216- 224; H. Seidel. Hiob, der Patron der
Musiker, 225-232; D. Michel. Proverbia 2 - ein Dokument der Geschichte
der Weisheit. 233-243: A. Metnhold, Der Umgang mit dem Feind nach Spr
25,21 f. als Maßstab für das Menschsein, 244-252; A. H. J. Gunneweg.
Weisheit, Prophetie und Kanonformel. Erwägungen zu Proverbia 30,1-9,
253- 260; J. Hausmann, Beobachtungen zu Spr 31, 10-31, 261-266; R. Lux,
„Der Lebenskompromiß" - ein Wesenszug im Denken Kohelets? Zur Auslegung
von Koh 7,15-18, 267-278: E. Kutsch, „Du sollst dir kein Gottesbild
machen". Zur Weisheit Salomo 14,15, 279-286; W. H. Schmidt, „Wie kann
der Mensch seinen Weg verstehen'.'". Weisheitliche Lebenserfahrung - ein
Gespräch mit H. D. Preuß, 287- 297; H. Gese, Das medische Reich im
Geschichtsbild des Danielbuches - eine hermeneutische Frage, 298-308; J.
Jeremias, Umkehrung von Heilstraditionen im Allen Testament, 309-320;
M. Sa-ho, Eschaton und Eschalologia im Allen Testament - in traditionsgeschichtlicher
Sicht, 321-330; E.-J. Waschke. Die Einheit der Theologie heute
als Anfrage an das Alte Testament - ein Plädoyer für die Vielfalt. 331-