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Ausgabe:

1993

Spalte:

178-180

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Meier, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der Kirche auf den Karibischen Inseln 1993

Rezensent:

Prien, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 2

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Tür manchen Politiker und Wirtschaftler - mehr als nur Eigentum
ist, nämlich sozusagen Basis allen Nachdenkens über wirtschaftliche
Werte. Landbesitz ist mehr als Geldbesitz. Vom
Land zu reden scheint auch bei uns ideologische - oder soll man
sogar sagen religiöse - Aspekte zu haben. Auch in der Kirche
haben Immobilien einen sehr hohen Stellenwert, und das auch
nicht erst seit gestern. Ob es da nicht angebracht wäre, sich mit
solchen Aspekten zu befassen, etwa bei der Debatte um die
Volkskirche? Es kann nicht erwartet werden, daß die lateinamerikanischen
Theologen unsere Fragen beantworten. Aber in
ihrer eigenen Fragestellung ist diese Seite des Themas auch nur
wenig angerührt.

Trotzdem ist das Buch sehr lesenswert. Die Autoren sind keine
akademischen Lehrer. Beide leben als Seelsorger unter den Betroffenen
des Agrarkapitalismus. Sie schreiben - so will es die
Schriftenreihe „Bibliothek Theologie der Befreiung" - für die
Leute in den Basisgemeinden. Ihnen wollen sie helfen, ihre Fragen
vom Glauben her zu bewältigen. Dementsprechend gehen sie
in dem Buch vor. Auf die Situationsbeschreibung folgt ein kulturgeschichtlicher
Rundblick. Danach wenden sich die Vff. der
Bibel zu. Vor allem der alttestamentliche Teil ist wegen seiner
Anschaulichkeit besonders lesenswert. „Das ist es, was Israel
ausmacht. Daß es das Land dann besitzen konnte, beruht auf der
Verkündigung des Wortes, auf dem Hinhören des Volkes auf das
Wort und auf der Praxis des Gesetzes, als Bewußtsein davon, daß
der Herr sein Volk liebt." (114) Diese Zusammenfassung, für das
Deuteronomium geschrieben, klingt wie eine Zusammenfassung
des ganzen AT. Die prophetische Botschaft korrespondiert:
„...der Besitz des Landes (ist) stets an die Praxis von Gerechtigkeit
und die Beobachtung des göttlichen Gesetzes gebunden."
(118) Für die Grundaussage des Neuen Testaments wird dann
Comblin zitiert (Das Bild vom Menschen (BThB), Düsseldorf
1987, 106): „Mit Jesus und dem Christentum fällt der Mythos
von der Zugehörigkeit eines Landes zu einem Volk dahin. Es
gibt weder einen heiligen Besitztitel mehr noch unveräußerliche
Rechte auf ein Land. Die gesamte Erde gehört allen Menschen,
damit alle sich ihrer erfreuen und von ihr leben können. Die
Regeln der Gerechtigkeit müssen in der gesellschaftlichen Organisation
den Vorzug haben, und geschichtliche oder vermeintliche
,natürliche' Gründe müssen dem Primat des Besitzes der
ganzen Erde durch alle Menschen weichen."

Der kirchenhistorische Teil fällt relativ kurz aus. Einerseits
will er zeigen, wie stark die Kräfte der Kirche waren, die sich
auf die Seite der Armen geschlagen haben. Andererseits geht er
auf die Grundlagen katholischer Soziallehre ein, indem er besonders
das Werk Thomas' von Aquin behandelt und auch die
entsprechenden Schreiben der Päpste aus den letzten 150 Jahren
zitiert. Einerseits heißt es: „Nie war die Kirche frei von zeitbedingter
Zweideutigkeit, die nun einmal unumgänglich ist." (161)
Andererseits fahren die Vff. an der gleichen Stelle fort: „Gleichwohl
spüren wir.... daß Gott inmitten seines Volkes am Werk ist
und nicht zuläßt, daß die Prophetie vollends verstummt." (ebd.)
Es fällt schon auf. daß die Vff. nicht kritischer sind.

Kap. 5 ist zwar das kürzeste, aber auch das stärkste. Hier
schlägt das Herz der Vff. Ihre Theologie ist vor allem am praktischen
Vollzug des Glaubens interessiert, auch wenn die vorher
gemachten Entdeckungen nun nicht mehr alle ausdrücklich aufgenommen
werden. Die seelsorgerlichen Anweisungen mahnen
sehr betont zur gelebten Spiritualität und zur Unverwechselbarkeit
kirchlicher Aktionen, ein Tonfall, der in der ersten Generation
der Befreiungstheologen in Lateinamerika nicht so deutlich
zu hören war. Ist dies eine Antwort auf Mißerfolge, Kritik an
Polit-Priestern oder die Reaktion auf kritische Rückfragen der
kirchlichen Oberen? Wie dem auch sei - es bleibt auch ein
Sachproblem in der Seelsorge, und das überall.

Wer ein aufregendes Buch erwartet hat, ist vielleicht über
weite Strecken der Lektüre hin nicht auf seine Kosten gekommen
. Aber wer erkannt hat, daß und wie sehr hier von der Basis
der Gemeindeseelsorge her theologisch gearbeitet, gedacht und
geschrieben wird, der wird es am Ende mit Gewinn gelesen
haben.

Berlin Johannes Althausen

Grass, Hans: Traktat über Mariologie. Marburg: Elwert 1991.
VII, 116 S. gr. 8° = Marburger theologische Studien, 30. Kart.
DM 28,-.

Für eins sei dem Vf. vor allem gedankt: daß er sich als evangelischer
Theologe der Mariologie zugewendet und in seinem
Traktat eine hilfreiche Zusammenstellung wichtiger Aussagen
und Materialien zum Thema geboten hat. Das Programm reicht
von den ntl. Stellen zu Maria über Aussagen altkirchlicher
Theologen bis hin zu Mittelalter, Orthodoxie und Reformation,
sowie zu den lehramtlichen Äußerungen seit dem II. Vaticanum
. Dabei wünschte man sich gewiß an manchen Stellen noch
Ausführlicheres, etwa im Kapitel über die altkirchlichen Überlieferungen
oder im Blick auf die katholische Dogmatik der
Gegenwart. Aber die eigentliche Zielstellung des Buches ist
nicht umfassende historische Darstellung, sondern interkonfessionelle
Auseinandersetzung. Es soll deutlich gemacht werden,
„daß gerade in der Mariologie ein ökumenisches Gespräch sehr
erschwert ist, bzw. daß im ökumenischen Gespräch die Mariologie
einen kaum zu überwindenden Kontroverspunkt bildet"
(Vorbem. o.S.). Dabei ist es das Anliegen des Buches, alle
Ansatzpunkte zu einer Mariologie so grundsätzlich wie möglich
zu bestreiten. Dies beginnt mit der Kritik der ntl. Wissenschaft
evangelischer Prägung an den Aussagen über die Jungfrauengeburt
. Unermüdlich werden die Gefahren für das Bekenntnis
zum „solus Christus" herausgearbeitet. Die Legitimität der Versuche
evangelischer Theologen hochkirchlicher Prägung, die
Marienverehrung ansatzweise zurückzugewinnen, wird bestritten
. Diesem Ziel dient schließlich auch ein Abschnitt über „Mariologie
und Feminismus". Am Schluß steht die alte Klage, daß
sich die katholische Mariologie „außerordentlich belastend auf
die ökumenischen Beziehungen auswirke" (109). Übersehen
wird dabei freilich, daß dieses Argument auch umgekehrt von
der katholischen Theologie gegenüber einer solchen ganz und
gar auf Ablehnung und Widerlegung ausgerichteten Kritik der
Mariologie angewendet werden kann. Wünschenswert wäre der
Versuch, die Mariologie von ihrem Anliegen her zu verstehen.
Dieser Versuch müßte beginnen mit einer Exegese der wichtigen
ntl. Texte, vor allem aus der Vorgeschichte des Lk Ev,
wobei nicht nur nach den historischen Fakten zu fragen wäre,
sondern nach der existentialen Interpretation jener Geschichten.
Ich möchte die Hoffnung nicht aufgeben, daß der vom Vf. referierte
Stand der Debatte um Maria nicht die letzte Position im
Gespräch ist.

Werdau Friedrich Jacob

Meier, Johannes: Die Anfänge der Kirche auf den Karibischen
Inseln. Die Geschichte der Bistümer Santo Domingo,
Concepciön de la Vega, San Juan de Puerto Rico und Santiago
de Cuba von ihrer Entstehung (1511/22) bis zur Mitte des 17.
Jahrhunderts. Immensee: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft
1991. XXXIII, 313 S., 4 Abb. u. 9 Ktn auf 11 Taf. gr.8»
= Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft, Suppl. XXXVIII.
Kart. sFr 44.-. ISBN 3-85824-070-2.

Die 1989 von der Kath.-theol. Fakultät der Universität Würzburg
angenommene Habilitationsschrift Meiers, der sich seit
1980 auf Reisen und Studienaufenthalten mit der lateinamerika-