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Ausgabe:

1993

Spalte:

176-178

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Souza, Marcelo de Barros

Titel/Untertitel:

Theologie der Erde 1993

Rezensent:

Althausen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 2

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haben kann. Dabei leuchtet mir nicht ein, daß B. die Unterscheidung
zwischen dem Kranken und seiner Krankheit weithin
als abstrakt abweist. Diese Zurückweisung ist ganz stark
von der Situation dessen geprägt, der seine eigene Krankheit
als unabänderlich erlebt; in allen Fällen aber, in denen an der
Linderung oder Überwindung der Krankheit gearbeitet werden
kann, erscheint mir diese Unterscheidung als ganz unumgeh-
bar: der Kampf gegen die Krankheit ist kein Kampf gegen den
Kranken.

Die Auseinandersetzungen mit anderen Autoren in diesem
Buch erscheinen mir als zu ausführlich; sie gehen gelegentlich
auch zu weit ins Persönliche, wie der Abdruck eines Briefwechsels
mit Eduard Schweizer beispielhaft zeigt. Der begreifliche
Wunsch nach einer scharfen Abrechnung mit einem irreführenden
Denkmuster führt gelegentlich zu einem theologischen
Zwei-Klassen-Denken („Es gibt zwei Grund-Sichtweisen
evangelischer Theologie, die nicht nur bestimmte Akzente unterschiedlich
setzen, sondern die kraß gegensätzlich sind", 13).
Mir erscheint das nicht als der richtige Weg, um Sozialrassismus
in der Theologie zu überwinden. Ich hätte es deshalb begrüßt
, wenn der Autor die Polemik gegen andere knapper gefaßt
und der Entfaltung seines eigenen Ansatzes mehr Raum
gegeben hätte.

Denn dieser Ansatz verdient es, sorgfältig gehört, aufgenommen
und weitergeführt zu werden. Noch immer wird die theologische
Theorie der Diakonie weithin aus der Helferperspektive
entworfen; sie gewinnt jedoch eine neue Qualität, wenn sie
aus der Perspektive Betroffener formuliert wird. Dazu, beide
Perspektiven miteinander zu verbinden, leistet Bachs Buch
einen wichtigen Beitrag.

Heidelberg Wolfgang Huber

Röckle, Gerhard [Hg.]: Diakonische Kirche. Sendung - Dienst
- Leitung. Versuche einer theologischen Orientierung. Mit
einem Vorwort von K. H. Neukamm und einem Geleitwort
von M. Kruse. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1990.
185 S. 8°. ISBN 3- 7887-1325-9.

Nachdenken über das Spezifikum der Diakonie in einem
Wohlfahrtsstaat ist nicht nur ein akademisches Thema, sondern
zugleich eine dringende Aufgabe für alle, die in der praktischen
Diakonie Verantwortung tragen. Ihre Ausdehnung auf die verschiedensten
Arbeitsfelder, die zunehmende Professionalität,
die enge Verflechtung mit Finanzen und Strukturen des sozialen
Rechtsstaats, die Abnahme bewußt christlich motivierter
Mitarbeiter in den diakonischen Einrichtungen - diese Faktoren
ma-chen die Frage nach dem Profil, nach dem Weg und nach
dem Sinn der diakonischen Institutionen und Aktivitäten in der
Bundesrepublik dringlich. Die neuen rechtlichen Möglichkeiten
und die vielen gesellschaftlichen Nöte in den neuen Bundesländern
verschärfen diese Frage in ihrer Weise. Das anzuzeigende
Buch bringt Beiträge zum Abdruck, die auf einem
Symposium Ende Februar 1989 gehalten wurden. Bibelarbeiten
, Referate, Kurzbeiträge und Gruppenberichte stellen sich
dem Versuch einer theologischen Orientierung einer „diakonischen
Kirche", wobei seltener die Kirche als Ganze auf ihre
diakonische Dimension hin angesprochen wird, sondern vielmehr
die speziellen diakonischen Einrichtungen im Blick sind.
Die Autoren kommen vor allem aus dem Bereich der institutionellen
Diakonie und der akademischen Praktischen Theologie.
In vielen Beiträgen wird die Wirklichkeit der „Sachzwänge",
die reale Situation der Institutionen und Personen nicht geleugnet
, sondern offen bekannt: „Wir führen und gestalten unsere
Unternehmen seit Jahren nach rein säkularen Vorgaben, und
das prägt mehr und mehr das Gesicht unserer Unternehmen. Es

kommt hinzu, daß wir uns genötigt sehen, den Eigengesetzlichkeiten
Rechnung zu tragen, die ein Unternehmen entwickelt..."
(Johannes Busch, 93). Eindrucksvoll werden die neuzeitlichen,
im wissenschaftlichen Gewand einherkommenden Einsprüche
gegen das „Helfen" referiert (Gerd Theißen in einer glänzenden
Studie zum „Barmherzigen Samariter"). Dennoch gelingt es,
auf diesem Hintergrund die grundsätzliche Bedeutung der Diakonie
zu entwickeln und ihr spezifisches Profil für die verschiedenen
Herausforderungen anzudeuten. Die Diakonie wird
dabei schöpfungstheologisch und christologisch begründet. Es
werden sowohl Konvergenzen zu den Formen und Motiven des
Helfens des säkularen Menschen herausgehoben wie auch Einsprüche
gegen psychologisch oder biologisch gefärbte neuzeitliche
Selbstentfaltungsideologien deutlich benannt (vor allem
G. Theißen, 53ff). Der fundamentale Zusammenhang von
„Dienst" (diakonia) und „Gottesdienst" wird dabei einleuchtend
gemacht (Gerhard Ruhbach, Den Dienst geistlich leben,
77ff). Viel blasser fallen demgegenüber die praktischen Hinweise
und strukturellen Konsequenzen aus, die aus der Einsicht
in die grundlegende diakonische Orientierung des Tuns erwachsen
sollten. Sie werden eher am Rande erwähnt oder als
Fragen formuliert: „Haben wir oder nutzen wir zusätzliche Mittel
, um diakonische Standards für die Beziehungsebene des
Hilfehandelns einzusetzen?" (Karlheinz Stoll, 41). Es wäre gut,
wenn ein nächstes Kolloquium auch von Modellen berichten
könnte, in denen die diakonische Orientierung eine angemessene
Struktur in Einrichtungen der Kirche gefunden hat.

Leipzig Wolfgang Ratzmann

Ökumenik: Allgemeines

Barros Souza, Marcelo de, u. Jose Luis Caravias: Theologie der
Erde. Aus dem Portug. von H. Goldstein. Düsseldorf: Patmos
1990. 240 S. 80 = Bibliothek Theologie der Befreiung. Das
Leben in der Gesellschaft. Kart. DM 39,80. ISBN 3-491-
77724-6.

Der Titel ist etwas gewagt. Er weckt Erwartungen, die nicht
erfüllt werden können. Aber Theologen, die über die Befreiung
der Menschen in Lateinamerika nachdenken und dafür wirken
wollen, müssen sich der Frage nach dem Land zuwenden. Sie
ist unumgänglich. Übrigens hat das in den letzten Jahren in
Deutschland auch seinen Widerhall gefunden, u.zw. fast mehr
auf der Gemeindeebene als in theologischen Büchern. Als Indianer
-Frauen aus den USA die Liturgie des Weltgebetstages
schrieben und die „Mutter Erde" (vgl. dazu auch 46) anriefen,
entstand ein erschrecktes Fragen. Natürlich wurde im allgemeinen
auf die Blut- und Boden-Theologie aus der Nazizeit verwiesen
. Aber wie das Fühlen und Beten der Indianerchristen in
der ökumenischen Bewegung aufgenommen werden kann und
soll, ist damit noch nicht beantwortet.

Die Vff. gehen auf die kulturellen Wurzeln der Lateinamerikaner
zurück. Aber sie ordnen sie als lateinamerikanisches Altes
Testament ein (131). Die eigentliche Spitze ihrer theologischen
Arbeit ist nicht die Frage nach Theologie und Kultur,
sondern die Auseinandersetzung mit dem Agrarkapitalismus
(18ff) und seinen Folgen Armut, Verlust der ländlichen Kultur
sowie Gewalt und Mord (25-36). Das ist nicht nur praktisch begründet
. Hier ist in der Tat das eigentliche Feld der Auseinandersetzungen
und darum auch das des christlichen Zeugnisses.
Nur daß einem im Gebiet der ehemaligen DDR in den letzten
Jahren bei mancherlei Berichten über den räuberischen Umgang
mit Immobilien mitunter die Frage kommt, ob Land nicht
auch im säkularisierten Europa für viele Menschen - und auch