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Ausgabe:

1992

Spalte:

171-172

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Muḥammad, Der Koran

Titel/Untertitel:

Sure 1,1 - 2,74 1992

Rezensent:

Preißler, Holger

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Seite 1

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171

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 3

172

Satz Sarikaras in BSB I, I, 5, geht aber leider nicht auf die berühmte
Deutung dieser Stelle durch Coomaraswamy ein.

Ein abschließender Aufsatz behandelt nicht den Ursprung,
wohl aber die ideologische Rechtfertigung des Kastenwesens in
verschiedenen klassischen hinduistischen Literaturen, in denen
kosmisch-religiöse, ethische und biologische Begründungen verschmelzen
. (353ff) Die buddhist. Kritik am Kastensystem knüpft
an eine bereits vorhandene Unterscheidung erblicher und ethischer
Kriterien an, wobei sie allein letztere gelten läßt. Das Konzept
von svadharma, das die BhagavadgTtä vorträgt, wird als
Kombination beider gedeutet, insofern das je Eigene (erblich erworben
) durch gewissenhafte Pflichterfüllung zu realisieren sei,
wodurch die Gitä gleichzeitig die buddhist. Kritik entschärfen
und den Eliteanspruch der Brahmanen aufrechterhalten konnte.
(355) Einzelne Elemente der ambivalenten Wirkungsgeschichte
der Gitä werden bis in die Neuzeit hinein knapp nachgezeichnet.
Das in Europa meist viel zu wenig diskutierte Mimämsä-System,
das auch im heutigen Indien für das orthodoxe Brahmanentum
große Bedeutung hat, wird vom Vf. mit großer Detailkenntnis ins
Spiel gebracht. Ein empfehlenswerter Band, der höchst differenziert
und gründlich argumentiert.

München Michael von Brück

Der Koran. Arabisch-Deutsch. Übersetzung und wissenschaftlicher
Kommentar von A. T. Khoury. Bd. 1: Muhammad. Der
Koran. Sure 1, 1-2, 74. Gütersloh: Mohn 1990. 367 S. gr.8".
geb. DM 250,-.

Der Münsteraner Religions- und Islamwissenschaftler Adel
Theodor Khoury hatte bereits in seiner Verdeutschung des Korans
1987 eine wissenschaftliche Studienausgabe versprochen.
Nun erschien 1990 der erste, großzügig gestaltete und handliche
Band mit der allgemeinen Einführung und der Kommentierung
des ersten von insgesamt sechzig Rezitationsabschnitten des gesamten
Korantextes. Wenn A. T. Khoury bis zum Abschluß dieses
ambitiösen Unternehmens den Prinzipien der ersten Lieferung
folgen kann, wird das Gesamtwerk schließlich über
zehntausend Druckseiten umfassen. Als Nutzer ist vor allem an
Religionswissenschaftler und Theologen gedacht, die sonst nur
schwer Zugang zu dem hier ausgebreiteten, überwiegend in arabischer
Sprache verfaßten Material haben. Doch auch Islamwissenschaftler
werden künftig um diese Arbeit nicht herumgehen
können, der wohl schon jetzt ein Platz in entsprechenden Fachbibliotheken
sicher ist. Wie deutschsprachige Muslims es aufnehmen
werden, bleibt noch abzuwarten. Etwas Ähnliches besitzen
sie jedenfalls nicht.

Der erste Band enthält auf den Seiten 25-121 die generelle,
übersichtliche Einleitung zu Muhammads Wirken und zum
Koran. Sie schließt sich so eng wie möglich an die islamische Tradition
an und berücksichtigt kritisch die Positionen der europäischen
und amerikanischen Islamwissenschaft. Zu knapp und
wenig aussagekräftig erscheinen allerdings die nur zweieinhalb
Seiten (102-104) zur Koranauslegung, die gerade dem vor allem
angesprochenen Nutzerkreis kaum ausreichen dürften, um Bedeutung
und Charakteristika islamischer Exegese und islamischen
Umgangs mit dem Koran zu begreifen. So bleiben auch die
zahlreichen Namen von Traditionariern und anderen arabischen
Autoren zumeist eben bloße Namen, auch wenn das Personenregister
(363-367) wenigstens Lebensdaten zu ihnen anführt.
Tendenzen der islamwissenschaftlichen Korankommentierung
werden in der Einleitung leider nicht umrissen. Entsprechende
Forschungen finden selbstverständlich im Kommentar Berücksichtigung
. Auch eine kurze Würdigung vorausgehender Übersetzungen
ins Deutsche oder auch ins Englische und Französische

wird vermißt, obgleich hiereine umfassende interpretierende Arbeit
geleistet worden ist.

Mit S. 125 beginnt der wissenschaftliche Kommentar. Dem
deutschen Text in Khourys Übersetzung steht der arabische nach
der verbreiteten Kairoer Ausgabe gegenüber. Darauf folgen die
Lesevarianten, die in der islamischen Überlieferung bewahrt
worden sind mit den Namen der Tradenten. Der Kommentar
selbst ist fortlaufend und ausführlich. Er umfaßt reichhaltige Verweise
auf andere Koranstellen und Bezüge zur Bibel, teilweise
auch zum älteren jüdischen und christlichen Schrifttum und
schließlich eine Auswahl aus der prophetischen Tradition (Ha-
dith) und der islamischen Exegese. Dabei hat der Hg. in dieser
ersten Lieferung insbesondere die großen exegetischen Leistungen
des Theologen Fakhr ad-Din ar-Razi (t 1210) und der modernen
Reformer Muhammad Abduh (t 1905) und Rashid Rida
(t 1935) im Auge, die in der deutschsprachigen Islamwissenschaft
bisher zu wenig beachtet worden sind. Darüber hinaus
zitiert er weitere Kommentatoren aus alter und neuer Zeit, nicht
nur Sunniten, sondern dankenswerterweise auch Schiiten. Und
neben den Exegeten finden an passenden Stellen auch Theologen
und Mystiker ihren Platz. Diese Auslese hängt augenscheinlich
weitgehend von den persönlichen Intentionen des Hg.s ab und
beansprucht keine Vollständigkeit. Vermißt werden heutzutage
in islamischen Kreisen besonders autoritative hanbalitische
Gelehrte wie der Reformer Ibn Taimiva (t 1328).

Der Benutzer kann insgesamt einen guten Überblick über
Hauptpositionen der Korankommentierung unter Muslims wie
Islamwissenschaftlern gewinnen und gleichzeitig Zugang zu
einem wichtigen Bereich islamisch-arabischer Literatur finden.

Man kann zu Beginn dieses großen Projekts dem unermüdlichen
Hg., seinen Mitarbeitern und allen Beteiligten nur wünschen
, daß sie die Kraft zur kontinuierlichen Beschäftigung mi'
diesem Opus haben, damit die nächsten Lieferungen bald und
ohne längere zeitliche Unterbrechungen erscheinen können.

Leipzig Holger Preißler

Thomas, M. M.: Christus im neuen Indien. Reform-Hinduismus
und Christentum. Hg. u. übers, von A. u. H.-W. Gensichen-
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1989. 204 S. gr.8 *
Theologie der Ökumene, 23. Kart. DM 39,80.

Ein Vierteljahrhundert nach seinem Erscheinen liegt dieser
Band nun gekürzt und in vorzüglicher Übersetzung (H.-W. u. A-
Gensichen) dem deutschen Leser vor. Sechs bedeutende Gestalten
der indischen Geistesgeschichte der letzten 200 Jahre werden
in geschickter Reihung kommentierter Zitate vorgestellt, ohne
daß eine systematische Analyse der Positionen angestrebt würde-
Der Vf. schließt die Porträts jeweils mit kirchlich-theologischen
Reaktionen auf Rammohan Roy, Keshab Candra Sen, P. C. Mo-
zoomdar, Vivekananda, Radhakrishnan, Gandhi und greift auch
selbst urteilend ein.

Rammohan Roy erscheint als indischer Aufklärer, für den der
Monotheismus, die Sittlichkeit als Wesen der Religion und eine
rationalistische Geisteshaltung charakteristisch waren. (14) Die
Auseinandersetzung mit christlichen Missionaren, vor allem *
Marshman, war dann auch nicht nur vom Gegenüber Hinduismus
-Christentum gekennzeichnet, sondern in Roy begegnete
dem Glauben und Festhalten an der Offenbarungsautorität der
Hl. Schrift das Paradigma der Autonomie der Vernunft in indischer
Form. Marshman steht damit typologisch in bezug auf die
Frage nach Wesen und Gestalt der Gotteserkenntnis der indischen
brahmanischen Orthodoxie (zumal in Gestalt der Systeme
von Mimamsa und Vedanta) näher als dem Modernisten Roy>
und man erführe vom Vf. gern mehr und Genaueres über das rel''
gionssoziologische Umfeld der Debatte im frühen 19. Jh.