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Ausgabe:

1992

Spalte:

147-149

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Mann und Frau - Grundproblem theologischer Anthropologie 1992

Rezensent:

Frey, Christofer

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 2

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Wenn das die Welt und uns nur besser machte! Wenn solche
Hoffnungstheologen nur endlich einsehen würden, wie hoffnungslos
und gesetzlich ihr Ansatz bei der Immanenz und bei der
Gegenwart eigentlich ist!

Eine ausgezeichnete Analyse und eine fundierte christliche
Antwort bietet der Aufsatz von M. Kehl gegenüber der »New-
Age«-Bewegung. Er erblickt in ihr »vor allem eine Neuauflage
der alten gnostischen Uminterpretation des Christentums«
(119), er findet Anknüpfungspunkte für ein Gespräch, und er erhebt
eine Reihe von gewichtigen Einwänden. Der vorhandenen
Welt ist nicht einfach Einheit zuzusprechen oder aufzunötigen.
Die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits ist unaufhebbar. Die
Vollendung ist nur zu erreichen durch die Auferstehung vom
Tod.

Kehls eigene Antwort ist m. E. nicht ganz frei von Ambivalenzen
. In dem Maße, in dem auch er einer Gegenwarts- bzw. Imma-
nenzeschatologie zuneigen kann, wird die von ihm gewollte Abgrenzung
gegenüber der New-Age-Bewegung schwierig.

Während Kramer nur die 68er Positionen wiederholt, führt J.
Pottmeyer (»Christliche Hoffnung zwischen Jenseitsvertröstung
und Diesseitsoptimismus«) die Zeitanalyse weiter bis in unsere
Gegenwart.

Als Dimensionen der christlichen Heilshoffnung benennt er
fünf: Sie ist persönlich und sozial, diesseits- und jenseitsbezogen
, und sie ist universal. Er will auch festhalten, daß eine
überzeugende eschatologische Verkündigung nur möglich ist,
wenn sie in der Gegenwart ihre Glaubwürdigkeit erweist. Erledigt
ist freilich jener naive Optimismus, der die Existenz des
Bösen meinte vergessen zu können. Gerade die heutige Welterfahrung
(Stichworte »Auschwitz« und auch »Archipel Gulag«)
erweist die Macht der Sünde. Das Böse ist eine Realität, es kann
nicht einfach - uns entlastend - auf ein außer uns liegendes Prinzip
zurückgeführt werden, wir sind in einen Schuldzusammenhang
verstrickt, und wir können die Erlösung allein Gott zutrauen
(142).

Das sind neue Töne, wiederentdeckte alte Töne, die ein tiefes
Verstehen der Eschatologie möglich machen, möglich machen
könnten.

Aber blaß bleibt dann doch die Deutung des Kreuzes Jesu. Es
ist nur die Anzeige der Realität des Bösen bzw. ein »Hoffnungszeichen
«. Die Hoffnung ist im Wesentlichen gegenwärtige Bewährungshaltung
. So bleibt am Ende doch »die Hoffnung auf das
Reich Gottes als diesseitig-geschichtlicher Auftrag«. Ich wünsche
gutes Gelingen.

Abgerundet wird das Werk durch die Arbeiten von A. Gerhards
über »Eschatologische Vorstellungen und Modelle in der Totenliturgie
« und G. Lange über »Bilder christlicher Hoffnung über
den Tod hinaus«.

Der ganze Band zeigt eigentlich vor allem, wie in der heutigen
Theologie die Probleme der Eschatologie gelöst sind. Die quae-
stio, die man hätte disputieren sollen, auf die man sich besser
konzentriert hätte, wäre die Frage: Gegenwart und/oder Zukunft
? Diesseits und/oder Jenseits? All dies entscheidet sich freilich
nicht primär an Analysen der Gegenwart, sondern vor allem
anderen am Verständnis des Todes Jesu.

Mainz Friedrich Beißer

Schneider, Theodor [Hg.]: Mann und Frau - Grundproblem theologischer
Anthropologie. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1989.
222 S. 8° -Quaestiones Disputatae, 121. Kart. DM 38,-.

Gerade die katholische Theologie ist der protestantischen in
bestimmten Fragen der feministischen Theologie vorausgegangen
- nicht weil der Katholizismus das wegen der Verweigerung
der Frauenordination nötig hätte; die Mechanismen der Diskreditierung
von Frauen arbeiten doch viel subtiler, als es institutionelle
Rollenzuweisungen beweisen. Ein Sammelwerk erlaubt nun
ein (partikulares) Urteil, wie weit die feministische Theologie
Folgen für die Bestimmung des Verhältnisses von Frau und
Mann hat. Die Arbeitsgemeinschaft deutschsprachiger katholischer
Dogmatiker und Fundamentaltheologen hat 1988 unter
dem Thema „Als Mann und Frau schuf er sie" die Beziehungen
von Männern und Frauen und damit auch die anthropologische
Grundlagenproblematik diskutiert. Der Mainzer Theologe Theodor
Schneider hat die Vorträge ediert und eingeleitet. Leider sind
die Beiträge Einzelversuche geblieben; auch die Einleitung des
Hg. bietet zwar eine eigene, jedoch keine umfassende systematische
Perspektive für die disparaten Studien an.

Frauenbewegung und feministische Theologie fragen die Dogmatiker
v. a. nach

- der Möglichkeit einer Wesensbestimmung von Frau und
Mann im Gegenüber zu ihrem geschichtlichen und kulturellen
kontextuellen Selbstverständnis (von Frauen als „konkret" gegenüber
dem „Abstrakten" bezeichnet);

- der Einbeziehung soziologischen Denkens statt einer naturalistischen
Denkweise (z. B. in Gestalt von Typologien, die bis in
die Psychologie hinein reichen) und nach

- der Verschränkung dieser Alternativen mit theologischen
Aussagen.

Wie weit kann die Selbstkritik der Theologie gehen, wenn sich
ihre Aussagen als Hilfestellungen sozialer Rollenfestschreibungen
und männlicher Herrschaftsansprüche erweisen?

Sollten jene Beiträge, die von Frauen kommen, die eigentlichen
Anfragen darstellen, dann sind die Beiträge der Männer
eher verlegene Antwortsuche oder sogar verpaßte Antworten. Allerdings
erlauben diese Anfragen auch Ausweichmanöver, weil
sie manchmal mit einer in der feministischen Theologie häufig zu
beobachtenden „Offenheit" ihres Projekts die Präzision systematischen
und zur Reaktion zwingenden Denkens weitgehend
vermissen lassen. Allerdings zeigt Elisabeth Gössmann mit Souveränität
, daß die Angriffe auf den männlichen (patriarchalen)
Gott dem Denken vieler Epochen nicht gerecht werden, weil die
patriarchalische Reflexion erst seit dem 13. Jh. verstärkt einsetzt
(37). Hildegard von Bingen wird gegen Thomas von Aquin ins
Feld geführt; aber die Autorin läßt z. B. auch eine beruhigende
Diskrepanz mittelalterlich-theologischen Denkens hervortreten:
Die franziskanischen Theologen sehen das Menschliche als etwas
Gesamtmenschliches, Frau und Mann ergänzen sich - außer in
der konkreten Geschlechtlichkeit (und ihrer Wertung angesichts
der Paradiesesehe) (47 ff.). Hingegen sammelt Herlinde Pissarek-
Hudelist eine Fülle feministischer Aussagen, wobei offensichtlich
einerseits Aussagen ernsthafter Wissenschaft und andererseits
Thesen, die einem Drang zur Selbstdarstellung entstammen, ineinanderfließen
. Gegenüber den Gedankenkonstrukten, die Daly
und Mulack präsentieren, hätten die von ernsthaften Theologinnen
vorgetragenen Thesen eine analytische Untersuchung verdient
. Vielleicht leidet die an sich dankenswerte Darstellung
unter einigen klischeehaften Gesichtspunkten: Befreiung bedeute
den Mut von Frauen, sie selber zu werden (81)- aber jedes
Selbst, auch das „eigentliche", ist sozial vermittelt; woran miß'
sich die Selbstheit? Die Welt der Frauen sei ein Leben aus zweiter
Hand (94) - hier zwar auf die sexuelle Doppelmoral bezogen,
aber angesichts der langen sozialphilosophischen Diskussion um
die Entfremdung, die auch Männer betrifft, kaum zu verantworten
. Schließlich: Beziehungen statt Prinzipien sollten die Ethik
regieren (113) - in welche Richtung zielt dieser allzu allgemeine
(und damit „abstrakte") Aufruf?

Einen übersichtlichen Abriß der Wirkungsgeschichte der
Schöpfungserzählungen gibt Helen Schüngel-Straumann. Sie
sucht die Wirkungsgeschichte der Schöpfungserzählungen von
ihrem ursprünglichen Anliegen abzusetzen (124 ff). Gegenüber