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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 141-143 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Carr, Anne E. |
Titel/Untertitel: | Frauen verändern die Kirche 1992 |
Rezensent: | Althausen, Gudrun |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 2
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Systematische Theologie: Allgemeines Die Fraße nach dem "Platz" der Frauen in der Kirche löst
grundsätzliche theologische Fragen aus. Anne Carr benennt sie
Carr, Anne E.: Frauen verändern die Kirche. Christliche Tradi- im ersten Teil. Im dritten Teil ihres Buches werden sie ausführ-
tJon und feministische Erfahrung. Mit einem Vorwort von E. lieh von ihr behandelt. Dabei kommen neben den Fragen der An-
Moltmann-Wendel. Aus dem Amerik. von M. Reppekus. Gü- thropologie, des Gottesbildes, der Christologie und der Lehre
DM 29 80°hn '"°" S' 8 = GTB/SiebenStern 491 ■ Kart- von der Kirche auch Fragen christlicher Ethik ins Gespräch. Sie
setzt sich mit dem Begriff und der Beschreibung von Sünde ausser
Titel des Buches lockt zum Lesen und weckt Erwartungen einander und macht deutlich, daß und wie auf Grund ihrer anbei
Frauen und Männern, die sich mit „feministischen Erfahrun- ders gemachten Erfahrungen Frauen durch den männlich defi-
8er>" in bezug auf „christliche Tradition" befassen möchten; si- nierten Sünden-Begriff in der Theologie nicht eigentlich zu
eher auch bei Menschen, die an der Kirche, wie sie sie vorfinden, Verantwortlichkeit und „Tun des Willens Gottes" herausgefor-
leiden und sich Veränderungen wünschen. Widerspruch wird der dert werden.
Titel des Buches auslösen bei Frauen und Männern, die die Kir- Im zweiten Teil geht Anne Carr vor allem der Notwendigkeit
cne Tür eine fertige, gegebene und letztlich unveränderliche von Frauenforschung in ihren verschiedenen Feldern nach. Nur
Größe halten. nach geduldiger und eingehender Durchleuchtung der Vergan-
Der englische Titel des Buches "Transforminggrace" (verwan- genheit - auch der der Kirche! - auf der Suche nach den Erfah-
delnde Gnade) zeigt, daß es hier um sehr viel mehr als nur um rangen und Anteilen von Frauen könnte letztendlich eine wahr-
e'ne Verbesserung kirchlicher Strukturen geht. haft universale, inclusive Geschichtsschreibung - und daraus
Die amerikanische Theologin, die an der Divinity School der erwachsend eine neue Gestaltung der Zukunft aller Menschen -
Ur"versität von Chikago lehrt, endet ihr Buch mit dem Satz: möglich werden. Freilich, Frauenforschung darf, so Anne Carr,
« Somit sind der christliche Feminismus und die spirituelle Vi- nicht auf Dauer isoliert bleiben, genausowenig, wie auf den Version
, die er mit sich bringt, eine verwandelnde Gnade für unsere schiedensten Gebieten menschlichen Lebens und wissenschaftli-
eit " (268) eher Forschung länger die „menschliche" und die „männliche"
Anne E. Carr als katholische Theologin, die ausdrücklich und Norm zusammenfallen dürfen.
ewußt von diesem Standpunkt aus schreibt, sieht im Feminis- Wie schwer das durchzuhalten ist, wird im dritten Teil des Bu-
mus eine Herausforderung für das Christentum, aber zugleich ches deutlich. Hier legt Anne Carr vor allem ihre eigenen theolo-
»auch eine große Gnade, da die Kirche dadurch aufgerufen wird, gischen Erkenntnisse dar. Sie tut es mit viel leidenschaftlichem
nrer eigenen transzendenten Wahrheit, der tiefsten Bedeutung Engagement und doch mit großer Liebe zu ihrer Kirche und
1 rer Symbole, ihrer großartigen Tradition und der neuen Erfah- darum auch wieder behutsam. Sie gehört zu den Theologinnen,
rung von mehr als der Hälfte ihrer gläubigen Mitglieder gerecht die die Kirche radikal verändern möchten, aber in dieser Kirche
Zu werden." (11) ihre Heimat haben und behalten wollen. Darum kann und will
Die Autorin wendet sich damit keineswegs nur an katholische die Autorin keine abgeschlossene systematische feministische
Gerinnen und Leser, sondern möchte „ökumenische, Christ- Theologie vorlegen. Das würde auch ihrem Denkansatz wider-
k°ne Erfahrung" von Frauen mit kirchlichen Traditionen und sprechen. Sie bringt die zweifellos wichtigsten und frag-
'blischen Erkenntnissen in Verbindung und also ins Gespräch würdigsten Themen ins Gespräch, stellt ihren derzeitigen Ständigen
. Das geht alle an, die an diesen drei Komponenten in punkt dar und eröffnet damit das Weiterdenken.
lrgendeiner Weise engagiert sind. Schon bei der Frage nach der theologischen Anthropologie entAnne
E. Carr gehört zu den Theologinnen, die ganz bewußt in- scheidet sich viel. Werden Mann und Frau als polare Möglichkei-
"erhalb der Kirche solche „Gnade" richtig verstandener Tradi- ten des Menschseins gesehen, wobei dann volles Menschsein nur
eines Prozesses auf Zukunft hin, einer Transformation in der Komplementarität der Geschlechter deutlich wird; werblicher
Symbole in Gang setzen und fördern will. Ihre Kritik den Frauen immer noch und immer wieder als das „andere"
" "bekommenen Mustern und Bildern ist hart und deutlich - Geschlecht beschrieben...? All das hat seine Auswirkungen auf
er immer biblisch begründet und niemals vernichtend, son- unsere menschliche Befindlichkeit, aber auch auf unsere Vorstellt
Hoffnung weckend und Mut zum Mitdenken machend. lungen von Gott und auf die Möglichkeit der Beziehung von
Be- 3S vor'iegende Buch ist zusammengewachsen aus mehreren Frauen und Männern zu Jesus Christus.
^eiträgen, die in sich einen abgeschlossenen Gedankengang bie- Anne Carr geht den Wurzeln verschiedener theologischer An-
n- Dadurch sind im ganzen Wiederholungen unvermeidlich, thropologien nach, stellt unterschiedliche Positionen dar und
^s fure'üge Leser längend, insgesamt aber eher einprägend und plädiert selbst für eine transformative Anthropologie, die die
^ätigend wirkt. Vergangenheit ernst nimmt und eine echte, nicht festgelegte, Ver-
as Buch gibt, vor allem in der Einleitung und im ersten Teil änderung seitens feministischer Frauen und Männer anerkennt.
en sehr gut lesbaren, knappen und systematisch gegliederten In Zusammenhang der Suche nach weiteren Symbolen für Gott
rblick über Ansätze, Geschichte und Ziele bzw. Forschungs- möchte die Autorin die Erfahrungen von Frauen stärker einbezo-
g^bnisse von Feminismus und feministischer Theologie. gen wissen. Sie setzt sich dabei mit dem Begriff der „Macht" aus-
(je au Anne Carr in diesem Zusammenhang in der Frage nach einander, die sie als „Ermächtigung des anderen" verstanden
ztT Fassung zur Ordination den Brennpunkt aller Frage sieht, wissen will. Sie möchte zusammen mit möglichst vielen Men-
'st d n°C^ emma' deutlich ihren Ort in der Kirche. Interessant sehen „heute neue Metaphern für Gott" suchen, „die für unsere
Am ' Tielenc'imension der Auseinandersetzung mit dem Zeit die alle einbeziehende (inclusive), mitfühlende und leiden-
des Priesters und die Vision einer Kirche des Dienens im schaftliche Liebe Gottes zu seiner ganzen Schöpfung... wieder in
l3eei^nsatz zur immer wieder nach Positionen der Macht stre- Erinnerung ruft." (186)
du ,^'rcne- Protestanten können und sollten nicht denken, Alle Metaphern von Gott werden transportiert durch die Kir-
cj1 c 'e Zulassung von Frauen zum „Amt" sei die grundsätzli- che, jede Gemeinde, die einzelnen Christen. Darum ist unser
gen ^n^ra8e an die Kirche, ihre Geschichte und ihre Versuchun- Denken so wichtig für unser Handeln. Anne Carr stellt u. a. Gott
diese " Gegenwart!) gegenstandslos geworden. Gerade vor als Befreienden, als Freund und Freundin, als sich Beziehen-
WjgSe ^aPitel des Buches können uns „Evangelischen" zeigen, den, als Mitleidenden, als Zukünftigen und auch als Verborge-
Lös W'r °^ vom "Evangelium" entfernt sind - trotz der nen.
ng der Ordinationsfrage. Jedes Symbol kann falsch angewendet werden, keins ist an sich