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Ausgabe:

1992

Spalte:

131-132

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Brown, Peter

Titel/Untertitel:

Die Heiligenverehrung 1992

Rezensent:

Holze, Heinrich

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Seite 1

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131

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 2

132

Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters. Namens der
Monumenta Germaniae Historica hg. von H. Fuhrmann u. H.
M. Schaller. 46. Jg. Heft 1. Köln-Wien: Böhlau 1990. XXV,
335 S. gr.8°. 46. Jg. Heft 2. S. 336-774.

Horst Fuhrmanns Bericht über Fortschritte bei den Monumenta
Germaniae Historica (I-XXI) nennt Zahlen: „Während
im Jahrgang 1982 gegen 1400 Titel kritisch angezeigt wurden,
sind es 1989 fast 2300" (XVIII). Dafür stehen die Seiten 177-329
und 543-748 zur Verfügung. Genannt seien die 9 Aufsätze:

Rudolf Schieffer: Zwei karolingische Texte über das Königtum
(1-17); Letha Böhringer: Der eherechtliche Traktat im Paris. Lat.
12445, einer Arbeitshandschrift Hinkmars von Reims; Lorenz
Weinrich: Zwei Brieffragmente des Rather von Verona in Chi-
kago (48-59); Wolfgang Petke: Zur Herzogserhebung Lothars
von Süpplingenburg im Jahre 1106; Kurt-Victor Selge: Eine Einführung
Joachims von Fiore in die Johannesapokalypse (SS-
HI); Rolf Sprandel: Schwankende Geschichtsbilder. Die Kölner
Weltchronik (bis 1376) und die Weltchronik des Albert Stuten
(bis 1456) in ihrem historiographischen Umfeld; Josef Semmler:
Francia Saxoniaque oder die ostfränkische Reichsteilung von
865/76 und die Folgen (337-374); Hartmut Hoffmann: Grafschaften
in Bischofshand; Hans Eberhard Mayer: Ein unedierter
Originalbrief aus dem Heiligen Land von 1164/65 und die Herren
von Montfort-sur-Risle (481-506).

5 Miszellen sind zu registrieren: Martina Stratmann: Wer
weihte Hinkmar von Reims? (164-172); Tilmann Schmidt: Vom
Nutzen nutzloser Appellationen an ein allgemeines Konzil (173-
176); Heinz Löwe: Consensus-consessus. Ein Nachtrag zum
Streit um Methodius (507-516); Anette Hettinger: Zur Lebensgeschichte
und zum Todesdatum des Constantinus Africanus
(517-530); Claudia Märtl: Aus dem Umkreis Bernolds von Konstanz
(531-542).

Vervollständigt wird der Jahrgang durch Berichte der Pius-
Stiftung für Papsturkundenforschung im Jahre 1988/89 (330-
333) sowie über Fortschritte bei der Germania Sacra 1989/90
(334 f.).

G. H.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Brown, Peter: Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion
in der lateinischen Christenheit. Übers., bearb. u. hg. von
J. Bernardt f. Leipzig: St. Benno 1991. 156 S. 8°. Kart. DM
29,80.

Dieses in amerik. Originalausgabe 1981 erschienene Buch ist
die erweiterte Version der 1978 in Chicago gehaltenen „Haskeil
Lectures", in denen B. einen vorzüglich geschriebenen und überzeugenden
„Deutungsversuch" (11) der Entstehung, Instrumentierung
und Funktion der christlichen Heiligenverehrung in
ihrem sozialen, politischen und ökonomischen Kontext vorlegt.
Ausdrücklich beschränkt sich B. in seiner Darstellung auf die lat.
sprechenden Länder des Mittelmeerraums in der Zeit der Spätantike
. Das Thema seiner Untersuchung, „die Vereinung von
Himmel und Erde" sowie „die Rolle, die tote Menschen bei dieser
Vereinung spielen", entfaltet B. in sechs Schritten. Zunächst
wendet er sich gegen das seit David Hume (The Natural History
of Religion) verbreitete „Zwei-Schichten-Modell", nach dem
sich die bedeutsame rel. Erfahrungeines Volkes auf die seiner geistigen
Führungsschicht beschränkt, während die alltägliche rel.
Aktivität eines Volkes in den Bereich volkstümlichen Aberglaubens
verwiesen wird. Stattdessen bezeichnet B. die Heiligenverehrung
„als unsicher schwankendes Voranschreiten eines wachsenden
Teils der spätantiken Gesellschaft zu völlig neuen Formen
der Verehrung, die man neuen Objekten an neuen Orten
entgegenbrachte." (14ff) B. erläutert dies am Spannungsfeld zwischen
Familie und Gemeinschaft: der Brauch, Festmahle an Heiligengräbern
zu halten, oder die Sitte, Verstorbene in der Nähe
von Märtyrern zu bestatten, zeige eine „Privatisierung des Heiligen
", der die Bischöfe durch eine Verbindung der Reliquien mit
der Gemeindekirche entgegengetreten seien - ein Vorgang, den
B. vom spätröm. Patronatsdenken her deutet und auch zu dem
wachsenden Wohlstand der Kirche in Beziehung setzt (33ff). B.
gibt zwei Deutungen des Heiligenkults. Zum einen gewährleiste
der Heilige als „der unsichtbare Begleiter" eine den Tod überdauernde
Indentität des Ich und gebe in einer von Sünde und Gerichtsangst
geprägten Welt Hoffnung auf Amnestie und Straferlaß
(56ff). Zum anderen seien der Märtyrer und die sich um sein
Grab rankenden Heilungswunder greifbarer Ausdruck dafür, daß
ein Hauch von Auferstehung bereits in die Gegenwart rage (72ff)-
Abschließend stellt B. als wesentliche Momente der Heiligenverehrung
die „praesentia" (87ff) sowie die „potentia" des Heiligen
(104ff) heraus: in der Reliquie werde nicht nur die vergebende
und heilende Macht Gottes erfahrbar. In der Übertragung von
Reliquien spiegele sich auch die Sehnsucht nach einer idealen
Einheit der Kirche wider. Insgesamt eröffnet B. in seiner Untersuchung
, die auch in der dt. Übers, die bisweilen ironische
Leichtigkeit des Englischen erkennen läßt, eine Fülle von neuen
Einsichten. Der Leser wird, wie bereits die Hörer der Lectures,
reich belohnt.

Osnabrück Heinrich Holze

Cooke, Bernard J.: The Distancing of God. The Ambiguity of
Symbol in History and Theology. Minneapolis: Fortress Press
1990. VIII, 381 S.gr.8°.

Coole (= C), der vornehmlich auf dem Gebiet der"sacramen-
tal theology" arbeitet und als Autor des 1976 erschienenen
Buches Ministry to Word and Sacrament hervorgetreten ist, legt
mit diesem Werk eine systematische Studie über einen Aspekt
des religiösen Symbolismus vor, nämlich die Frage, inwieweit
dieser in den letzten 2000 Jahren dazu beigetragen hat, Gottes
Gegenwärtigkeit bzw. seine "distancing" im Bewußtsein der
Christen zu bewirken (vgl. 6. 184). (Ich übersetze das englische
Wort "distancing" bewußt nicht, weil es m.E. in diesem Zusammenhang
nicht adäquat ins Deutsche übertragbar ist. "Distancing
" meint hier soviel wie „Entfernung" im Sinne von „in die
Ferne rücken".)

Das Buch ist klar in zwei Teile gegliedert. In Teil 1: "History
and theology" (1-257) versucht C, die Geschichte des Christentums
neu zu schreiben mit Blick auf die "distancing" Gottes; in
Teil 2: "Ambiguity of symbol" (259-368) versucht er sodann, Erkenntnisse
der Anthropologie, der modernen Psychologie, der
Linguistik und der Literaturkritik fruchtbar zu machen für unser
Verständnis und unsere Pflege des religiösen Symbolismus (7).

Zum I.Teil: Ich kann hierC.s „Geschichtstheologie" nicht im
einzelnen nachzeichnen, sondern muß mich auf die wichtigsten
und interessantesten Aspekte beschränken. - Während die erste
Generation des Christentums Gott als Abba erfährt, der nicht
entfernt „im Himmel" wohnt, sondern immanent ist als personaler
Gott - Jesu Abba-Erfahrung ist hier grundlegend (vgl. 9-1
200 -i beginnt schon sehr früh (ca. um 200 n.Chr.) eine zweifache
"distancing" Gottes: Die eine Form kommt aus jüdischreligiösen
Wurzeln, die andere aus der griechischen Philosophie
(29). Der jüdische Einfluß bewirkt eine "distancing" im Bereich
des Rituellen; der griechische im Bereich des Doktrinalen (35)-
Und schon bald kommt eine dritte Form der "distancing" hinzu:
die instutionelle; offizielle Strukturen etablieren sich, die christliche
Gemeinschaft wird organisiert (56). Auch die aufkommenden
christologischen und trinitarischen Auseinandersetzungen