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Ausgabe:

1992

Spalte:

129-130

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lohmer, Christian

Titel/Untertitel:

Heremi conversatio 1992

Rezensent:

Haendler, Gert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 2

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sprechen kann. K. Flasch bestreitet das vehement (wie übrigens Die Regensburger Dissertation von 1988 betreute Kurt Rein-
vor allem für M. Eckhart) 3 - ausgehend von der dionysischen dei, der die Briefe des Petrus Damiani neu edierte (ThLZ 116,
Wortbestimmung. Nur kommen wir nicht umhin: NvK ge- 1991, 195 f.). Die Arbeit fragt nach den Regelvorstellungen Da-
braucht den Begriff und gibt in „De visione Dei" die von den mianis. Die Benediktinerregel ordnet das Zusammenleben der
Tegernseer Mönchen erbetene Einführung in die mystische Theo- Mönche, empfiehlt in Kapitel 73 aber auch „die Lektüre der
•ogie. Er will darin „ das sich über jedes sinnliche, verstandesmä- Väterschriften und -regeln " (2). Daraus konnte ein Freiraum ent-
ßige und einsichthafte Sehen" offenbarende Wunderbare darle- stehen: „Einzelne Klosterbrüder erhielten vom Abt die Erlaubgen
und „auf dem Wege der Erfahrung in die allerheiligste nis, als Einsiedler in größerer Entfernung vom Kloster oder als
Dunkelheit" hineingeleiten (De vis., n. 1). Haubst weist darauf Inklusen bzw. Reklusen in einem abgeschlossenen Raum beim
hin, daß für NvK nicht die Schablone „eines introvertierten und Kloster zu leben" (5). Es gab „eine Gruppe von Mönchen, die als
»> seinem Inneren nur Gott und dem Jenseits zugewandten My- Eremiten eine Gemeinschaft bildeten" (6); für sie begeisterte
stikers" paßt, er verbindet vielmehr auch in seiner Person selbst sich Petrus Damiani. „Man diente nur Gott und gehorchte gött-
Beschaulichkeit und aktives Leben (325, 328). NvK spricht (trotz liehen und nicht menschlichen Geboten. Außerdem waren die
der Einleitung zu De visione Dei) nie von eigenen mystischen Er- Zwänge des Gemeinschaftslebens auf ein Mindestmaß redu-
fahrungen. Vielmehr: Christus ist uns zur Offenbarung der Weis- ziert" (7). Vorbilder fand man in der Bibel: Elias, Elisa, Jeremia
heit und Liebe Gottes Mensch geworden, nur „durch Leiden und und Johannes der Täufer (8).

im Menschen Christus" kann einer Gott finden (333). Mit Ps.- Einflußreich waren die italienischen Eremiten Nilus und Ro-
Dionysius begreift er mystische Theologie als „ in das Dunkel ein- muald: „ Askese bedeutete für sie, ähnlich wie für die frühen iri-
treten"; der Mensch wird dann Gott erfahren als ein „Dunkel, sehen Mönche und ihre peregrinatio pro amore Dei, unter an-
das Licht ist", dem das „Verkosten der höchsten Güte und derem den Verzicht auf eine weltliche Heimat, hatten sie doch
Liebe" Gottes folgt (343 f.). NvK ist stark von Eckhart beeinflußt eine geistige im dauernden Ringen mit den Ablenkungen der
und wendet sich mehrfach dem Thema der Gotteskindschaft zu Welt und in den letzten Hoffnungen auf eine baldige Heiligwer-
(vgl. bes. 402-416). Wenn NvK von der Gottesgeburt in der Seele dung" (17). Petrus hat Romuald nicht gekannt, schrieb jedoch
bricht, dann doch so, daß er - mit vielen mittelalterlichen Theo- spätestens 1042, also 15 Jahre nach dessen Tode, eine Vita Rödgen
- die dreifache Geburt des Wortes bzw. Sohnes Gottes un- muald, „eine Hauptquelle zur Ausprägung der eremitischen Beterschied
(ewig in Gott, zeitlich bei der Inkarnation, gnadenhaft- wegung" (21). Lohmer betont, daß es keinen Widerspruch zur
geistig in der Seele). In „De visione Dei" spricht NvK von der Benediktincrregel gab, „vielmehr bildete das Leben in Einsam-
» Mauer der Koinzidenz", dem Ineinsfall all dessen in Gott, „was keit nach der Auffassung der Eremiten um Romuald und Petrus
in der Weltwirklichkeit und in unserem Denken immer nur als Damiani die Vollendung der Regel des bedeutendsten westlichen
verschieden oder auch als gegensätzlich auseinandertritt" (351). Mönchsvaters" (35).

4- Eingehend auf L. Hödls und meine 4 Anfrage beim Cusanus- Damiani war in Cluny, wo ihm die zu großen Essensrationen

Symposion 1986 legt Haubst dar, daß auch NvK eine „ ,ausführli- mißfielen, seine Kritik war vergeblich (47). L. spricht von einer

che theologia crucis entwickelt', die ,in die Tiefe des Sinnver- „respektvollen Ablehnung" Damianis gegenüber Hugo von

ständnisses des Kreuzes' als Zeichen ,der Liebe Gottes', die ,zur Cluny (52). „Noch schwieriger ist eine Wirkung von Montecas-

Er'ösung des Menschen' führte, hinweise" (402f). Haubst veran- sino auf Petrus Damiani nachzuweisen" (53). Die Konzeption

Schaulicht das an einer Karfreitagspredigt von 1457 (416ff), wie Damianis war „neuartig" (54); doch wird vor allem der enge Zu-

■|a überhaupt ohne Beachtung des cusanischen Predigtwerkes sammenhang mit der Benediktinerregel betont. Damianis Briefe

üt,er seine Theologie gar nicht gültige Aussagen gemacht werden enthalten mehr als 25 Zitate aus der Regel (56), vor allem aus

können. dem „letzten Lebensjahrzehnt von Petrus Damiani" (58). Eine

DerRez. ist immer wieder erstanunt darüber, welche Fülle von Analyse (63-81) führt dazu, daß sogar der benutzte Regeltext

Gedanken NvK vor uns ausbreitet. Ob nicht etwa seine Gedan- vermutet werden kann: „Somit kann man sagen, daß Petrus Da-

ken zur „analogia Trinitatis" und zur Gotteskindschaft von uns miani spätestens ab April 1051, der Abfassungszeit von Brief 38,

heute aufgegriffen und verarbeitet werden sollten - in einer be- die Benediktregel aus Verona oder noch wahrscheinlicher aus

Scheidenen Weisheit des Nichtwissens? Haubsts Streifzüge laden Faenza benutzt hat". Aber auch Abweichungen sind greifbar;

dazu ein, vielfältig Entdeckungen im Denken des NvK zu ma- Damiani hat sich immer nur als „ Prior" bezeichnet, nicht als Abt

chen. Dafür sei ihm gedankt. (95).

Für Damiani waren „Zusatzleistungen" von Bedeutung, „die

Freiberg Karl-Hermann Kandier in der Regel Benedikts nicht vorgesehen waren" (102). So muß

L. auch sagen: „Damiani ging in jeder Hinsicht über das
von Benedikt vorgegebene Maß hinaus, aber seine Verschärfun-

, gen des sonst in Klöstern Üblichen entsprang nun einmal ganz

K.-h. Kandier, Nikolaus von Kues als Theologe, ThLZ, 115, 1990, def Wesensart der Eremiten" (105). Jedenfalls bleibt „die regula

2 , _ . Benedicti die einzige nachweisbare Quelle zu den eremitischen

MOnsteX™^ Vorstellungen Damianis" (.09). Das Kapitel „Petrus Damiani

987- 166f; ders Das philosophische Denken im Mittelalter. Stuttgart, es gibt kein deutliches Zitat (112-123). Damian, selbst wollte

1986, 78f, 543 keine „ Regel mit Gesetzescharakter" geben. „ Das war der Bene-

4 Corrigcndum: Dem Rez. fällt es natürlich auf, wenn sein Vorname mit dicti regula vorbehalten" (134). Petrus Damiani wird als „Rc-

em seines Bruders verwechselt wird (K.-H., nicht H.-J.). Der Seitenver- formbenediktiner" bezeichnet. Damit steht er aber in einem grö-

We's muß richtig lauten: 222 (402,608). ßeren Zusammenhang: „ In eine ähnliche Richtung zielten kurz

darauf die Karthäuser und die Zisterzienser, die sich ebenfalls

Lohn, ^, , „ auf die ursprüngliche Bedeutung der Benedikt regel zurückbesan-

S' vnStTUHCT!,m £onversat.o. Studier, zu der, mona- altbewährten Tradition neue Impulse abzugewinnen

fischen Vorschriften des Petrus Damiani. Munster: Aschen- u

dorff i99i XXV, 149 S. gr. 8° - Beiträge zur Geschichte des versuchten (115).
a'ten Mönchtums und des Benediktinertums, 39. Kart. DM

64,-. Rostock Gert Haendler