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Ausgabe:

1992

Spalte:

121-122

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bruce, Frederick F.

Titel/Untertitel:

Außerbiblische Zeugnisse über Jesus und das frühe Christentum 1992

Rezensent:

Haufe, Günter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 2

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Sehen im Sinne des Glaubens und beide betonen, daß das JoEv aus dem Qumran-Schrifttum, aus den Testamenten der zwölf

wn Dialog mit seiner religiösen und philosophischen Umwelt ein Patriarchen und aus den Psalmen Salomos werden unter der

spezifisch christliches Zeugnis ablegt. Überschrift „Vorbereitung auf den Messias" angefügt. Als inner-

Während Bultmann den religiösen Hintergrund der Offenba- christliche Zeugnisse folgen Agrapha, das Papias-Zeugnis, die

nangsreden stark in den mandäischen Texten sucht, wo er auch apokryphen Evangelien, vollständig das koptisch-gnostische

das Vorbild für die Gestalt des Parakleten sieht, ist Barrett, der in Thomasevangelium, Pap.Ox 840 und Egerton-Papyrus 2 -

der Tradition der englischen Forschung (C. H. Dodd) oft auf die warum nicht eigentlich auch apokryphe Paulusbriefe und Apo-

Hermetica hinweist, in seinem globalen Urteil viel zurückhalten- Stelgeschichten? Selbst der von M. Smith 1958 im Kloster Mar

der. Er berücksichtigt auch schon die Qumrantexte, aber betont Saba gefundene und von B. für echt gehaltene Brief des Clemens

die Eigenartigkeit derjohanneischen Begrifflichkeit. von Alexandrien mit dem Zeugnis über „das geheime Evange-

Im Unterschied zu der Tendenz, die literarischen Vorstufen lium nach Markus" fehlt nicht. Zwei Kapitel über „Jesus im

des JoEv zu suchen, die z. B. R.T. Fortna (Zeichen-Quelle) oder Koran" und „Jesus in der islamischen Tradition" beschließen

H. Thyen (vorredaktionelles JoEv) repräsentieren, ist B. nicht die außerbiblischen Schriftzeugnisse. Ein letztes Kapitel bietet

nur gegenüber der Hypothese einer Sammlung der Offenbarungs- „das Zeugnis der Archäologie" auf (Papyri, Münzen, Inschriften

reden, sondern auch gegenüber der Voraussetzung einer Zeichen- in Auswahl). Natürlich handelt es sich auch hier wie schon teil-

Quelle und der Hypothese einer Vertauschung der Seiten des ur- weise zuvor nicht im strengen Sinn um „Zeugnisse über Jesus

sprünglichen Manuskripts skeptisch (Kap. 21 hält er wohl für und das frühe Christentum".

einen späteren Zusatz). Einige Fragen bleiben dann unbeantwor- Alle zitierten Texte werden nach Inhalt und Vf. zuverlässig

tet- kommentiert. Jedem Kapitel ist weiterführende Spezialliteratur

Ahnlich wie Bultmann widmet er noch einige Aufmerksamkeit angefügt; am Ende folgt eine Liste moderner Übersetzungen der

dem kirchlichen und sozialen Milieu des johanneischen Kreises zitierten Texte.

und beschäftigt sich auch ein wenig mit der literarischen Struktur Im „ Epilog" versichert B., daß es ihm nicht darum ging, „ die
des JoEv. Historizität Jesu oder die Zuverlässigkeit des biblischen Zeugnisse
Johannesbriefe hält B. für eine vereinfachte spätere Ge- ses über die Ursprünge des Christentums... nachzuweisen". Das
stalt derjohanneischen Theologie - eine übliche Annahme, die weithin legendäre Textmaterial bezeuge aber den zunehmenden
Georg Strecker jedoch in derselben Kommentarreihe (Die Jo- Einfluß" Jesu und seines Werkes innerhalb und außerhalb des
hannesbriefe 1989) in Frage gestellt hat. frühen Christentums. Diesem bescheidenen Zweck vermag das

Der Kommentar hat eine deutliche, im Ganzen immer noch Buch in der Tat auf nützliche Weise zu dienen,
aktuelle theologische Linie, bietet viele Informationen, ist über-

S'chtlicher als die anderen modernen großen Kommentare zum Greifswald Günter Haufe
JoEv, und seine Lektüre ist inspirierend - kurzum ein schon klassisches
Werk.

Prag PetrPokorny Gnilka, Joachim: Jesus von Nazaret. Botschaft und Geschichte.

Freiburg-Basel-Wien: Herder 1990. 331 S., 8 färb. Taf. gr.8° -

Bruce, F. F.: Außerbiblische Zeugnisse über Jesus und das frühe Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament,

Christentum. Hg. von E. Güting. Aus dem Engl, von J. Geitz, Suppl. 3. Lw. DM 70,-.
E- Güting, J. Volkert. Gießen-Basel: Brunnen 1991. 190 S.

gr.8°. Die Stimmen derer, die aus historischen oder theologischen

Gründen eine Rekonstruktion der Verkündigung Jesu für un-

Die englische Originalausgabe dieses Buches ist bereits 1974 möglich halten, finden zur Zeit nicht viel Resonanz. Eher neh-

erschienen, hat aber, wie der deutsche Hg. im Vorwort bemerkt, men sich heute zuviele der Gestalt Jesu von Nazaret innerhalb

»bisher bei uns wenig Aufmerksamkeit gefunden". Ob die deut- und außerhalb des Christentums an, um ihn zum Vorläufer oder

Sehe Fassung nun mehr Beachtung finden wird, bleibt abzuwar- zur Integrationsfigur für zeitgenössische Programme zu machen.

ten, auch wenn es sicher richtig ist, daß eine derart „allgemein- In dieser Lage hat ein neutestamentlicher Exeget die Verantwor-

Verständliche und auch für den Nichteingeweihten leicht tung wahrzunehmen, sein fachliches Wissen so zu präzisieren

Zugängliche Bearbeitung des Themas" bis jetzt in Deutschland und verständlich darzustellen, daß die Stimme sachlicher und hi-

nicht vorliegt. Der gewisse Nachteil des Buches ist, daß es unter storischer Solidität nicht untergeht. Wer diesem Urteil zustimmt,

dem weiten Oberbegriff „außerbiblische Zeugnisse" Beiträge aus wird gern zu Gnilkas Werk greifen. Es tritt nicht mit markt-

drei sehr unterschiedlichen Bereichen bringt: außerchristliche schreierischer Pose oder extravaganter Attitüde auf. Es will nüch-

~eugnisse, innerchristliche Zeugnisse und Zeugnisse aus der tern das historisch Verläßliche erörtern und dies verstanden wis-

. niwelt, die Einzelfragen des Neuen Testaments beleuchten. So sen als eine „Hinführung zu dem, der für uns Christen der

ls* ein sehr bunter Strauß entstanden, dessen Auswahl fast ver- Maßgebende schlechthin ist" (7).

*'rrend wirkt. Sie beginnt mit dem Zeugnis antiker heidnischer Damit ist schon angedeutet, daß der Autor die Rückfrage nach

Tutoren (Sueton, Tacitus, Plinius/Trajan, Thallus bei Julius Afri- Jesus theologisch für notwendig hält: „Der Exeget vermag mit

Canus, Mara bar Serapion). In das Zeugnis des Josephus wird seiner historischen Arbeit nicht verbindliche Glaubensinhalte

auch der sekundäre Text über Jesus (Antiquitates XVIII 630 auf- herauszustellen", wohl aber „eine aufzeigbare Kontinuität mit

benommen, für den B. freilich mit einer kürzeren echten Urform ihren Entwicklungen, Entfaltungen und Spannungen zu gewin-

rechnet. Beachtung finden ebenso die späten christlichen Ein- nen". Er vermag „erste Richtungen zu beschreiben, die mit" Jesu

Schübe im slawischen Josephus, von denen es freilich heißt, daß „Wort und Werk weitergetragen werden, erste Deutungen, die

le „nicht als zeitgenössische oder nahezu zeitgenössische Zeug- sich an seine Person und sein Wort heften" (21f). So wird das

n|sse für die Ursprünge des Christentums verwendet werden" Jesusbuch zu einem Aspekt der Christologie und Soteriologie.

. nnen (83). Ausführlich kommen die rabbinischen Zeugnisse Gnilka löst dies auf besondere Weise auch ein: Er versucht, mit

er Jesus, Maria und die Judenchristen zu Wort. Mit J. Klaus- knappen Ausblicken zu jedem Abschnitt die Wirkungsgeschichte

°er hält B. sogar ein Paulus-Zeugnis für möglich. Selbst der spä- eines Teilaspekts seiner Darstellung als „Kontinuität in der Dis-

pfe Verzicht der Rabbinen auf die messianische Deutung von kontinuität" (7) konkret aufzuweisen. Dieses Darstellungskon-

Sl'0,l wird als indirektes Zeugnis geltend gemacht. Texte zept ist sicher wirkungsvoller, als wenn - wie es sonst gern ge-