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Ausgabe:

1992

Spalte:

955-956

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Rose, Christian

Titel/Untertitel:

Die Wolke der Zeugen 1992

Rezensent:

Rose, Christian

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Seite 1

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955

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

956

Die westkirchliche Theologie betont, daß Gott, wie er an sich
ist, nicht anders als Gott ist, wie wir ihn in seinen Tätigkeiten erfahren
. Man postuliert eine axiomatische Identität der inneren
und der ökonomischen Trinität. Die ostkirchliche Theologie unterscheidet
zwischen Gott an sich (die Überessenz Gottes) und
Gott, wie wir ihn in seinen Tätigkeiten erfahren (die Energien
Gottes). Die beiden Auffassungen werden in dieser Arbeit das
Identitätsprinzip und die Energielehre genannt und ins Gespräch
gebracht. Im ersten Kapitel werden die beiden Auffassungen jeweils
in ihren eigenen dogmengeschichtlichen Kontext gestellt.
Im zweiten Kapitel wird über das Identitätsprinzip sowie über
die Energielehre in der Theologie des 20. Jh.s referiert (K. Barth,
K. Rahner, G. Florowskij, W. Losskij), und zwar in bezug auf die
Trinitätslehre und die Begriffe der Schöpfung und Neuschöpfung
. Im dritten Kapitel werden einige kritische Fragen diskutiert
, die in Verbindung mit den beiden Auffassungen auftreten.
Ergebnisse: Es wird behauptet, daß die beiden Auffassungen an
sich und Tür sich kohärent sind, verschiedene historische und
theologische Anliegen im Osten und im Westen aber widerspiegeln
. Obwohl die beiden Auffassungen gegenseitig unversöhnbar
zu sein scheinen, ist eine grundlegende gemeinsame Absicht zu
entdecken. Die Energielehre bietet uns einige praktische Vorteile.
Darum wird am Ende eine mögliche ökumenische Energielehre
skizziert.

Rose, Christian: Die Wolke der Zeugen. Eine exegetisch-
traditionsgeschichtliche Untersuchung zu Hebräer 10,32-
12,3. Diss. Tübingen 1989. 398 S. u. Literaturverzeichnis.

Die Untersuchung erörtert, ausgehend von Hebr 10,32-12,3,
einige der zahlreichen Probleme, die sich der Auslegung bei der
Beschäftigung mit der unter der Überschrift Flpöq 'Eßpcu'ouq
überlieferten urchristlichen Predigt stellen.

Der erste Hauptteil untersucht die Komposition desA-öyoi; xfjg
KapaKXraea)q (13,22). Grundlegend hierfür sind sprachlich-
formale und sachlich-inhaltliche Gliederungskriterien. Als sachlich
bestimmend erweist sich die im Exordium (1,1-4) programmatisch
vorangestellte und in allen drei Hauptteilen des Hebr
(1.1-4,13; 4.14-10,32; 10,32-12,29) entfaltete „Wort-Gottes-
Theologie*' des Verfassers und die damit einhergehende Gegenüberstellung
der „ersten Ordnung" und der mit Christus beginnenden
„neuen Ordnung"; Gottes Wort erging einst an die Väter
vielfach und auf vielerlei Weise durch die Propheten; in dieser
Endzeit abschließend und unüberbietbar an „uns" im Sohn. Die
an den Vätern negativ (3,7-4,11; 12,160 und positiv (3,1-6;
6.12f: 11,4-38) veranschaulichte Haltung gegenüber dem göttlichen
Verheißungswort dient der Paränese, die vor dem Abfall
warnt und zum treuen Feststehen ermuntert. Der unzulängliche
levitische Kult konnte das eschatologische Heil nicht erwirken.
In Person und Werk des präexistenten und menschgewordenen
Sohnes und himmlischen Hohenpriesters jedoch vollzog sich -
alllererst und endgültig - die Eröffnung des Zutritts zum Thron
Gottes. Darin gründet auch die zuversichtliche Gewißheit auf
Heilsvoliendung, die der Hebr der angefochtenen und glaubens-
müden Gemeinde in Worten tröstlicher Ermahnung zuspricht.
Diesem Anliegen dienen theologische Darlegung und Paränese in
gleicher Weise. Ohne Christologie wäre die Paränese grund-los;
ohne Paränese wäre die Christologie zweck-los. Dieses Gleichgewicht
beider Genera zeigt auch der Abschnitt 10,32-12,3.

Diesem Abschnitt wendet sich der zweite Hauptteil der Arbeit
zu. In dem für den Lehrstil der jüdisch-hellenistischen Synagoge
charakteristischen Paradigmenkatalog bedingen sich theologische
Darlegung (11,1-40; 12,20 und paränetische Schlußfolgerungen
(10,32-39; 12,1-3). Dabei komponiert derauetorad He-
braeos seinen „tractatusde fide" derart feinsinnig, daß die häufig
geäußerte These, der Verfasser habe auf eine oder gar auf zwei

Vorlagen zurückgegriffen, zumindest für 11,4-31 nicht verifiziert
werden kann. Vielmehr erweist sich der Verfasser als schrift-
und traditionskundiger Theologe, der eigenständig und wohlüberlegt
auf die ihm vorgegebenen Überlieferungen des Alten Testaments
und des antiken Judentums Bezug nimmt, um damit
sein in 11,1 umschriebenes Glaubensverständnis für die heidenchristlichen
Adressaten zu explizieren (11,2-38).

Die Studie widerspricht mit Hilfe eines Vers für Vers durchgeführten
traditions- und religionsgeschichtlichen Vergleichs der
These, der Hebr alteriere jüdisch-apokalyptische Ansichten
durch Theologumena, die dem platonisch-dualistisch geprägten
Denken des hellenistischen Judentums entstammten. Weder
Hebr 11,1 noch Hebr 11,3 (Schöpfungsglaube) noch Hebr 11,1 Off
(Weltbild) noch Hebr 1 l,39f (Eschatologie) lassen Einflüsse phi-
lonisch-platonischen Denkens erkennen. Abgesehen von Hebr
11,6b, wo sich die größte sachliche Nähe stoisch-philonischer Religionsphilosophie
erkennen läßt, ohne daß jedoch von einer philosophischen
Überfremdung gesprochen werden könnte, zeigt
der Hebr keine Berührungen mit dem platonisch-philonischen
Dualismus. Die üblicherweise mit dem Theologumenon des
wandernden Gottesvolkes verbundene Vorstellung von der Himmelsreise
der Seele kann im Hebr nicht nachgewiesen werden.
Vielmehr zeigt der Hebr in dem für sein Weltbild gewichtigen
Vers 11,10 - Abraham wartete auf das Offenbarwerden der
eschatologischen Heilsgüter -, daß es ihm um das auf die Heilsvollendung
wartende Gottesvolk geht. In der Sache ist der Hebr
in vielerlei Hinsicht dem apokalyptischen Judentum verpflichtet
. Diesem Befund widerspricht auch nicht die vermeintlich hellenistische
Sprache. Wohl verwendet der dem Sprach- und Kulturkreis
Alexandriens entstammende Verfasser Begriffe, die im
griechisch-hellenistischen Milieu beheimatet sind, er spricht aber
nicht die damit üblicherweise assoziierte Sprache. Um dem umstrittenen
Form-Inhalt-Problem umfassend gerecht zu werden,
muß beim Vergleich der einzelnen Motive der Kontext der zu
vergleichenden Texte beachtet werden. Der aber spricht ganz eindeutig
gegen einen Einfluß des platonisch-philonisch geprägten
Dualismus.

Die den Hebr bestimmende „Wort-Gottes-Theologie" prägt
auch sein dem Alten Testament und dem antiken Judentum verpflichtetes
Glaubensverständnis. Der Glaube wird verstanden
als das objektive Überführtsein von der Realität der in der himmlischen
Transzendenz bei Gott bereitstehenden Heilsgüter. Den
Glaubenden ist im göttlichen Verheißungswort zugesagt, daß sie
am Tag der Heilsvollendung die Heilsgüter empfangen werden.
Der göttlichen Zusage der Heilsvollendung entspricht - als Folge
des Überführtsein - auf Seiten des Menschen das unbeirrbare
Feststehen bei diesem Verheißungswort bis zum nahe bevorstehenden
Tag der Wiederkunft Christi. Daß die Naherwartung für
die Eschatologie des Hebr eine gewichtige Rolle spielt, kann angesichts
so zentraler Stellen wie 9,28; 10,25 und 10,37 nicht fraglich
sein.

Das exegetisch-theologische Gesamtergebnis der Untersuchung
lautet: Der Glaube als menschliche Haltung ist die subjektive
Voraussetzung des eschatologischen Heils und bezeichnet
den Modus der Heilserlangung. Er allein - und damit wird jeder
Verdienstgedanke und jede Konnotation zu philosophischen Tugendlehren
ausgeschlossen - stellt die angemessene Re-actio auf
Gottes in Jesus, dem Sohn und himmlischen Hohenpriester, vollzogene
actio dar. Dieses Heilshandeln Gottes in Christus hat als
objektive Voraussetzung die nahe bevorstehende Vollendung allererst
- aber auch endgültig - ermöglicht.

Schnabel, Wolfgang: Das geistliche Bläserwesen. Herkunft und
Auftrag der evangelischen Posaunenchorarbeit in Deutschland
. Diss. Tübingen 1990. 276 S.