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Ausgabe:

1992

Spalte:

954-955

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Reid, Duncan

Titel/Untertitel:

Die Lehre von den ungeschaffenen Energien 1992

Rezensent:

Reid, Duncan

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

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sammen. dem sich die Gruppe verpflichtet weiß. Taize spielt
ebenfalls eine Rolle in diesem Sinn. Da ist dann vom Klima (60)
die Rede oder von einer Umgebung, die zum Bruch tendiert (50),
aber eben auch von einer Einstellung, die dem ökumenischen Anliegen
förderlich ist. Ihr sollen die Beiträge im Sinne einer realistischen
Sicht dienen. Die Bedeutung solcher Betrachtung erhellt
etwa der Begriff „clivage" (60ff). mit dem Unterschiede in Haltungen
. Prinzipien und Methoden erfaßt werden, obschon es sich
um sehr subtile Nuancen handelt. Diese „clivages" geben etwa
dem Thema Kirche und seinen Aspekten Richtungen, die zur
Spaltung oder zur Einigung tendieren. Traditionell hingegen ist
die Annahme von Mißverständnissen (vgl. 93; 119) oder der Ausgang
vom „principe d'incarnation" (116), das in der katholischen
Theologie Frankreichs seit dem Zweiten Weltkrieg eine bestimmende
Rolle gespielt hat. Das Thema der Sakramentalität
liegt damit auf dem Tisch, wird aber durch eine innere Verbindung
mit der Rechtfertigungslehre verdeutlicht und ökumenisch
zugänglich gemacht (113) bis zur Aussage: »l'economie sacra-
mentelle est la celebration ecclesiale de la justification par la foi«
(125). Die umfänglich beschriebene Frage nach einer möglichen
Grunddifferenz wird entsprechend der Grundeinstellung nicht
in jener Schärfe aufgegriffen, die sie sonst charakterisiert, aber
auch nicht einfach abgewiesen. Begriffliche Unterscheidungen
sollen auch hier Möglichkeiten offenhalten. Überhaupt finden
Rede- bzw. Sprechweisen, Begriffe und Ausdrücke immer wieder
besondere Aufmerksamkeit als unmittelbares Umsetzungsfeld
haltungsmäßiger Einstellungen. Die Argumente möchten in
jedem Fall einer »dynamique de conversion« (418) dienen, auch
wenn darum fortbestehende Schwierigkeiten nicht geleugnet sind
(vgl. etwa 371). Aber das ökumenische Engagement überwiegt.

Hierin dürfte der größte Wert der Sammlung liegen, daß sie in
einer Zeit ökumenischer Resignation den Mut, auf diesen Wegen
weiterzugehen, und die Notwendigkeit, es zu tun, entschieden zu
fördern sucht. Damit dient die Veröffentlichung auch den weltweiten
Dimensionen des Christentums heute, die vielfach wieder
zurückzutreten drohen, noch ehe ihre volle und unverzichtbare
Bedeutung überhaupt richtig ins christliche Denken und Leben
vorgedrungen ist. Sollte das gerade in einem Aubenblick der Fall
sein, wo die äußeren Bedingungen wirksame Schritte zu einer
echten Weltökumene ermöglichen und erfordern, wäre das umso
tragischer. Die französische Sicht der Ökumene mag anderswo
manchem als etwas einfach vorkommen, vielleicht auch als zu
idealistisch und hoffnungsvoll. Die angeschnittenen Fragen, die
genannten Voraussetzungen und Bedingungen sowie die vorsichtigen
Ausblicke bleiben nichtsdestoweniger treffend. In diesem
Sinn könnte der Band Anregungen bringen, wo man sich in engeren
Problemen zu fixieren droht. Die Titel des Bandes spricht
sich „Für eine ökumenische Theologie" aus. Die Zurückhaltung
dürfte mehrere Gründe haben, stellt aber auf jeden Fall nicht die
Hoffnung in Frage, ohne die Ökumene lebensunfähig wäre. Freilich
ist noch weiter zu fragen, ob solche Lebensunfähigkeit heute
nicht das Christentum überhaupt treffen würde, ließe es Ökumene
faktisch oder bewußt verkommen, weil Tagesschwierigkeiten
das ganze Potential an Kraft und Zeit zu absorbieren scheinen
.

Innsbruck Karl H. Ncufeld SJ

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

Nehb, Tilman: Die Bedeutung des Bösen in der Tiefenpsychologie
von Carl Gustav Jung und die Bedeutung des Dämonischen in
der Theologie von Paul Tillich. Diss. Tübingen 1990. 496 S.

I. Die verschiedenen Aspekte des „Bösen", die bei der Analyse
Jungscher Texte gefunden werden konnten, lassen sich so gliedern:

1. Das „Böse" wird in vielen Texten im Gegensatz zur naturhaft
geistigen Seite des Menschen in der leiblich-geschlechtlichen
Anlage gesehen, die nach Jung eine als chthonisch-infernalisch
erlebte Symbolfunktion besitzt. Andererseits stellt Jung jedoch
fest, daß Trieb und Geist „gut und böse" sein können.

2. Das „Böse" erscheint im Gegensatz zur schöpferischen Anlage
im Menschen als zerstörerische Macht, die in der Auffassung
Jungs aus einer enantiodromischen Unausgewogenheit der Elementarkräfte
erwächst. Die tritt letztlich in der negativen Seite
des antinomischen Archetypus hervor.

3. Wesentlich ist bei Jung die Gegensätzlichkeit von „Natur
und Geist" in dem Sinne, daß den natürlichen Kräften „Böses"
anhaftet, wenn sie nicht in das personale Zentrum des Menschen,
das „Selbst", integriert sind. Das eigentlich Böse liegt danach in
der Nichtintegration des vorpersonalen Bereiches.

Jung versteht das universale Böse und die universale „Gnade"
als Vorgegebenheiten des kollektiven Unbewußten, wobei er in
ihm - aufgrund seiner weltanschaulichen Voraussetzungen - das
allumfassende, in der Geschichte sich entwickelnde Göttlich-
Dämonische wirksam sieht. Die Bestimmung des Menschen
durch sein Verhältnis zu Gott als einer transpsychischen Wirklichkeit
, mit der sich der Theologe befaßt, liegt dabei außerhalb
des Horizontes der Jungschen Psychologie.

Die Jungsche Psychologie des Bösen hat aber, wenn sie die Erfahrung
der Mächtigkeit des Bösen in der Welt analysiert, gerade
heute für die Theologie besondere Aktualität.

II. Tillich hat ein tiefgründiges Verständnis für das Wesen des
Dämonischen, wenn er zeigt, daß es schöpferische Kräfte auf eine
zerstörerische Weise benutzt. Das Dämonische ist in seinem
wahren Wesen parasitisch und will das Schöpferische immer umschlingen
, um es auszuhöhlen und zu zerstören. Es ist genau das
Verfahren der Benutzung von schöpferischen Strukturen - sie
werden dabei korrumpiert -, das das Dämonische oder die Drohung
des Nichtseins notwendig für ein Wirklichkeitsverständnis
erscheinen läßt.

Das Seinsverständnis impliziert das Nichtsein. Die Einheit
von Nichtsein und Sein in den Tiefen des Sein-Selbst ist das
Göttliche. Die Prämissen: Gott ist das Sein-Selbst und doch zugleich
die Macht des Seins, sowie Tillichs Symbolbegriff können
nur von dem Gottesbegriff der paradoxen Gegenwart des Transzendenten
und der Rechtfertigung her sachgemäß ausgelegt werden
. Tillich sieht, daß jede Ontologie von einem bestimmten
Gottesbegriff abhängt und daß ihr eine geschichtlich gewordene
Erfahrung zugrunde liegt. Die große Stärke von Tillichs Ontologie
liegt darin, daß sie einen rein abstrakten Personalismus
überwindet, indem sie das Ich in die anderen Dimensionen des
menschlichen Seins einbettet, ohne die Bedeutung der Personalität
im geringsten abzuschwächen. So gewinnt Tillich das
ganzheitliche leiblich-geistig-seelische Menschenbild der Bibel
zurück. Solche Auffassung ermöglicht erst eine echte Auseinandersetzung
mit der Tiefenpsychologie.

III. Jungs stille Überzeugung, daß es ein nicht-psychisches
transzendentes Objekt gebe und seine Forderung, daß die sinngebende
Dimension, die in die Psyche hineinwirkt, auf einer
nichtpsychischen Seinsform beruhe, läßt sich mit Tillich als das
Ergriffensein von dem Gott deuten, der nicht beschreibbar ist.
Diese Begegnung ist in Wahrheit paradox. In der Ich-Du-
Beziehung begegnet dem Menschen ein Gott, der alle personalen
Begegnungen transzendiert und doch mit uns redet.

Reid, Duncan: „ Die Lehre von den ungeschaffenen Energien: ihre
Bedeutung für die ökumenische Theologie". Diss. Tübingen
1992.241 S.