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Ausgabe:

1992

Spalte:

952-953

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Sesboüé, Bernard

Titel/Untertitel:

Pour une théologie œcuménique 1992

Rezensent:

Neufeld, Karl H.

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

952

Arbeit Tür das ökumenische Gespräch - insbesondere mit der Orthodoxie
- nutzbar zu machen". (a.a.O.)

Schneemelcher hat bei Gesprächen der Evangelischen Kirche
in Deutschland mit den Beauftragten des Ökumenischen Patriarchats
von Konstantinopel eine Reihe von Vorträgen im Orthodoxen
Zentrum in Chambesy gehalten, die hier zusammengefaßt
dokumentiert und für weiteres Nachdenken mit der und über
die griechische Orthodoxie förderlich sind. Das wird auch dann
besonders für wissenschaftliche Weiterarbeit und kirchliche
Annäherung gelten dürfen, wenn man den Einzelstudien einen
Direktbezug zu allgemein kirchenpolitisch verhandelten
Themenbereichen nicht sofort ansieht. Der Leser muß schon bereit
sein, in die Tiefe historischer Fragestellungen miteinzudringen
, wenn er hier den Fortschritt zu kirchlicher Gemeinsamkeit
entdecken will. Der Vf. ist ein Anwalt historischer Gründlichkeit,
um Verläßlichkeit für ein Zusammenfinden der Konfessionen zu
gewährleisten. Deshalb warnt er vor „Emotionen" und „einem
blinden Aktionismus".

Der Verzicht auf sachliche Zueinanderordnung der Einzelstudien
schließt auch die nicht völlig erreichte Einheitlichkeit in der
Wiederabdrucktechnik ein. Immerhin liegen einundeinhalb
Jahrzehnte zwischen den Abfassungszeiten einzelner Beiträge.

Der ganze Band hat neben seiner Akribie in der Aufnahme von
Theologien der altkirchlichen griechischen und lateinischen
Väter, neben seiner Aufarbeitung von wegweisenden Synoden
eine konfessionskundliche Seite. Schneemelcher kehrt nach dem
ersten Aufsatz zu „Christologie und Soteriologie nach der Lehre
der Lutherischen Kirche" (1-15) wieder zurück zu „Abendmahlslehre
und Abendmahlspraxis der Evangelischen Kirche in
Deutschland nach ihren biblischen Grundlagen" (236-263) und
signalisiert damit, daß der Historiker sich auch der Brisanz kirchegründender
und kirchebildender Gegenwartsfragen stellt.
Damit sind neutestamentliche Exegese, kirchenhistorische Gegebenheiten
und kirchliche Praxis in vorbildlicher Weise beieinander
.

Schneemelcher will zur Klärung beitragen, „was denn unter
Christologie oder unter Soteriologie zu verstehen sei". (1) Er
meint feststellen zu können, daß es in der Lehrbildung der Lutherischen
Kirche „keineswegs so klar ist, was mit diesen Begriffen
gemeint ist und daß verschiedene Auffassungen bestehen".
Seinem ureigensten Fachgebiet folgend weist der Verfasser darauf
hin, daß es lohnend wäre, zum Verständnis der reformatorischen
Christologie in die dogmengeschichtliche Arbeit auf dem
Gebiet der Alten Kirche einzudringen. (3)

Eine verengte Auffassung der Christologie hängt nach Schnee-
melchers Einschätzung mit dem Mißverständnis der Soteriologie
„als rein physische Erlösungslehre" zusammen. Das „Heilsgut"
würde somit denn auch „einseitig als physische Unsterblichkeit
angesehen". (a.a.O.) Durch diese und ähnliche Deduktionen
bringt der Verfasser das dogmengeschichtliche Begriffsarsenal
interessant neu in Bewegung und zeigt dadurch, wie aufschlußreich
theologiegeschichtliche Stoffe für Theologie und Frömmigkeit
der Gegenwart sind.

In seinem abschließenden Beitrag zu Abendmahlslehre und
-praxis der EKD nach ihren biblischen Grundlagen öffnet
Schneemelcher die Fragerichtung für die gesamtreformatorische
Fragestellung, wie sie in der EKD vorhanden ist, redet von „re-
fonnatorischen Ordnungen" (261) und vom „Einfluß altkirchlicher
Liturgien ", wenn er über die Agenden der Vereinigten Evangelisch
-Lutherischen Kirche und der Evangelischen Kirche der
Union handelt.

Zum Verständnis der Auffassungen zum Herrenmahl in der
EKD ist Schneemelcher für jetzt und weiterhin „das Verhältnis
von Schriftauslegung und Dogmatik" (263) bedeutsam, wodurch
er an und für sich unumwunden zu erneuter Denkbemühung im
Horizont von Lehre und Praxis einlädt. Zu gesamtreformatori-

schem Zeugnis innerhalb und zwischen den Gliedkirchen der
EKD sieht der Verfasser jede Veranlassung: „Im Hören auf das
Wort der Schrift und im Bemühen um rechte Auslegung der
Schrift und stiftungsgemäße Praxis des Abendmahls ist die Evangelische
Kirche in Deutschland heute Kirche des Wortes und Kirche
des Sakraments und will das auch bleiben". (263)

Auf die übrigen verhandelten Stoffe - zumeist aus den ersten
Jahrhunderten der Kirche - kann man den Leser im Rahmen
einer kurzen Rezension nur neugierig machen. Wichtige theologische
Begriffe wie „Heilsgeschichte und Imperium", Konstantinisches
Zeitalter, „Schriftgebrauch", „KreuzChristi und die Dämonen
", „die Entstehung des Glaubensbekenntnisses", „Lehre
und Offenbarung", „Theologie und Dogma" verbindet der Vf.
jedes Mal mit Theologie und Frömmigkeit wichtiger Gestalten
der Alten Kirche oder kirchenleitender Gremien.

Bei aller Vielfalt der behandelten Gegenstände in der Alten
Kirche und in der Reformationszeit bis hin zur Gegenwart sieht
Schneemelcher auch angesichts aller aufgewiesener Abwege und
Irrwege ein bleibend Zentrierendes, das für ihn die Epochen der
Theologiegeschichte verbindet und schon seit der Frühzeit des
Christentums lebendig ist: „... auch im Zentrum des Bemühens
der Theologie der Alten Kirche, das über die regula fidei zum
Dogma führt, stand nichts anderes als die hlg. Schrift, die von der
einen Offenbarung zeugt". (213)

Schneemelchers Aufsatzsammlung zeigt in ansprechender
Weise, daß für Kirche heute die Fragen nach dem historisch Gewordenen
, nach der Nähe jeder Epoche zur Schrift sowie nach
theologisch verantworteter Praxis zusammengehören.

Görlitz Joachim Rogge

Sesboüe Bernard: Pour une theologie oecum£nique. Eglise et sa-
crements, Eucharistie et ministeres, La Vierge Marie. Paris:
Cerf 1990. 424 S. 8° = Cogitatio Fidei, 160. Kart. FF 189,-.

Die mehr als zwanzig hier gesammelten Texte stammen aus
den Jahren 1971-1988 und entstanden zu recht verschiedenen
Anlässen, haben unterschiedliche Länge und je eigenen Charakter
. Dennoch formen sie eine Einheit, die in instruktiver Weise
den ökumenischen Dialog in Frankreich vermittelt: seine Situation
, seine Themen und seine Perspektiven. Die knappe Einleitung
(7-9) und die Textnachweise (1 lf.) beleuchten den Hintergrund
der Veröffentlichung; drei Texte erscheinen hier zum
ersten Mal in französischer Sprache, einige sind überarbeitet.
Eingeteilt ist das Ganze in sechs Gruppen. Die erste thematisiert
den spirituellen Hintergrund einer Ökumene der Bekehrung
(15-36), die zweite spricht von Voraussetzungen (39-88), die
dritte von der Kirche und der sakramentalen Heilsökonomie
(91 -188), die vierte dann von der Eucharistie (191-253), schließlich
die fünfte von Amt und Ämtern (257-374) und zuletzt die
sechste von Maria (377-404). Zusammenfassung (405-416) und
Nachwort (417f.) schließen den Band ab.

Am umfangreichsten sind die Beiträge zur „Grunddifferenz",
zu den „Sakramenten des Glaubens" und zu den Akzentverschiebungen
im Blick auf das Amtsverständnis durch das Zweite
Vatikanische Konzil (337-374). Damit dürften die Knotenpunkte
für das ökumenische Gespräch in Frankreich artikuliert
sein, obwohl es sich nicht so unmittelbar und direkt aus einer gemischt
konfessionellen Pastoralsituation ergibt wie das anderswo
der Fall ist. Sesboüe gehört seit langem der freien Studiengruppe
von Dombes an, die durch eine Reihe ökumenischer Stellungnahmen
bekannt wurde. Das Klima dieser Gruppe und ihr Umgang
bestimmen denn auch spürbar die hier gesammelten Stellungnahmen
. Daß die geistliche Grundeinstellung besondere
Aufmerksamkeit erfährt, hängt mit dem Erbe P. Couturiers zu-