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Ausgabe:

1992

Spalte:

938-942

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Josuttis, Manfred

Titel/Untertitel:

Der Weg in das Leben 1992

Rezensent:

Cornehl, Peter

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

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Auseinandersetzung, den Schell selbst klar ins Auge gefaßt hat:
„.Nicht um der theologischen Sondermeinungen willen, sondern
um der Fortschrittsgedanken und -Anregungen und -Grundsätze
willen ist das Ganze [sc. die Indizierung seiner maßgeblichen
Schriften; G. P.] erfolgt, und zwar, indem man eben nach theologischen
Sondermeinungen suchte, um mich empfindlich zu treffen
.'" (11) Mit einem noblen Orthodoxiezeugnis, wie es die vorliegende
Arbeit den Schellschen „Sondermeinungen" ausstellt,
dürfte es darum nicht ganz getan sein.

München Georg Pflciderer

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Fritsch-Oppermann, Sybille, u. Henning Schröer [Hg.]: Lebendige
Liturgie. Texte, Experimente, Perspektiven. Gütersloh:
Mohn 1990. 127 S. 8 . Kart. DM 26,80.

Domay, Erhard [Hg.]: Arbeitsbuch Gottesdienst. Ideen und Modelle
für ein ganzheitliches Erleben des Gottesdienstes. Gütersloh
: Mohn 1990. 247 S. m. 4 färb. Abb. 8°. Kart. DM 34,-.

Der erste Sammelband ist eine Veröffentlichung des Ständigen
Ausschusses Abendmahl, Gottesdienst, Fest und Feier (AGOFF)
beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Der Titel ist zugleich
das Programm-Stichwort, unter dem dieser Kreis seit 10 Jahren
beim Kirchentag als Anwalt von Gottesdienst, Musik und Spiel
auftritt und seit einiger Zeit sich auch darüber hinaus in der deutschen
evangelischen Kirche zu Wort meldet. In 10 Beiträgen und
einem aktuellen Nachtrag zeigen Ausschußmitglieder weniger
theoretisch als durch Projcktberichte und Beispiele aus der Praxis
, was sie unter „lebendiger Liturgie" verstehen. Vorab versucht
der Ausschußvorsitzendc und Herausgeber Henning Schröer,
den Begriff in einem „Steckbrief' mit 22 Anmerkungen unterhaltsam
-anschaulich „dingfest" zu machen. Er tauchte zuerst im
Zusammenhang der „Liturgischen Nacht" beim Düsseldorfer
Kirchentag 1973 auf, als diese Institution mit knapp 15000
Dauerteilnchmern ziemlich am Ende schien, und bezeichnet zugleich
dessen Neuaufschwung, der sich seither äußerlich in einer
Steigerung der Teilnehmerzahl auf das Zehnfache ausdrückt. Lebendige
Liturgie begann mit Gottes Schöpfungswoche, sie beginnt
unsrerseits mit der Bitte um den „Creator Spiritus". Sie ist
zugleich ökumenisch, ökologisch und ökonomisch („3. Welt")
orientiert und engagiert. Sie soll nicht auf Kirchentage und andere
Zentralveranstaltungen beschränkt bleiben, sondern in der
Ortsgemcinde Fuß fassen.

Nach dieser Begriffserklärung untermauert Sybille Fritsch-
Oppermann, die andere Herausgeberin, ihr etwas eigenwilliges
feministisches Plädoyer „für einen menschlichen Umgang mit
Gottes Wort", d. h. für eine liebe-volle, ja erotische geistliche
Sprache mit eigenen und anderen poetischen Texten. Peter Jans-
sens. derzeit zweifellos einer der originellsten und fähigsten
Köpfe der neuen geistlichen Lied-Szene, schreibt ein Essay „zum
schöpferischen Umgang mit Gottes Musik", bei dessen zweifellos
origineller Form eines „Duetts" zwischen Sulamith und Salomo
der Lesersich nur etwas irritiert fragt, ob Liebende nicht Besseres
zu tun haben, als über geistliche Lied-Theorie zu debattieren. Illustriert
wird die Sprechszene durch Lieder des Autors.

Die weiteren Beiträge sind überwiegend Projektberichte mit
grundsätzlichen Vor- oder Nachbemerkungen, großenteils, aber
nicht nur vom Kirchentag. Da erleben wir Meditationsübungen
im Rahmen eines Familientages (Christoph Haxel-Schamuhn),
Skizzen von einem „Musik-Zirkus" in Düsseldorf 1985 und der
„Seafarcrs night" in Hamburg 1981 (Eckart Bücken), zwei gottes-
dienstlichc Feste während des Berliner Kirchentags 1989, vom

Forum Südliches Afrika und einem „Bibelfest der Völker" nebst
eigenen Liedern und vielen Anregungen zum Thema „Bewegung
im Gottesdienst" (Dieter Trautwein) und von Henning Schröer
den Werkstattbericht einer Liturgischen Woche mit Peter Jans-
sens in Bursfelde. Besonders hervorgehoben seien drei Beiträge:
1. Einer der Pioniere der „Gottesdienste in neuer Gestalt", der
Kölner Pfarrer Uwe Seidel, teilt wichtige Erfahrungen und Materialien
mit „Segen und Segnen" sowohl auf dem Kirchentag als
auch im Gemeindegottesdienst mit. 2. Fritz Baltruweit zeigt, wie
die „Lima-Liturgie" konkret ausgeformt und mit Elementen der
offenen Gottesdienstformen verbunden werden kann. 3. Der
Kirchentagspfarrer Reiner Degenhardt nimmt das Stichwort
„Lebendige Liturgie" zum Anlaß für einen informativen Rückblick
auf die Gottesdienste bei den Kirchentagen von Berlin 1951
bis Berlin 1989. Diese hatten es auch bei den Kirchentagsverantwortlichen
nicht immer leicht, über den „geistlichen Rahmen"
hinaus als zentrale und wesenhafte Lebensäußerungen des Kirchentags
(an)erkannt zu werden (als welche sie von den Teilnehmern
zweifellos erlebt werden). Der aktuelle Nachtrag von Wolfgang
Leyk endlich gilt „Aufbrüchen im Osten als Modell
lebendiger Liturgie".

Der eben beschriebenen Sammlung ist die andere nahe verwandt
. Auch sie geht von Kirchentagen aus, erwächst jedoch
mehr aus den gottesdienstlichen Festen von Ortsgemeinden. Die
Autoren aus dem Umkreis der im gleichen Verlag erscheinenden
„Zeitschrift für Gottesdienst und Predigt" liefern Grundsatzbeiträge
, Projektberichte, Entwürfe, Anregungen und Ideen, die allesamt
zu eigenen Versuchen anregen können.

Anfangs werden verschiedene „Dimensionen des Gottesdienstes
" theoretisch bedacht und aus der Praxis veranschaulicht.
Karl-Heinrich Bieritz erkundet in Sprach-Spielen mit traditionellen
Kollektengebeten verborgene Eigenarten und Regelmechanismen
liturgischer Sprache. Fritz Baltruweit beschreibt, wie
Musik verschiedener Stile in Gemeindegottesdiensten Teil „lebendiger
Liturgie" wird. Ähnlich wie im anderen Sammelband
plädiert er für eine von Lima geprägte Ökumenizität. Weitere Dimensionen
eröffnen- Rainer Volp (Bilder), Herbert Muck (Kirchenraum
) und Bernhard v. Issendorf (Schweigen), während Michael
Becker für ein Zusatzangebot zum Sonntagsgottesdienst in
Gestalt einer stillen Wochenandacht plädiert.

Ein zweiter Teil des Buches sammelt, „Berichte und Ergebnisse
": eine Liturgische Nacht über Johannes 4 aus Kiel; einen
nachahmenswerten „Gottesdienst mit Liturgie-Ecken" (Günter
Kaltschnee), in dem Konfirmanden und Gemeinde-Mitarbeiter
durch Entfaltung in offener Form den agendarischen Sonntagsgottesdienst
für die Gemeinde erschließen; einen vorwiegend
von Frauen gestalteten Gottesdienst um ein „weltliches" Bild.

Am umfangreichsten ist der 3. Teil, der mit „besonderen Elementen
und Formen" ein buntes Kaleidoskop an Materialien
und Entwürfen zusammenstellt: Bild- und Musikbetrachtungen.
Spielszenen und Choreographien, Themen- und Aktionsgottesdienste
in teils agendarischen, teils offenen Gottesdienstformen.
Ahnlich auch der letzte kurze Teil mit „Anregungen und Ideen"
als Bausteinen, nicht vollständigen Entwürfen.

Anregungen, Ideen, Modelle, das ist die Quintessenzeines Buches
, das zwar unterschiedlich Ausgereiftes, doch überwiegend
Anregendes und Nützliches Für alle die bereithält, die sich von
den Kirchentagsleuten auf die Spur „lebendiger Liturgie" setzen
ließen und diese nun weiterverfolgen möchten.

Uetze Joachim Stalmann

Josuttis, Manfred: Der Weg in das Leben. Eine Einführung in den
Gottesdienst auf verhaltenswissenschaftlicher Grundlage.
München: Kaiser 1991. 327 S. gr.8°. Kart. DM 48,-.