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Ausgabe:

1992

Spalte:

933-934

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Hansson, Mats J.

Titel/Untertitel:

Understanding an act of God 1992

Rezensent:

Holze, Erhard

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933

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

934

(235ff). zum Recht auf Widerstand (264ff) vor. Im Blick auf die
globalen Herausforderungen wird hier noch mit theologischer
Kompetenz weiterzuarbeiten sein.

Eine Fülle von Einzeldiskussionen verbirgt sich in den Fußnoten
, in den Exkursen und historischen Abschnitten (235ff; u. a.),
die das Buch zu einer Fundgrube für die Fragen der Begründung
des Rechts werden lassen. Bei all dem behält die Vfn. die These
der Arbeit stets im Blick und begründet sie - in der Diskussion
u. a. mit N. Luhmann, J. Habermas, L. Kühnhardt, R. Dreier, K.
Barth. W. Huber. H.-R. Reuter, W. Pannenberg - unter Heranziehen
von J. Track. T. Rendtorff u.a. in eigenständiger Weise. In
der kritischen Sympathie mit N. Luhmann und K. Barth versteht
sich die Vfn. - bei Überwindung konfessioneller Akzente Barthscher
und Lutherischer Herkunft - in einer von M. Luther geprägten
Tradition.

Es handelt sich um einen Entwurf, der zum eigenen Weiterdenken
- gerade heute - anregt: ein Buch, an dem der an rechtstheologischen
Grundsatzfragen Interessierte nicht vorbeigehen kann
und darf.

Heidelberg Michael Plathow

Hansson, Mats J.: Understanding an Act of God. An Essay in Phi-
losophical Theology. Stockholm: Almvist & Wiksell Intern.
1991. 158 S. gr. 8 = Acta Universitatis Upsaliensis. Studia
Doctrinac Christianae Upsaliensia. 33. Kart. SEK 132,-.

Vor dem Hintergrund, daß die biblische Überlieferung eine
Fülle an Berichten von Gottes Handeln enthält, jedoch das
naturwissenschaftliche Wcltverständnis der Neuzeit eher an
einem immanenten und kausalen Verständnis von Ereignissen
und Handlungszusammcnhängen orientiert ist, geht H. der Frage
nach, was unter einem „Akt Gottes", vor allem im Horizont naturwissenschaftlicher
Kausalitätserfahrung, verstanden werden
kann. Während die biblische Tradition eine prinzipielle Offenheit
Tür Gottes Handeln kennt, indem sie weltliche Ereignisse
recht mühelos als Taten Gottes versteht, versucht neuzeitliches
Denken. Ereignisse und Ercignisfolgen naturgesetzlich zu erklären
. Je genauer dabei die Einsichten in die natürliche Kausalität
alles Geschehens werden, umso schwieriger wird es, Ereignisse
nicht einfach als Bestandteile dieser Kausalität, sondern speziell
als Akte Gottes zu interpretieren. Hansson fragt daher nach der
Vereinbarkeit von biblischer Gotteserfahrung und zeitgenössischer
Handlungstheorie. Die dreiteilig gegliederte Arbeit untersucht
im ersten Teil verschiedene Handlungstheorien, im zweiten
Teil die Rede vom nicht-intervenierenden Handeln Gottes,
im dritten Teil die Möglichkeiten, Gottes Handeln als Intervention
, als Eingreifen in den natürlichen und regulären Ablauf weltlicher
Gcschchcnsfolgen anzusehen. H. spürt kritisch die vielen
Widersprüche auf, die sich zwischen einer Rede von Gottes
Akten und der Erfahrung kausaler natürlicher Geschehenszusammenhänge
ergeben können, und sucht nach einem Weg, bestimmte
Ereignisse als „Akte Gottes" bezeichnen zu können,
ohne dabei in Widerspruch zu den naturwissenschaftlichen Einsichten
. Naturgesetzen und Kausalitätserfahrungen zu geraten.
H. setzt sich vielfach mit zeitgenössischen Denkern des 20. Jh.s
auseinander (insbesondere mit R. Bultmann, A. Farrer. G. Kauf-
man und M. Wiles), nicht jedoch mit den historischen Konzeptionen
aus der Philosophie- und Theologiegeschichte (etwa mit
Spinoza. Lcibniz oder den Occasionalisten). Auch dogmengeschichtlich
berührt die Arbeit viele Fragen, die wegen ihres engen
Zusammenhanges mit dem Thema einer Untersuchung wert
wären (z. B. creatio continua, Theodizee, Providentia, Prädestination
. Wunderverständnis). Es bleibt zu bedenken, wie geschlossen
die sog. Rcgularität. Natürlichkeit und Kausalität der
Welt ist. Angesichts der Tatsache, daß „Gott" neben „Akt" im

Titel des Buches als Substantiv, aber in weiten Passagen als nicht
näher spezifiziertes Adjektiv Tür Handlung („divine acts", „di-
vine action", „divine activity") benannt wird, ist zu fragen, ob die
Untersuchung und Spezifizierung eines auf Gott bezogenen
Handlungsbegriffs nicht auch die Analyse des Gottesbegriffs
selbst erfordert.

Münster Erhard Holze

Scheffczyk, Leo [Hg.]: Evolution. Probleme und neue Aspekte
ihrer Theorie. Freiburg-München: Alber 1991. 248 S. 8° =
Grenzfragen, 18. geb. DM 68,-.

An ausgewählten Beispielen aus der Wissenschaftstheorie,
Astrophysik, Molekularbiologie, der naturwissenschaftlich-theologischen
Grenzforschung und der systematischen Theologie
werden „Probleme und neue Aspekte" der Evolutionstheorie,
eigentlich der vielfältigen Evolutionsforschung, diskutiert und
nach interdisziplinären Konvergenzen befragt. Begriffe wie offene
Systeme, Selbstorganisation (auch im Bereich des Anorganischen
), neuerdings die Chaos-Theorie weisen auf einen wieder
möglichen, aber zugleich vorsichtigen Dialog hin. Von diesem
spannenden Dialog kann ich hier nur einige interessante Aspekte
herausstellen: (1) Etwa die Frage nach einem analogen Verständnis
von Evolution im sogenannten Natur-Bereich und auf der
Ebene menschlicher Kulturbildung, einschließlich der Religionen
). Hier stehen sowohl theologische Religionstheorien als
auch die christlichen Kirchen zur Diskussion. - (2) Wie passen
Evolution und Entscheidungsfreiheit des Menschen, vorgegebene
Ordnung und Kreativität in unserem Lebensvollzug zusammen
? Hier geht es dann um die Bestimmung unserer Personalität
und Verantwortung, um Schicksalsglauben und Engagement, um
Abhängigkeit und Entscheidung. - (3) Wie ist Schöpfung theologisch
zu interpretieren: deistisch gemäß dem Uhrmacher-Bild
oder partnerschaftlich gemäß dem Bild von Vater oder Mutter,
wobei K. Rahners (und evangelischerseits W. Pannenbergs)
Theologumenon von der Selbsttranszendenz sowohl des Menschen
als auch der Wirklichkeit im Ganzen eine Klammer zwischen
der creatio continua und der Lehre der Selbstorganisation
abzugeben vermag (164). - (4) Wie verhalten sich evolutives
Denken und Hoffnungsidee in Gestalt christlicher Eschatologie
(175ff)? Eine Lösung bahnt sich dann an, wenn man in der christlichen
Hoffnungstheologie einen Primat des individuellen Heils
gegeben und Verbindungen zu „den natürlichen irdischen Hoffnungen
der Menschheit und dem Einsatz für diese" nicht thematisiert
sieht (woran schon R. Bultmanns Existential-Theologie gescheitert
ist). - (5) Schließlich zeigt sich, „daß zwischen irdischen
Erwartungen und .himmlischer' Hoffnung keine Proportion besteht
und daß gerade die Erfahrung der Disproportion das Übersteigende
und Beseligende der Gnade offenbarmachen kann"
(201).

Die Theologie tut sicher gut daran, Gott nicht sofort wieder an
den Rändern der Wirklichkeit wirksam zu sehen und indirekt beweisen
zu wollen. Aber sie ist auch schlecht beraten, wenn sie von
vorgefaßten Modellen wie dem Natur-Gnade-Stufenschema her
die naturwissenschaftlichen Hypothesen einerseits als „natürlich
" akzeptieren kann, andererseits aber sie theologisch gleichsam
hintergeht von einem nicht mehr diskutierbaren Gott oder
Gnadenreich oder ähnlichen jenseitigen Axiomen her (wie hier
im katholischen Strickmuster von L. Scheffczyk oder evangelischerseits
bei J. Moltmann oder W. Pannenberg). Hat man diese
Einschränkung im Auge, dann kann man auch den (entsprechend
begrenzten) Gewinn dieses Diskussionsbuches einstreichen.

Darmstadt Uwe Gerber