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Ausgabe:

1992

Spalte:

930-933

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gäfgen, Kerstin

Titel/Untertitel:

Das Recht in der Korrelation von Dogmatik und Ethik 1992

Rezensent:

Plathow, Michael

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929

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

930

Goetz, George: Philosophie und Judentum. Vorträge und Aufsätze
aus den Jahren 1924-1968. Im Auftrag des Internatio-
naal-Constantin-Brunner-Instituut hg. von H. Goetz. Husum:
Hansa 1991. 218 S., 1 Porträt 8 . Kart. DM 17,80.

Hans Goetz publiziert hier im Auftrage des Internationalen
Constantin-Brunner-lnstitutes (Den Haag, Holland) Vorträge
und Aufsätze aus den Jahren 1924 bis 1968 seines 1968 verstorbenen
Vaters George Goetz. Einführend werden kurz Lebensdaten
und Intention des Wirkens George Goetzes genannt.

Prägend für George Goetz ist seine totale Ausrichtung an dem
philosophischen Werk des Neo-Spinozisten Constantin Brunner
(1862-1937). Brunner ist für Goetz der „größte(n) der neueren
Philosophen" (69), ja, man glaubt es kaum, größer als Plato und
Spinoza (750: aber damit nicht genug ist ihm Brunner der „größ-
te(n) Denker aller Zeiten*' (77). Die Verbreitung des Werkes C.
Brunners sieht Goetz als seine Aufgabe an, welcher er leidenschaftlich
und engagiert gerecht wird. Goetzes Aufsätze kreisen
ausschließlich um Brunner. Durch die Brunnersche Inanspruchnahme
Spinozas gilt Goetz auch letzterer als elementar für heutiges
philosophisches Denken.

Das, was das Wirkliche ausmache, sei das Denken. Das Denken
der Philosophie ist nach Brunner „das einzig existierende Exakte
, was die einzelnen Wissenschaften ... voranbringt" (Brunner
zit. 105). Brunners Basissatz „Was wir nicht richtig denken, das
müssen wir verkehrt leben" ist „die Summe aller Lebensweisheit
". (105) Das jüdische Denken habe in Brunner seine Identität
und seinen Höhepunkt gefunden, indem hier jüdisches Denken
als (allgemein) menschliches Denken begriffen werde. Brunners
Philosophie als „eine, die physikalische ergänzende. philosophische
Rclativitätslchrc'" und dessen Philosophie des Egoismus
(128f) sei gründend für den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat
(1550 - Philosophie sei Lehre von der Einheit (185). (Leider
versteht Goetz I. Kant nicht.)

Ausgehend von Brunners Interpretation der Attributenlchrc
Spinozas (Brunner habe als erster diese recht interpretiert! (190)
sei das Wesen der Dinge als Denken zu interpretieren. Das Absolute
, die Substanz erscheine uns und werde von uns nur aufgefaßt

als Attribut...... wir denken immer nur sub specie attributi".

(208) Gott, das Ich. das Denkende seien Eins. Wir dächten das
Absolute im menschlich-relativen Denken. Das gelte auch hinsichtlich
der Besinnung des Absoluten als Vater durch Christus,
dieses zutiefst jüdischen Menschen. Das heißt: Christus denkt
sub specie attributi zurecht: Christus „zeigt auf sich selbst und
sagt, er sei selbst Gott; Gott oder der .Vater', das Denkende; ich
und das Denkende sind eins - .Ich und der Vater sind eins!" (Joh.
10.30) Zurückübersetzt in die Sprache der Philosophie: Das, was
vom .Vater' sinnlich in Erscheinung tritt, ist eben doch nur er, der
von diesem Vater spricht, der sterbliche Mensch Jesus ben Josef,
ein Mensch und relatives Ding unter all den übrigen relativen
Dingen". (2070 Aus Johannes 17,21; 10,33-36 gehe hervor, daß
„Christus tatsächlich nicht nur sich, sondern alle Menschen als
.eins mit dem Vater' angesehen" habe. „Der Unterschied zwischen
ihm (sc. Christus) und den übrigen Menschen ist nur: Einriß
, daß er eins ist mit dem Vater, die meisten übrigen Mensehen
w issen es nicht!" (218 Anmerkung 25)

Die Vereinigung von Geist und Welt sei die Seligkeit. Diese geschehe
in der Weise des Mystikers (das Ewige in sich selbst lebenslang
feiern), des Künstlers (qua Bewunderung und Liebe
aller Dinge, die sich erweisen als Offenbarung des einen ewigen
Seins) und des Philosophen („indem man dieses Eine und Ewige
tatsächlich hinunter in den Verstand zwingt und meistert"). (209)
Alle drei seien auf dem Wege zum Absoluten. Dieser Weg führe
(1.) durch die äußere Natur (dinghaft materiell bis zur einen allumfassenden
Bewegung), (2.) durch die innere psychische Welt
des Menschen (von der eigenen Bewegung in ihrem Zusammenhang
mit den Bewegungen der ganzen Welt) und (3.) in das Bewußtsein
des Leibes als Frucht der Bewegungsvorgänge im ganzen
Universum. (211)

Der vorgelegte Band gibt Einblick in das Denken eines jüdischen
Mannes, der total fasziniert ist von dem Werk Constantin
Brunners, das er unkritisch rezipiert. In verständlicher Weise popularisiert
er Grundlinien von dessen Werk. Ein kritischer philosophischer
Diskurs wird nicht geführt.

Jena Udo Kern

Systematische Theologie: Dogmatik

Gäfgen, Kerstin: Das Recht in der Korrelation von Dogmatik und
Ethik. Berlin-New York: de Gruyter 1991. XIII, 339 S. 8° =
Theologische Bibliothek Töpelmann, 52. Lw. DM 124,-.

„Das Recht in der Korrelation von Dogmatik und Ethik" -
theologische Dissertation aus München im WS 1989/90 - erscheint
zum richtigen Zeitpunkt. Nach den grundlegenden Überlegungen
zum Recht in Theologie und Kirche bis Mitte der 60er
Jahre (1, A. 1) kam es in den folgenden Jahren nur vereinzelt zu
weiteren Untersuchungen (2, A. 4) und dann zu Spezialthemen
wie „Menschenrechte" (3, A. 6) und „Strafrecht" (3, A. 7). Die
„Verrechtlichung" aller Lebensbereiche und die globalen ethischen
Herausforderungen, wie sie sich in EKD-Denkschriften
und in der ökumenischen Versammlung für „Friede, Gerechtigkeit
und Bewahrung der Schöpfung" widerspiegeln - Themen
mit rechtlichem Gehalt -, verlangen die Erarbeitung eines theologischen
Rechtsverständnisses, das im interdisziplinären Gespräch
operabel ist und das sowohl als „handlungs- und daseinsorientierender
" als auch „handlungs- und daseinsorientiertcr"
Begriff (6) seinen sachbegründeten theologischen Ort in der Korrelation
von Dogmatik und Ethik hat. Hierum geht es der Vfn.
Der Titel der Arbeit ist zugleich These.

Die Vfn. wählt einen systemtheoretischen Zugang zum Rechtsverständnis
(8), d. h. ein dialogfähiges Verständnis von Recht als
eigenständigem „Teilsystem" (25), „das auf phänomenologischer
Basis beruhen und darüber hinaus normativ kritisch sein soll"
(11). N. Luhmanns Systembegriff liefert dazu die Grundkategorien
und -funktionen (§ 2).

Um der systemtheoretischen Klassifikation willen stellt die
Vfn. zunächst die drei grundlegenden Paradigmen von Recht in
geschichtlicher Explikation dar (Kap 2): das metaphysische,
natur- bzw. vernunftrechtliche; das rechtspositivistische; das systemtheoretische
N. Luhmanns. In die Beschreibung fließen
schon kritische Rückfragen ein, die das eigene leitende Interesse
der Vfn. andeuten. Für N. Luhmanns funktionales Verständnis
von Recht als eigenständiges soziales Teilsystem (99) stellt sich
die kritische Frage nach seiner Trennung von Recht und Ethik
(103, 131), nach der formalen Legitimation durch Verfahren
(112-114, 132), nach dem systemimmanenten Kriterium Gerechtigkeit
als „adäquate Komplexität eines Rechtssystems"
(116), das als bloß formaler Perfektionsbegriff - wie auch R.
Dreier betont - auf inhaltliche Bestimmungen verzichtet (132).
Die Vfn. stellt die Frage, „ob diese Komplexität funktional, auch
mit einem allein funktional verstandenen Sinnkriterium und formal
bearbeitet werden kann, oder ob es dazu weiterer und zudem
materialer Kriterien bedarf (133).

Die kritischen Beobachtungen zu den Paradigmen leiten dann
zur „inhaltlichen Grundlegung von Recht als eigenständigem
Teilsystem" über (134-195). Der Leser braucht Zeit und Muße
für diese interessante, informationsreiche Entfaltung der konstitutiven
Elemente einer systemtheoretischen Bestimmung von
Recht. „Recht ist eine grundlegende Struktur und Gestalt sowie
eine bestimmte Handlungs- und damit verbundene Daseinsorientierung
, die in allen wesentlichen Bereichen menschlicher