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Ausgabe: | 1992 |
Spalte: | 924-925 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Autor/Hrsg.: | Baumann, Thomas |
Titel/Untertitel: | Zwischen Weltveränderung und Weltflucht 1992 |
Rezensent: | Schicketanz, Peter |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12
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sich-erncstinischer und württembergischer Christologie, 56ff).
Der Reisebericht nach Paris, mit dem der Text schließt (102ff),
dürfte eine gute Quelle für Fernreisen im 16. Jh. darstellen.
Irrtümer Andreaes sind durch den Herausgeber unterschiedlich
korrigiert worden: S. 67 im Text der Übersetzung und im Anmerkungsteil
, S. 99/101 nur im Anmerkungsteil. - Fraglich ist
mir. ob Andreae für seine Sterbevorbereitungen Luthers Sterben
mit den Gerüchten, die ihm folgten, vor Augen gestanden hat (so
8). Wahrscheinlich lassen seine Anweisungen eher auf Sterberiten
der frühen Neuzeit schließen.
Dem Hg. ist für die sorgfältige Arbeit zur Bereitstellung des
Textes sehr zu danken.
Leipzig Emst Koch
zeitlichen Zusammenhang mit dem Reichstag zu Worms und
während seines Wartburg-Aufenthaltes? Wie erläutert Melan-
chthon seinen Freunden in der Nähe und in der Ferne seine
eigene Theologieakzeptanz auf dem Hintergrund seines von
Hause aus philologischen Ansatzes? Über all das erfährt der
Leser vieles, was zum Proprium des Reformatorischen in entscheidenden
Jahren gehörte.
Daß insgesamt 6 Indices am Schluß des Bandes seine schnelle
Brauchbarkeit erleichtern, versteht sich angesichts der schon früher
festgestellten Gediegenheit der Edition von selbst. Mögen
weitere Textbände bald folgen!
Görlitz Joachim Rogge
Melanchthon: Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe
, hg. von H. Scheible. Band T 1: Texte 1-254
(1514-1522), bearb. von R. Wetzel. Stuttgart: Frommann-
holzboog 1991. 558 S. gr.8 . Lw. DM 351,-.
„Die zuverlässige Textedition von Melanchthons Briefwerk,
ebenso dessen ausführliche Erschließung durch Indices und
Kommentare ist eine Forderung der Forschung seit Generationen
." So heißt es in einer Heftbeilage (7) anläßlich des 1977 erschienenen
ersten Bandes, der die Regesten zu 1109 Nummern
der Melanchthon-Korrcspondenz zwischen 1514 und 1530 enthält
. Inzwischen sind bis 1988 6 Regestenbände des auf etwa 83
Bände angelegten großen Werkes erschienen. Die beiden letzten
Rezensionen dazu finden sich in ThLZ 113, 1988, 124f u. 115,
1990, 37f.
Noch einmal sei's gesagt: Der Herausgeber Heinz Scheible
plant im Auftrage der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
7 Rcgcstenbände, 2-3 Registerbände, 2-3 Handschriftenka-
talogbändc, ca. 35 Texteditionsbände und ca. 35 Kommentar-
bändc. Die bisher publizierten Regesten zeigen ein Musterbeispiel
rcformationsgeschichtlicher Editionsarbeit, die für Jahrzehnte
Maßstäbe setzen wird.
Es ist einsichtig, daß während des Erscheinens eines so groß angelegten
Werkes Varianten des Erscheinungsmodus erforderlich
werden, bis hin zur Bandzählung. Scheible gibt in einem kurzen
Vorwort (70 darüber Auskunft. Die Bandzählung setzt nun beim
Abdruck des Tcxtcorpus' neu an. Durch den Buchstaben T ist
markiert, daß man nach dem Erscheinen von 6 Regestenbänden
jetzt den Beginn der Veröffentlichung von Briefinhalten vorsieh
hat. Der erste Regestenband, der die Korrespondenz bis 1530
aufnahm, enthält viele Angaben, die im Textband nun wiederholt
werden, aber die Textausgabe kann verständlicherweise nicht anders
verfahren.
Richard Wetzel. dem die Bearbeitung des vorliegenden zu danken
ist. erklärt gleich eingangs, daß „hinsichtlich der chronologischen
, prosopographischen und sachlichen Einordnung der einzelnen
Stücke und ihrer inneren Gliederung" die Textedition auf
dem Regestenwerk „basiert" (9), aber sie geht dann doch darüber
hinaus, indem in einem jeden Vorspann die handschriftliche und
gedruckte Überlieferung notiert ist. Der Textabdruck erfolgt
selbstverständlich „aufgrund der besten erreichbaren Vorlage".
Ein „Quellen-Apparat" weist Zitate nach und geht auf im Text
vorkommende Anspielungen von mancherlei Art ein, so daß
mannigfache Weiterarbeit möglich ist.
1514 war Melanchthon noch in Tübingen, 1522 wirkte er bereits
über vier Jahre in Wittenberg. So findet der Leser die entscheidende
Phase im Leben des jungen Gelehrten, die ihn an die
Seite Luthers in Wittenberg gebracht hat. Die bewegten Jahre des
Entstehens der Reformation schlagen sich in Briefen an und von
Melanchthon selbstverständlich nieder. Wie reagiert der engste
Freund Luthers auf die neue Theologie, auf Luthers Agieren im
Kirchengeschichte: Neuzeit
Baumann, Thomas: Zwischen Weltveränderung und Weltflucht.
Zum Wandel der pietistischen Utopie im 17. und 18. Jahrhundert
. Lah: Verlag der St.-Johannis-Druckerei 1991. 247 S. 8 .
Pb. DM 29,80.
Das Buch ist eine überarbeitete und ergänzte historische Dissertation
der Universität Freiburg: „Von der Keimzelle der Weltreform
zum Zufluchtsort für die verfolgte Christenheit. Der
Wandel der pietistischen Utopie von J. V. Andreaes christiano-
polis (1619) bis zu J. H. Jung-Stillings Solyma-Entwurf (1795)".
Klaus Deppermann hat die Arbeit angeregt, konnte durch seinen
plötzlichen Tod diese aber nicht bis zum Schluß begleiten. Der
Vf. weiß sich ihm verpflichtet, was nicht nur im Vorwort steht,
sondern der ganzen Arbeit abzuspüren ist. Seinem Lehrer folgend
hat er es verstanden, historische, theologische und literarhistorische
Gesichtspunkte in guter Weise abzuhören, miteinander
zu verbinden und gegenseitig fruchtbar werden zu lassen.
Was ist unter dem etwas verwirrenden Obertitel des Buches zu
finden? Keine allgemeine, dogmatisch orientierte, über zwei im
Pietismus durchaus zu findende Pole, sondern es werden sechs
utopische Entwürfe mit teilweise ausführlicher Zitierung dargestellt
und nach einem bestimmten Schema interpretiert. Drei dieser
Utopien sind bereits immer wieder im Gespräch. Es handelt
sich um die oben bereits genannten Texte von Andreae und Jung-
Stilling. Dazu gesellt sich von Philipp Balthasar Sinold von
Schütz: „Die glücksceligste Insul auf der gantzen Welt" von 1723.
Ein Bericht über die bisherige Forschung (23-35) vermittelt den
Eindruck einer sorgfältigen Einsicht in die Probleme. Hinzu treten
drei weitere Texte, die als bisher übersehene Texte dargestellt
werden. Es handelt sich um den anonymen Druck von 1699: „Beschreibung
eines verbesserten Fürsten-Staates", das ebenfalls
anonyme, ungedruckt in Gotha liegende Dokument „Die Stadt
Gottes" aus dem Jahre 1700 und um „Das Land der Inquiraner"
von Joachim Friedrich Bachstrom aus dem Jahr 1736/37. Unter
Utopie versteht Baumann „den literarischen Entwurf einer fiktiven
Gegenwart in der Nachfolge der Utopia von Thomas Morus
(1516)" (20). Das Interpretationsschema wird im ersten Teil angegeben
und begründet. An erster Stelle steht die Suche nach dem
theologischen Standort im Luthertum. In der Durchführung fällt
das weniger theologisch aus: es werden Kurzbiographien geliefert
, die für die jeweilige Utopie Bedeutung haben, soweit der
Autor bekannt ist. Die weiteren Fragen gehen in Richtung des
Verhältnisses zur Aufklärung, zur Toleranz, zur Staatsverfassung
und zur Wirtschaft. Die Ankündigung, daß bei dieser letzten
Frage die Stellung zum Privateigentum bzw. zur kommunistischen
Gesellschaftsordnung behandelt würde, wird nicht beherzigt
. Arbeitsethos, Nützlichkeit und der Umgang mit der Zeit stehen
im Vordergrund des Interesses.
Der Untertitel läßt vermuten, daß es eine gemeinsame Utopie