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Ausgabe:

1992

Spalte:

921-922

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

I - VI 1992

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

922

kritischen Text von 1902 ablöste. Die jetzt vorgelegte 2. Auflage
kann sich auf Verbesserungen von Druckfehlern, auf Nachträge
von Korrekturen, Zusätze und neue Literatur in einem kurzen
Anhang beschränken (267-270). Die Grundlage an Handschriften
ist schmal, „nur 5 Handschriften kommen für die Textkonstituierung
in Frage" (XXVII). Der byzantinische Kirchenhistoriker
Sociales bringt die meisten Hinweise auf die Vita Con-
stantini. Socrates hielt Euseb für einen Arianen Noch kritischer
äußerte sich Photios (XXXI 0- Die Editionen beginnen mit der
von Robert Estienne, Paris 1544, dem weitere Editoren folgten.
Eine neue Textgrundlage erarbeitete Henri de Valois (Paris
1658). ihm folgte u. a. Migne (PG 20,905-1230). Der finnische
Gelehrte Ivar August Heikel legte 1902 Tür die Reihe „Griechische
Christliche Schriftsteller" den Band 7 vor im engen brieflichen
Kontakt mit Hermann Diels, Adolf Harnack und Ulrich
von Wilamowitz-Moellendorf (vgl. Winkelmanns Arbeit in Klio
67. 1985. 568-587). Die Edition von W. setzt die Seitenzahlen
von Heikel an den Rand seines Textes. Übersetzungen in die
deutsche, englische, französische und tschechische Sprache werden
genannt (XLlIff); hinzuzufügen blieb auf S. 268 die italienische
Übersetzung von L. Tartaglia (Neapel 1984), der den Text
von Winkclmann zur Grundlage genommen hatte.

Die Vita Constantini ist als Ruhmesschrift angelegt, was schon
Socrates und Photios kritisch bemerkten. Es geht jedoch nicht
nur um die „Verherrlichung der Leistung des Kaisers, sondern
darüber hinaus um die Herausarbeitung biographischer Züge"
(L). Es gibt Parallelen zu antiken Biographien, aber Euseb will
sich bewußt „von der heidnischen Methode" abheben: „Die
tychä wird durch Gott ersetzt. An die Stelle der andreia und der
phronäsis tritt die Betonung der eusebeia. Von den anderen Tugenden
ist es vor allem die Philanthropia, die mehrfach Erwähnung
findet" (LI). Kennzeichnend für die Quelle ist die Einfügung
von Briefen und Edikten in den Text. Euseb hat nur einen
Teil des ihm bekannten Materials verwendet, sein Konstantinbild
war sicher umfassender. Eusebs Ziel war es, „das Idealbild
eines chistlichen Kaisers zu entwerfen, als Norm und Vermächtnis
für die Nachfolger Konstantins" (LH). Manche Abschnitte
wirken „wie nicht genügend durchgestaltete Materialsammlungen
. Der Eindruck drängt sich auf, daß sie hastig zusammengestellt
sind" (L1II). Das muß aber nicht auf Interpolationen oder
spätere Veränderungen deuten. Die Probleme löst W. mit der
These, „daß Euseb die Schrift mehrfach überarbeitet und erweitert
hat. daß er auch fertige Stücke aus anderen seiner Werke oder
aus unveröffentlichten eigenen Niederschriften und Sammlungen
einbaute oder einfügen ließ, aber daß er die notwendige
Schlußredaktion nicht unternahm. Die Gründe kennen wir
nicht, doch liegt die Annahme nahe, daß er vor der letzten Redaktion
starb und das Buch deshalb posthum erschien" (LVII).

Es ist zu begrüßen, daß diese gründliche Editionsarbeit eine 2.
Auflage erfuhr; sie läßt zugleich auch hoffen, daß die ehrwürdige
Reihe Griechische Christliche Schriftsteller fortgesetzt wird.

Rostock Gert Hacndlcr

Cyrille d'Alexandrie: Lettres Festales (I-VI). Introduction
generale par P. Evicux; Introduction critique, texte grec par W.
H. Burns. Traduction et Annotation par L. Arragon, M.-O.
Boulnois. P. Evieux, M. Forrat, B. Meunier. Paris: Cerf 1991.
423 S. 8 = Sourccs Chretiennes, 372. FFr 268,-.

Unter den mehr als 100 Briefen des Cyrill von Alexandrien
haben die 29 Osterfestbriefe eine besondere Bedeutung: Während
seiner Amtszeit als Bischof hat er zu jedem Osterfest einen
Brief geschrieben, der für die ägyptische Landeskirche und die
Gesamtkirche wegweisend sein sollte. Die Einführung beschreibt

in Kap. 1 das Leben Cyrills vor seiner Zeit als Bischof; Kap. 2 gilt
dem Bischof Cyrill, über den der byzantinische Geschichtsschreiber
Socrates kritisch berichtete (43ff). Kap. 3 geht auf die Osterfestbriefe
ein und die verschiedenen Möglichkeiten, den Oster-
termin zu berechnen (73ff)- Das Konzil von Nicäa überging die
Unterschiede in der Berechnung zwischen Rom und Alexandrien
mit Stillschweigen (83). Die Osterdaten Cyrills werden geboten
(90-93). Die alexandrinischen Bischöfe Demetrius, Dionysius,
Petrus, Alexander, Athanasius sowie Theophilus haben Osterfestbriefe
geschrieben, Cyrill setzte also eine alte Tradition fort.
Die Briefe sind seelsorgerlich ausgerichtet, ohne Hinweise auf
Zeitereignisse (115). Die Hauptsache war die Mitteilung des
Ostertermins, dessen Festsetzung für alle Christen verbindlich
sein sollte. Cyrill zeigte sich als „chef d'une eglise", die im
Kampfe stand gegen kaiserliche Administration und gegen heidnische
Intellektuelle (118). Kap. 4 informiert über die Textgeschichte
: 14 Manuskripte werden zu einem Stemma verarbeitet
(129). Bisher waren die Briefe am ehesten greifbar bei Migne (PG
77). Durch einen Irrtum früher Abschreiber werden die ersten 5
Briefe als Nr. I-VI gezählt. Bibliographie, Bibelstellenregister
und ein Index von Eigennamen beschließen den Band. Der Edition
der weiteren Osterfestbriefe darf man mit Spannung entgegensehen
.

G. H.

Kirchengeschichte: Reformationszeit

[Andreae, Jakob:] Leben des Jakob Andreae, Doktor der Theologie
, von ihm selbst mit großer Treue und Aufrichtigkeit beschrieben
, bis auf das Jahr 1562. Lateinisch und deutsch. Eingel
., hg. u. übers, von H. Ehmer. Stuttgart: Calwer 1991. 146 S.
m. 1 Taf. gr.8 = Quellen und Forschungen zur württembergischen
Kirchengeschichte, 10. Kart. DM 43,-.

Erstmals seit 1630 wird dieser autobiographische Text erneut
publiziert, in diesem Falle als separate Ausgabe, während er 1630
Bestandteil der vom Enkel Jakob Andreaes, Johann Valentin Andreae
, heraugegebenen Fama Andreana Reflorescens war. Er gehört
zu den wenigen autobiographischen Berichten des 16. Jh.s,
deren wichtigste der Herausgeber innerhalb der Einleitung bespricht
(9f). Er stellt mit Recht fest, daß gerade die Unebenheiten
des vorliegenden Textes Nachweis dafür sind, daß es sich bei ihm
um einen relativ subjektiv gefärbten Bericht handelt (11). Wird
allerdings berücksichtigt, daß der Texttorso aus einer Rückschau
von 2 bis 6 Jahren verfaßt ist, wie Ehmer aus Bemerkungen des
Textes selbst erschließt, die auf die letzten Lebensjahre Andreaes
ab 1586 verweisen (7f), so werden seine Benutzer Vorsicht hinsichtlich
seines Aussagewertes walten lassen.

Der Text Andreaes wird in seiner lateinischen Originalfassung
und parallel dazu in einer deutschen Übersetzung dargeboten,
die sich nach dem zeitgenössischen Verständnis des stark an die
Vulgata angelehnten Lateins des Autors ausrichten möchte (13).
Die Marginalien des Drucks von 1630, die vermutlich bereits zu
Andreaes Autograph gehört haben, erscheinen als Zwischenüberschriften
. Den Kommentar enthalten die Anmerkungen zum
deutschen Text.

Jakob Andreaes Autobiographie ist am ehesten als eine Art Rechenschaftsbericht
zu verstehen. Er enthält interessante Bemerkungen
zur Selbstbeurteilung des Autors (vgl. 24ff) neben aufschlußreichen
jugendbiographischen Passagen (so über die
Lateinprüfung des 10jährigen durch Erhard Schnepf, 20ff), aber
auch Beobachtungen, die sonst vermutlich kaum festgehalten
worden sind (so zur Besetzung Stuttgarts durch die Spanier 1546/
47, 30ff, oder zu einer Predigtstörung durch Gemeindegesang in
Frankfurt/Main 1557, 70ff) und für die Theologiegeschichte
wichtige Aufzeichnungen (zu den Differenzen zwischen säch-