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Ausgabe: | 1992 |
Kategorie: | Judaistik |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12
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wiederum eine Einführung vorangestellt, in der er die Art des
Wechselspiels zwischen biblischem Text und Gegenwart, z. T. in
ausdrücklichem Vorgriff auf die dann dokumentieren Überlieferungen
, veranschaulicht. Liest man alle Einleitungen nacheinander
w eg. hat man auf engstem Raum eine dichte Einführung in
rabbinisch-theologisches Denken zur Hand.
In den Einleitungen finden sich gelegentlich auch Bezüge auf
das Christentum (s. bes. 41 f. 114.170), insgesamt sind sie jedoch
sparsam. So bleibt die unmittelbare Auswertung der einführenden
Erläuterungen wie der Texte selbst Aufgabe des christlichen
Lesers. Die Intensität, mit derNeusnerden Sinn jüdischer Bibelauslegung
erschlossen hat, hat zwar die Hürde, die die Texte zunächst
bedeuten, einladend verringert. Außerdem spricht so
manches Beispiel einfach für sich selbst. Trotzdem wünscht man
sich beim Lesen des öfteren eine Kommentierung, die über die
knappen Hinweise hinausgeht, die den Übersetzungen hier und
da in Klammern beigegeben sind.
Neusncr hat die Essenz der rabbinischen Schriftauslegung als
„die Botschaft der Hoffnung" bestimmt und gefolgert: „Das Judentum
kann dem Christentum in diesem leidvollen Zeitalter der
Versöhnung nichts anderes als Hoffnung darbieten. Doch jenseits
des Holocaust ist dies keine geringe Gabe" (119). In der Tat,
und weil es sich so verhält, darum kommt vielleicht auch die Rezension
seines Buches - mea culpa - nicht ganz zu spät.
Berlin l'ctcr von der Ostcn-Sackcn
Mbani. Matthias: Die lunaren Zyklen im 364-Tagc-Fcstkalcndcr von
-lQMischmerot/4QSe (Kirchl. Hochschule Leipzig. Forschungsstcllc Judentum
. Mitteilungen und Beitrüge 1992. 4. 3-47).
Arndt, Timotheus: Überlegungen zu Gestalt und Herkunft des Gedichts
(Kirchl. Hochschule Leipzig. Forschungsstcllc Judentum. Mitteilungen
und Beiträge 1992. 4. 48-56).
Haacker. Klaus: Jesus - Messias Israels? (ETh 51. 1992. 444-457).
RendtorfT. Roll : Wege zu einem gemeinsamen jüdisch-christlichen Umgang
mit dem Alten Testament (ETh 51. 1992. 431-444).
Sehreiner. Stefan: Dergottcsfürchtigc Rebell oder Wicdie Kabbinen die
Frömmigkeit Ijobs deuteten (ZThK 89. 1992. 159-171).
Seim. Jürgen: Zur christlichen Identität im christlich-jüdischen Gespräch
(ETh 51. 1992.458-467).
Vander Kam. .1. C. and .1. T. Milik: A Prctrminary Publication of a Jubi-
lees Manuscript Crom Qumran Cavc 4: 4 Q.lubd (4Q2I9) (Bibl 73. 1992,
62-83).
Neues Testament
Backhaus, Knut: Die „Jüngerkreise" des Täufers Johannes. Eine
Studie zu den rcligionsgcschichtlichcn Ursprüngen des Christentums
. Padcrborn-Münchcn-Wicn-Zürich: Schöningh
1991. XV1I1. 405 S. gr.8 = Paderborner Theologische Studien,
19. Kart. DM 98.-.
Der Täufer Johannes und seine Wirkungsgeschichte bleiben
offenkundig ein Anziehungspunkt der ntl. Forschung! Nach den
neuesten Monographien von St. von Dobbeler (1988) und J.
Ernst (1989) sowie dem TRE-Artikel von O. Böcher (1988) hat
nun K. Backhaus, ein Schüler von J. Ernst, seine Dissertation
veröffentlicht. Sie wurde 1989 von der Theologischen Fakultät
Paderborn angenommen und für den Druck nur geringfügig
überarbeitet.
Der Vf. will dabei nicht viel weniger als eine ganze Reihe gängiger
Thesen zum Thema methodenkritisch und exegetisch hinterfragen
und die Leser lehren, die üblichen Deutemuster zur
Vcrhältnisbestimmung zwischen Johannes und Jesus (Lehrer-
Schüler-Verhältnis) sowie zwischen Täufergemeinde(n) und
christlichen Gemeinden (Rivalität, Polemik, Apologetik und
Mission von Seiten der frühen Christenheit) als kontraproduktiv
zu betrachten. Das neue Gesamtbild, das er dagegenstellt, hat folgende
Konturen:
1. Der Prophet Johannes hat wie andere Propheten Schüler um
sich gesammelt. Dieser engere Kreis löst sich bald nach dem Tod
des Täufers auf.
2. Johannes ruft eine „palästinische Umkehrbewegung" als
„relativ breite Strömung im spätantiken Judentum" ins Leben
(369).
3. Jesus war nicht Täuferschüler, sondern von Anfang an
„autonomer Prophet neben Johannes" (81), so sicher er eine
„geistige Verwurzelung in der" allgemeinen „Täuferbewegung"
besitzt. Ja, Jesus „legitimiert" sein eigenes Wirken und Verkündigen
„dadurch, daß er sich auf das täuferische Wirken des Johannes
beruft" (87; vgl. 104). „Damit versteht Jesus sich selber
nicht nur als Vollender des Täuferwirkens, sondern auch als dessen
authentischer Ausleger" (89). „Jesus akzentuiert die gleiche
Botschaft auf andere Weise", so daß „die Predigt Jesu weithin
aus der Botschaft des Johannes abzuleiten ist" (99). „Die Botschaft
Jesu vom Gottesreich ist die positive Variation der Täuferpredigt
" (103; vgl. 105). Jesus führt „die Täuferpredigt zu sich
selbst" und „beansprucht ... die Sendung des Täufers zu vollenden
" {1080-
4. Da Jesus „im Rahmen der Täuferbewegung" wirkt, setzt
sich auch seine Anhängerschaft „zu einem bedeutenden Teil
aus Kreisen der Umkehrbewegung des Johannes zusammen"
(1I0Q.
5. Die Apg (speziell 18,24ff; 19,1 ff) und die Logienquelle zeigen
in Kontinuität zur Jesuszeit für die nachösterlichen Gemeinden
beispielhaft personale, soziologische und theologische Kontinuität
zur allgemeinen Täuferbewegung (369).
6. Lediglich die Pseudoklementinen und das Joh bezeugen, beschränkt
auf Syrien und die Wende zum 2. Jahrhundert, eine
feste Täufergemeinde, die Johannes wohl als wiederkehrenden
und taufenden Elias verehrte. Sie hat keine Beziehung zum Kreis
der ehemaligen Täuferschüler. In Auseinandersetzung mit dieser
Täufergemeinde begegnet ausnahmsweise ein apologetischpolemischer
Ton (370).
Muß angesichts dieser Gesamtanschauung die Täuferforschung
umdenken? Das wäre der Fall, wenn B. in den entscheidenden
Punkten seiner Deutung begründeten Anspruch auf historische
Wahrheit vertreten könnte. Hier sieht es allerdings m.E.
längst nicht so gut für B. aus, wie B. selbst behauptet. Wendet
man nämlich die methodische Härte, die B. gegen das übliche
Verständnis zu dem verhandelten Thema aufbietet (vgl. 11-17),
ebenso konsequent beim Testen seiner eigenen Position an, werden
alsbald entscheidende Schwachstellen sichtbar. Woher weiß
der Vf., daß der Kreis von Prophetenschülern bald nach dem Tod
des Täufers ausstirbt? Wo gibt es einen Beleg dafür, daß Jesu
Anhängerschaft „sich zu einem bedeutenden Teil aus Kreisen der
Umkehrbewegung des Johannes" zusammensetzte und Jesus
„im Rahmen der Täuferbewegung" wirkte (1100? Wo gibt es
sichere Belege, daß man so extensiv von einer durch den Täufer
ins Leben gerufenen Umkehrbewegung reden kann? B. ist überhaupt
sehr leichtgläubig, wenn er synoptische (z. B. Mk 1.5) und
jüdische (Josephus, Antiquitates 18,116f0 Belege findet, die von
einem großen Zulauf zum Täufer sprechen. Daß hier volkstümlich
-legendarische Aussagen vorliegen, mag er nicht in seine
Überlegungen einbeziehen. Oft unterlegt er den großen Erfolg
des Täufers den Texten auch nur (62; 67f; 11 Of; 121; 135; 211). Er
weigert sich weiter, bei Joh l,35ff ebenso differenziert diachron
zu arbeiten, wie er es bei den Synoptikern tut (vgl. dazu die Pauschalurteile
, 2300, weil er nur auf diese Weise die hier bezeugte
feste Täufergemeinde für zeitlich ganz begrenzt, spät und isoliert
ansehen kann.