Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1992

Spalte:

904-906

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tournay, Raymond Jacques

Titel/Untertitel:

Seeing and hearing God with the Psalms 1992

Rezensent:

Saebø, Magne

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

903

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

904

Richter, Wolfgang: Biblia Hebraica transcripta BHt. Das ist das
ganze Alte Testament transkribiert, mit Satzeinteilungen versehen
und durch die Version tiberisch-masoretischer Autoritäten
bereichert, auf der sie gründet. 1: Genesis. VIII, 485 S.
Kart. DM 58,-. 2: Exodus, Leviticus. V, 629 S. Kart. DM 68,-.
3: Numeri, Deuteronomium. V, 701 S. Kart. DM 78,-. St. Ottilien
: EOS 1991.8 = Münchener Universitätsschriften. Philos.
Fakultät Altertumskunde und Kulturwissenschaften. Arbeiten
zu Text und Sprache im Alten Testament, 33,1-3.

Die Einleitung zu dem auf 16 Teile berechneten Unternehmen,
von dem die ersten drei jetzt vorliegen, beginnt mit dem Satz:
„Die Entscheidung, das AT zu transkribieren, fiel mit der Bewilligung
eines Rechners." Dieser sollte über die tiberische Version
und eine wissenschaftliche Transkription als Grundlage Tür die
Arbeit an Sprache und Text verfügen. Der Hg. erläutert eingangs
das seinerseits angestrebte Ziel, indem er vorab sein Bedauern
darüber zum Ausdruck bringt, daß die in München entwickelte
morphologische Transkription des Hebräischen der tiberischen
Masora bei den Fachkollegen noch keinen überwältigenden Anklang
gefunden hat. Was er will, ist die vollständige Wiedergabe
der morphologischen Struktur der Wörter im Alten Testament,
der Sätze mit ihren Grenzen sowie der Datenstruktur. Dem Text
sind die hebräischen Varianten der BHS beigefügt, nicht die griechischen
, syrischen und lateinischen. Die Vorteile der gebotenen
Transkription liegen seiner Meinung nach in folgenden Punkten:
Die Wörter enthalten vollständige morphologische Informationen
, die Satzangaben erleichtern und präzisieren die Zitierweise,
die Computerversion des Textes erleichtert die Sucharbeit und
erstmals wird eine auf den Satz bezogene Konkordanz möglich.

Das sich aus ca. einem Dutzend Leuten zusammensetzende
Team, welches der Hg. beschäftigt, versucht unter seiner Anleitung
, morphologisch und orthographisch die ursprüngliche Gestalt
des Hebräischen zu restituieren. Das Ergebnis wird so dargeboten
, daß jeweils die linke (gerade) Seite die Umschrift, die
rechte (ungerade) den hebräischen Text mit tiberischer Punktation
enthält.

Seine Auffassung und Methodik entwickelte R. in der 1983
erschienenen Publikation „Transliteration und Transskription.
Objekt- und metasprachliche Metazeichensysteme zur Wiedergabe
hebräischer Texte". Er bietet dort mehrere Zeicheninven-
tare. die er hier noch einmal knapp erläutert.

Ist das Ganze in seiner Vielfältigkeit schon verwirrend, muß
man fragen, warum in einzelnen Fällen entgegen den eingebürgerten
davon abweichende Siglen angewendet werden. So findet
man O Iwbr für die hebräische Kolumne der Hexapla (BHK S)° I
BHS o eß4). Qu für die Qumranhandschriften (BHS Q) und
Samar für den Samaritanus, der in BHK und BHS durch ein arabisches
Sin gekennzeichnet ist, Samar hingegen in der BHS die
samaritanische Aussprache nach Kahle (The Kairo Geniza) andeutet
. Auch andere Zeichen kann man als problematisch oder
wenig glücklich beurteilen (S. 14 ist Z. 4 ps in pc zu emendieren).
Und man sollte obendrein nicht länger vom Codex Leningraden-
sis reden; dafür gilt jetzt die Bezeichnung Codex Petersburgen-
sis.

Aufs Ganze gesehen darf man tatsächlich fragen, ob die eigenwillige
Weise der Umschrift des tiberischen Textes sprachwissenschaftlichen
Erörterungen wirklich hilfreich ist. Die Bände erwecken
den Eindruck, als habe das Team die althebräische
Aussprache gefunden. Man kann sie sich jedoch schwer vorstellen
und den Transkriptionstext kaum lesen. Wie stellt man sich
z. B. zar' (tib. zära') ausgesprochen vor? Möglich wäre zar'u. Das
müßte dann aber auch so geschrieben sein.

Die Eigennamen werden in Majuskeln wiedergegeben (vgl.
z.B. Gen 36.33-36). Dahinter steht offenbar, daß sich R. nicht
auf die tiberische Aussprache einlassen will, die ursprüngliche
aber nicht rekonstruierbar ist.

Eine Bemerkung zur Satz- und Verlaufsgliederung sei angeschlossen
. Weil u. a. in der Anrede 'atlä als Vokativ bestimmt ist,
findet man die vier Worte von Ex 20,19aß auf vier Zeilen verteilt
(19b, bV, b, c), oder die fünfzehn Wörter des Verses Ex 34,6 sind
als einzelne Sätze und satzhafte Einheiten in sechs Zeilen angeordnet
(vgl. als weiteres Beispiel etwa Dt 32,15). Poetische Stücke
werden in kleine Sätze aufgelöst, so daß parallele Glieder nicht
nebeneinander stehen. Ein solches Verfahren verwischt die literarische
und poetische Struktur.

So bleibt als Fazit zu fragen, inwiefern eine derartige Umschreibung
und Disposition des hebräischen Textes sachentsprechend
ist, zumal hinter ihr diskutierte und diskutierbare Auffassungen
stehen. Die philologische Forschung wird weitergehen
und muß ständig mit Modifizierungen oder Veränderungen einmal
erreichter Erkenntnisse rechnen. Dazu liegen ihr Sinn und
ihre Zielsetzung darin, dem tiefer dringenden Verständnis
sprachlicher Äußerung als Ausdruck des Denkens und der Kommunikation
zu dienen. Von daher läßt denjenigen, der mit dem
Alten Testament umgeht, die Überlegung nicht los, ob diese, von
der Linguistik herrührende Satzanalyse und morphologische
Darstellung des vormasoretischen Hebräisch der inhaltlichen Erschließung
der so bearbeiteten Literatur zugute kommt.

Stuttgart Wolfram Herrmann

Tournay, Raymond Jacques: Seeing and Hearing God with the
Psalms. The Prophetic Liturgy of the Second Temple in Jerusalem
. Transl. by J. E. Crowley. Sheffield: Sheffield Academic
Press/JSOT 1991.311 S. 8° = Journal for the Study oftheOld
Testament, Suppl. Series 118. Lw. £ 30,-.

Mit diesem aus dem Französischen übersetzten Buch legt R. J.
Tournay, der Direktor der Ecole Biblique et Archeologique Fran-
caise in Jerusalem, einige sehr profilierte und thematisch zusammenhängende
,Psalmenstudien' vor. Das Erscheinen des Buches
ist vor allem deshalb zu begrüßen, weil es Themen aufgreift,
denen sonst in der neueren Psalmenforschung weniger nachgegangen
worden ist.

Die eigentlichen Ausführungen des Vf.s werden einerseits von
einer allgemeinen Einführung in die neuere Psalmenforschung
(General Introduction, 13-32) und andererseits durch eine recht
ausführliche Bibliographie (235-275) sowie durch Register verschiedener
Schrifthinweise (277-304) und der Autoren (305-
311) umrahmt. Dadurch ist der Wert des Bandes als eines sehr
nützlichen Handbuches wesentlich erhöht worden; eben dies ist
in einer Zeit, die durch Großproduktion spezialisierender Fachliteratur
gekennzeichnet ist, kaum zu überschätzen.

In Tournays forschungsgeschichtlicher Darstellung läßt sich
beobachten, wie weit sich die Psalmenforschung von der formgeschichtlichen
Forschung Gunkels und insonderheit von der kultgeschichtlichen
Deutung Mowinckels sowie auch von der religionsgeschichtlich
geprägten "Myth and Rituaf-Schule nun
faktisch, jedenfalls in den Augen dieses katholischen Bibelforschers
, entfernt hat. Dabei stellt Tournay aber um so stärker die
Stil- und literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkte der neuesten
Bibelforschung heraus.

In der Einleitung kommt sein eigenes Anliegen zum Ausdruck,
wenn er sich abschließend zu "A New Approach" (24-32, bes.
27-32) äußert. Dabei ist ihm wichtig, den Daten der Chronik
(sowie auch denen des Esra/Nehemia) ein weit größeres Zutrauen
und Interesse zu schenken, als es in der neueren Forschung gewöhnlich
geschieht, um so das chronistische Sondergut noch ausführlicher
vor allem im Hinblick auf die Endfassung des Psalters.
Er will somit eine Spätdatierung vieler Psalmen, die auf verschiedene
Weise in der älteren, literarkritischen Forschung vorherrschte
, wieder befürworten oder wenigstens alle Anzeichen