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Ausgabe:

1992

Spalte:

902

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ottosson, Magnus

Titel/Untertitel:

Josuaboken 1992

Rezensent:

Ringgren, Helmer

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

902

dtjes Grundschrift... wieder die sich dem Impuls der anonymen
Prophetengestalt .Dtjes' verdankende .Komposition' Jes 40-55
in den Vordergrund rückt, braucht nicht sonderlich betont zu
werden. So unbestritten Jes 40-55 verschiedene Wachstumsphasen
durchlaufen hat und die Spuren einer vielschichtigen Redaktionsarbeit
an sich trägt, so unbestritten ist das Werden eines
solchen Korpus nicht ohne den prägenden Impuls einer Prophetenpersönlichkeit
und ihrer Botschaft zu denken. Manche der in
Jes 49-55 versammelten Texte mögen in der auf uns gekommenen
Gestalt nicht auf den hinter Jes 40-48* stehenden Propheten
selbst zurückgehen, die Zugehörigkeit dieser Kapitel zum engeren
Kontext der dtjes Heilsbotschaft steht aber außer Zweifel und
ist m.E. so eng, daß der entscheidende Impuls für die in ihrem
.hinzuwachsen' reflektierte .Aufarbeitung' der Exilserfahrung im
Licht der jeremianischen Tradition von Dtjes selbst ausgegangen
sein muß. Wenn man die originelle Akzentuierung und Vertiefung
der dtjes Botschaft, wie sie zumal in Jes 52,13-53,12 und Jes
54 zutage tritt, dem Propheten selbst eher absprechen möchte,
bleibt als Alternative nur die Annahme, daß hierein mit der dtjes
Botschaft engstens vertrauter Schüler ... zu dieser grandiosen
.Schlußperspektive' durchgedrungen ist" (241ff)- Damit läßt der
Vf. den Lesern seiner Arbeit die Freiheit zu unterschiedlichen re-
daktionsgcschichtlichen Folgerungen. Zugleich betont er aber die
inhaltliche Besonderheit des untersuchten Kapitels und seine
Verbindung zu Texten des Jcrcmiabuches (Jer 4,5-31). Auf welchem
Wege erarbeitete der Vf. seine Ergebnisse?

Die vorliegende Arbeit ist eine detaillierte textanalytische
Untersuchung, deren Einzelcrkenntnisse auch nicht ansatzweise
dargestellt werden können. Der Vf. fußt vor allem - wenn auch
nicht ausschließlich - auf methodischen Grundsätzen, die Harald
Schweizer erarbeitet hat (Einführung 1-7). Deshalb geht
er in mehreren Schritten vor, die jeweils von einer knappen
methodischen Reflexion eingeleitet werden: Am Anfang stehen
die Sicherung des Textes, einschließlich Textkritik, sowie die
Diskussion litcrar- und gattungskritischer Fragen („Vorbereitende
Schritte der Konstituierung" 8-38). Sodann wird ausgesprochen
differenziert das Satz- und Textgefüge von Jes 54 beschrieben
und ansatzweisc interpretiert, wozu die Definition von
Äußcrungscinhciten gehört („Übersetzung und erster Interpreta-
tionsdurchgang..." 39-91). Der dritte Teil der Arbeit bildet
den umfangreichsten Komplex. In drei formkritischen Schritten
- der Unterscheidung von fünf Teiltexten, deren jeweilige Untersuchung
auf Strukturelemcnte hin, sowie die Erhellung von
Strukturbezügen des Gesamttextes - wird eine Fülle von Beobachtungen
zusammengetragen („Strukturanalytische Interpretationsdurchgänge
" 92-223). M. E. liegt die eigentliche Bedeutung
der Arbeit in dieser Zusammenstellung von Zusammenhängen
und Beziehungen. Jede neuerliche Interpretation von Jes 54
muß das hier aulbereitete Material zu Rate ziehen. Zum Abschluß
wird die Frage nach dem literarischen Umfeld von Jes 54
gestellt. Neben Bezügen innerhalb des Materials in Deuterojesaja
weist der Vf. - und das ist ein neuer Akzent - auf Beziehungen
zur jeremianischen Tradition und dort besonders auf Jer 4,5-31
hin. Dazu benennt der Vf. die Frage, „ob und inwiefern auch die
dtjes Parallcltexte zu Jes 54 diesem Horizont verpflichtet sind, ja
ob nicht die Diskussion um die Entstehung des Dtjes-Buches gerade
durch das In-Rcchnung-Stellen eines jeremianischen Horizonts
wertvolle Anregungen erhalten könnte" (240), ohne sie
allerdings weiter bearbeiten zu können („Ausblick auf den Horizont
' von Jcsaja 54" 224-242).3

Insofern lenkt dieser Arbeit die Forschung nicht unbedingt in
eine völlig neue Richtung, stellt aber dem bisherigen Gang der
Forschung wesentliche und interessante neue Einsichten und Akzente
an die Seite („Schluß" 242-245).

1 Kyros im Deuterojesaja-Buch. Forschungen zum alten Testament I,
hg. v. B. Janowski und H. Spieckermann, Tübingen 1991.

2 Vgl. nur a.a.O., 216f.

3 Ein Literaturverzeichnis (247-266), ein Autorenverzeichnis (267-
271). ein Verzeichnis der Bibelstellen (272-277) und eine Liste der hebr.
Wörter (278) beschließen die Publikation.

Ottosson, Magnus: Josuaboken. En programskrift för davidisk
restauration. Stockholm: Almquist & Wiksell Intern. 1991.
300 S. gr.8 = Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Billica
Upsaliensis, 1. Kart. SEK 174,-.

Magnus Ottosson, Professor für Altes Testament an der Universität
Uppsala, legt in diesem Buch eine Untersuchung der
Komposition und Zielsetzung des Josuabuches vor. Die Hauptthese
ist, daß das Josuabuch vom „Deuteronomisten" in der Zeit
Josias mit der Absicht abgefaßt wurde, ein Programm Tür die
Wiederherstellung des Davidreiches zu geben. Wie sich das Josuabuch
unter diesen Voraussetzungen zum deuteronomisti-
schen Geschichtswerk im Ganzen verhält, wird leider nicht erörtert
.

Es wird daraufhingewiesen, wie oft Parallelen zwischen Josua
und P-Stoff in Numeri zu finden sind. Der daraus gezogene
Schluß ist, daß der dtr. Verfasser mit „P-Stoff" arbeitet und ihn
Tür seine Zwecke bearbeitet. Man darf aber den Vf. nicht so verstehen
, daß er damit die P-Quelle des Pentateuchs meint und für
eine Frühdatierung dieser Quelle eintritt. Es wäre wünschenswert
gewesen, daß er irgendwo seinen Ausdruck P definiert hätte,
aber das tut er nicht. Aus dem Zusammenhang geht jedoch hervor
, daß er unter P und P-Stoff ein in priesterlichen Kreisen überliefertes
Material versteht, daß z. T. auch in der Pentateuchquelle
P Niederschlag gefunden hat. Aber auch dies bedeutet eine Umkehrung
von Noths These einer priesterl. Bearbeitung von Jos.

Es wird also betont, daß die Eroberung und Verteilung des Landes
in allen Einzelheiten im Gehorsam für den von Jahwe durch
Mose gegebenen Befehl geschehen ist. Josua ist der gesetzestreue
Führerund Herrscher, der eben dadurch erfolgreich ist. Auf ähnliche
Weise kann das Davidreich nur durch einen gesetzestreuen
Herrscher und ein gehorsames Volk wieder aufgebaut werden.

Da demnach Auswahl und Darstellung des Stoffes von der tragenden
Idee des Vf.s bestimmt sind, könnte es zwecklos erscheinen
, die Frage nach der hinter dem Josuabuch stehenden geschichtlichen
Wahrheit zu stellen. Die Frage bleibt aber, inwieweit
die Uberlieferungen richtige Erinnerungen bewahrt haben.

In einem Schlußkapitel werden die archäologischen Ergebnisse
im Zusammenhang mit der Landnahme erörtert. So viel scheint
sicher zu sein, daß man mit einer längeren Zeit der Koexistenz
von Kanaanäern und Israeliten rechnen muß. Der Vf. scheint
sich denjenigen Forschern anzuschließen, die mit der Entstehung
jedenfalls eines größeren Teils von Israel in Palästina rechnen,
und er neigt zu einer Identifikation von Chabiru und Israel/
Hebräern. Was er über den Aufenthalt Israels in Ägypten, den
Auszug und der Wüstenwanderung denkt, erfahren wir nicht.
Hier liegt eine unbeantwortete Frage, die tatsächlich sehr wichtig
ist: Wenn Israel in Kanaan entstanden ist und der Name des Volkes
den Gottesnamen El enthält, wie ist dann die Jahwereligion
zustandegekommen? Bewahrt die Überlieferung vom Landtag in
Sichern die Erinnerung eines Zusammenschlusses von einem Elverehrenden
Israel und einer Jahwe-verehrenden Gruppe, die
eine ägyptische Vorgeschichte hat?

Der Vf. entschuldigt sich wegen der langen Entstehungszeit des
Buches. Und in der Tat finden sich gewisse Unebenheiten und
Wiederholungen, die aber kaum den Inhalt des Buches beeinträchtigen
. Eine ziemlich ausführliche englische Zusammenfassung
ermöglicht dem nicht schwedisch-kundigen Leser, die
Hauptgedanken des Buches kennenzulernen.

Leipzig

Rainer Stahl

Uppsala

Helmer Ringgren