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Ausgabe:

1992

Spalte:

897-900

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mooren, Thomas

Titel/Untertitel:

Macht und Einsamkeit Gottes 1992

Rezensent:

Kirste, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 12

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Ganz anders W.C. Smith: Bei ihm ist das Verstehen nur ein
Verstehen des personalen Glaubens, nicht der akkumulierten
Tradition; er möchte am liebsten die Vokabel „Religion" abschaffen
und sich auf den Glauben von Personen konzentrieren. Smith
kritisiert die Ablösung des Religionsbegriffes von dem Ort, wo er
lebt: in den lebendigen Personen. Im Endergebnis kommt der
Verfasser der Position von W. C. Smith nahe.

Die normativen Weisen des Verstehens sind kontrastierend
ausgewählt: H. Kraemer geht von der universalen Auswirkung
der Sünde in den Religionen aus; H. Kling vom universalen
Hcilswillen Gottes, der alle annehmen will und dazu sich in den
konkreten Religionen offenbart hat. Dazu ist S. Radhakrischnan
ein andersartiger Kontrast, der in allen Religionen „Versuche der
Annäherung an die spirituelle Realität" (122) sieht, und auch das
ist eine Art normatives Verständnis.

Endlich werden einige Kategorien als „inadäquat" bezeichnet,
weil sie zur Verwirrung statt zur Klärung der Unmenge der historischen
Daten beitragen. Das sind v.a. die Namen konkreter
Religionen, insbesondere Hinduismus und Buddhismus, die eine
große Menge ganz heterogenes Material in sich vereinen oder
besser gesagt eben nicht vereinen, und dazu gehört auch der
Begriff des Synkretismus, der nicht besser ist und dazu noch
negative Bewertungen mitschwingen läßt. Der Gegenvorschlag
geht darauf hinaus, etwa die Religion eines Gebietes (wie China
oder Japan) zu untersuchen und dann zu fragen, wie darin Elemente
verschiedener Herkunft verschmolzen, verbunden oder
nur nebeneinandergestellt sind.

Unbefriedigend bleibt natürlich, daß man immer wieder erfährt
, es sei vollständig legitim, normative Religionswissenschaft
als Dogmatiker oder Philosoph zu betreiben; der als gültig angesehene
Wissenschaftsbegriff aber macht dies extrem schwierig.
Aber das ist doch für viele, wenn nicht für die meisten, das, was
das Studium der Religionen interessant macht: die Suche nach
der gültigen Wahrheit.

Erlangen Nicls-l'cter Morilzen

Mooren, Thomas: Macht und Einsamkeit Gottes. Dialog mit
dem islamischen Radikal-Monotheismus. Würzburg: Echter;
Altenbcrge: Oros 1991. 409 S. 8 = Würzburger Forschungen
zur Missions- und Religionswissenschaft. Religionswissenschaft
!. Studien. 17. Kart. DM 59.80.

Der Vf.. Thomas Mooren, katholischer Theologe mit Ergänzungsstudien
der Orientalistik und Anthropologie, mit Erfahrungen
in einer Reihe islamischer Länder, möchte mit der vorliegenden
Aufsatzsammlung nicht einfach einige Überlegungen zum
Verhältnis Christentum - Islam anstellen, sondern die damit
zusammenhängenden Beziehungsfragen unter das Zentrum der
Gottesfrage bringen, also vergleichende Theologie im systematischen
Sinne treiben. Das tut er in einer „Serie autonomer Beiträge
" (19), die sich allerdings zuweilen thematisch überschneiden
. Dennoch kommt er immer wieder auf den islamischen
Radikal-Monotheismus zurück. Er meint damit nicht einen radikalen
Gottesglaubcn. sondern spiegelt die jeweilige Realität im
Gottesverständnis des Islam und des Christentums. Im Christentuni
kommt es ihm dabei in besonderer Weise auf die Trinität
und die Inkarnation an.

Nun habe ich gewisse Probleme, die Definition „radikal-
monotheistisch" an der Ablehnung eines Erwählungsgedankens
(wie er im Judentum und Christentum zu Hause ist) festzumachen
und das islamische Gottesverständnis auf Allah, den einsamen
, unverfügbaren und fernen Gott festzulegen (12). Sicher ist
der islamische Monotheismus eine Anfrage an die christliche
Trinität. aber mit dem islamischen Radikalmonotheismus eine

Schärfe ins Gottes„bild" des Islam zu bringen, von dem sich die
weniger radikale monotheistische Trinität des Christentums abhebt
, diese systematische Vorgabe scheint mir jedoch den Gedanken
der Barmherzigkeit Gottes und der Stellvertreterschaft des
Menschen im Koran nicht genügend zu würdigen.

M. beginnt mit Der Islam in theologischer, anthropologischer
und philosophischer Sicht (25ff). Dahinter verbirgt sich ein geschichtlicher
Abriß des Islam, beginnend in der vorislamischen
Zeit, um dann über Mohammed bis zur Islam-Deutung Hegels zu
kommen. Betonend, daß der Islam keine Heilsgeschichte kennt,
stellt Mooren die Kompromißlosigkeit Gottes im Islam dar, mit
der Konsequenz, daß radikaler Monotheismus in dieser Weise
aggressiv macht (51). Gleichzeitig schleichen sich in seinen geschichtlichen
Abriß alte Vorurteile ein, wie die vom Kameltreiber
Mohammed (27), eine strukturelle Gleichsetzung des Islam
mit dem „Wildeselmensch" von Gen. 16,12 (42) und der von
Mohammed initiierten Ausrottung seiner jüdischen Gegner.
Sehr schön auf der anderen Seite, daß er die Wichtigkeit des
Hanifismus, also des vorislamischen Ein-Gottglaubens (an der
die Gestalt des Christen und Muslime verbindenden Abraham)
besonders hervorhebt (32).

In dem wichtigen Beitrag Islam und Christentum im Horizont
der anthropologischen Wirklichkeit (62ff) zeigt er aufgrund der
kulturellen und sozio-ethnischen Voraussetzungen der arabischen
Halbinsel, daß der Gedanke an Söhne und Töchter Gottes
dem islamischen Glauben „radikal" fremd sein muß; sonst
würde er in überholte Traditionen zurück- bzw. abfallen (63ff).
Hier - wie in einigen anderen Aufsätzen - fällt nun auf, daß M.
beim islamischen Gottesverständnis immer wieder von "Allah"
(wie von einem anderen Gott, nämlich dem des Islam) spricht,
obwohl er davon ausgeht, daß „Allah" der arabische Name für
Gott ist (vgl. 27, 63, 153, 156). Er hebt anthropologisch hervor,
daß der Islam nicht wie das Christentum von der Vollendung,
sondern höchstens vom Ende der Geschichte reden kann, macht
dies an den Beschreibungen Gottes im Islam fest und setzt dagegen
die Dynamik der christlichen Trinitätslehre (70). Eine Reihe
für den Vergleich wichtiger Aspekte fallen allerdings aus, insbesondere
die Varianten der trinitarischen Hypostasenlehre, wie sie
das griechische Christentum entwickelte und wie sie auch noch
von der lateinischen Theologie (mit einem vom heutigen Personenbegriff
völlig unterschiedlichen Verständnis von „persona",
z. B. von Augustin und Thomas von Aquin) übernommen wurde.

Dazu gibt es faktisch eine unmittelbare Fortsetzung im Blick
auf Mythos, Monotheismus und Spekulation (87ff). Dies ist der
erste Aufsatz eines Ensembles, in dem die Machtfrage thematisiert
wird und die Problematik des islamischen Gottesverständnisses
hinsichtlich der Selbstgenügsamkeit und Einsamkeit Gottes
auf die Ausübung von Macht zusteuert. Solche Interpretation
geht auf Kosten der Barmherzigkeit Gottes, die mannigfach und
zentral im Koran erwähnt, nun hermeneutisch „zurückgefahren"
werden muß. Denn der barmherzige Gott paßt schlecht ins Bild
des Macht-Gottes. Damit hängt nach M.s Meinung die Mytholo-
gielosigkeit des Islam (95) und insbesondere seine Sohnlosigkeit
zusammen (ebda).

Eine ähnliche Tendenz finden wir in Abstammung und Heiliges
Buch{ 18ff), wo letztlich die Vertextung des Koran als legalisti-
sche Engführung gesehen wird. Vom christlichen Gesetzesbegriff
eines Paulus, mit dem der Autor hier implizit und später auch explizit
arbeitet, ändert sich dadurch das Bild vom Islam nicht sonderlich
zum Positiven, besonders wenn man noch an die Ablehnung
jeglicher Sakramentalität durch den Islam denkt (vgl. unten
318ff).

Die Differenz zwischen Christentum und Islam wird dann
auch im Grundmuster der jeweiligen Spiritualität konstatiert
(148ff): Muslimische und christliche Spiritualität: zwei recht unterschiedliche
Weisen des In-der- Welt-Seins (148ff).