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Ausgabe:

1992

Spalte:

881-882

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Markschies, Christoph

Titel/Untertitel:

Valentinus Gnosticus? 1992

Rezensent:

Markschies, Christoph

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881

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

882

JtveOua) auf den Lobpreis der Kraft Christi hinausläuft, da es den
doxologischen Nebensinn von Kavx&oQm aus der Septuaginta
mitanklingen läßt, die aus Jer 9,23 gewonnene Aufforderung in
10,17 erfüllt und von der christologischen Einsicht des Herrnworts
in 12,9 getragen ist, daß die Kraft in Schwachheit zur
Vollendung kommt. Diese doxologische Bedeutung des Sich-
Rühmens wurde schon in der Alten Kirche erkannt, von der kritischen
Exegese der Neuzeit aber völlig übersehen. Seiner
Schwachheiten rühmt sich Paulus daher nicht als Beweis seiner
Geduld und Bewährung, sondern als Wirkungsfeld der Kraft
Christi und heroisiert damit das Schwache und Verachtete in der
Narrenrede ebensowenig wie in IKor 1,26-31. Geprägt von der
Psalmenfrömmigkeit erzählt er in 12,7b-9a von der Klage über
die als Dorn fürs Fleisch umschriebene Krankheit, der Bitte um
die Befreiung von diesen Schlägen des Engels Satans und der Antwort
des Herrn, die ebenso wie die Vertrauensaussagen der Klagepsalmen
zum Festhalten an der göttlichen Gnade ermutigt.
Das Herrnwort fordert nicht zur (stoischen) Tugend der Genügsamkeit
auf, sondern sagt das Ausreichen der Gnade zu und begründet
dies mit der Erklärung, daß die Kraft in Schwachheit zur
Vollendung kommt. Durch das Leiden wird nicht Gottes Allmacht
in Frage gestellt, sondern den Ausgangspunkt bildet seine
auferweckende Kraft, die sowohl die menschliche Todesohnmacht
zu überwinden als auch aus Todesgefahren zu erretten vermag
. Das Leiden und Sterben wird nicht mehr als Gott Verlassenheit
erfahren, sondern analog zur Passion Jesu als Gemeinschaft
seiner Leiden erkannt und hat die Auferweckung zum ewigen
Leben mit ihm durch die Kraft Gottes zur Folge (2Kor 4,7-12;
13,4; Phil 3,10; Rom 8,17). Anthropologisch gesehen macht die
Kraft Christi den Glaubenden nicht kraftvoll und stark, sondern
erfüllt ihn mit der urchristlichen Freude im Leiden und bestärkt
ihn in der Geduld, Bewährung und festen Hoffnung auf Gottes
Herrlichkeit (Rom 5,2-5). Statt die anthropologische Bedeutung
des Herrnworts zu entfalten, zieht Paulus in 2Kor 12f vor allem
die Folgerung, daß seine menschliche Schwachheit weder eine
Bedingung noch ein Defizit seiner apostolischen Vollmacht darstellt
, da die Kraft Christi völlig unabhängig von der Schwachheit
des Apostels durch dessen Verkündigung Glauben zu schaffen
und zum Heil zu führen imstande ist.

Markschies, Christoph: Valentinus Gnosticus? Untersuchungen
zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den
Fragmenten Valentins. Diss. Tübingen 1990. 546 S.

In der Arbeit wird nach einem Theologen des zweiten Jh.s gefragt
, der trotz der sehr angewachsenen Gnosis-Forschung doch
nur wenig beachtet wurde. Seine „Schattenexistenz" erklärt sich
zu guten Teilen aus dem Ungleichgewicht der schriftlichen Uberlieferung
: Während seine sogenannten „Schüler" z.T. ausführliche
Texte hinterlassen haben, blieben von Valentin nur wenige
Fragmente erhalten. Die methodische Prämisse der Untersuchung
ist, daß nur diese Fragmente einen zuverlässigen Weg zur
Rekonstruktion der „originalen Lehre Valentins" ermöglichen.

Daher werden in einem ersten Teil der Arbeit diese Überreste
zum ersten Mal ausführlich kommentiert, wobei versucht wird,
sie soweit als möglich aus sich heraus zu verstehen. Dabei zeigt
sich, daß zwischen der Lehre Valentins, soweit sich diese rekonstruieren
läßt, und dem System seiner Schüler erhebliche Unterschiede
bestanden haben müssen, die auf die Frage führen: War
Valentin, als er diese Texte schrieb, überhaupt ein Valentinianer?
In einem zweiten Teil sind Untersuchungen zu Prosopographie
und Doxographie dieses Mannes zusammengestellt, der unangefochten
um die Mitte des 2. Jh.s in der römischen Gemeinde
lehrte. Dort wird auch begründet, warum Texte, die gern für
Werke Valentins gehalten werden, also bes. das „Evangelium
Verltatis" oder der Rheginusbrief aus dem Bibliotheksfund von

Nag Hammadi, nicht für die Rekonstruktion von dessen Lehre
verwendet werden dürfen und auch die Referate der späteren Hä-
resiologen über ihn (bes. Irenäus, Haer. I 11,1) nahezu nichts
dafür austragen. Die Arbeit schließt mit dem Versuch einer Einordnung
Valentins in die Dogmen- und Theologiegeschichte des
2. Jh.s; dort wird auch versucht, die Titelfrage „Valentinus Gnosticus
?" auf der Basis seiner Fragmente zu beantworten:

Wenn man vor allem von den Fragmenten ausgeht, findet man
in der Lehre Valentins, soweit sie heute noch Konturen zu gewinnen
vermag, keine „Samen gewisser alter Lehren" der Gnosis,
die Valentin aufgenommen hat, sondern eine erstaunliche Nähe
zu theologischen Problemlösungen, wie sie das hellenistische Judentum
eines Philo oder das alexandrinische Christentum eines
Clemens entwickelten. Außerdem begegnet man auch sehr originellen
eigenen Denkansätzen, die weder auf Vorgänger zurückgehen
noch Nachfolger gefunden haben. Daher wird der jetzt gern
vertretenen These, Valentin sei ein „christlicher Reformer eines
klassischen gnostischen Systems gewesen", widersprochen.

Es wird in ihr dagegen durch die Kommentierung der Fragmente
der Versuch unternommen, die „Schattenexistenz" Valentins
zu beenden und ihn unter den Übermalungen späterer Interpreten
als eigenständigen Theologen freizulegen: Er erweist sich
dann nicht mehr als „mediokrer" Anreger seiner Schüler, als der
er häufig nur gesehen wird, sondern als ein eigenständiger theologischer
Kopf der Alten Kirche, der die Lehren des Christentums
den gebildeten römischen Zeitgenossen zu vermitteln sucht.
Dabei kommt er aufgrund seiner Begabung z.T. zu unkonventionellen
Lösungen, die die theologische Tradition des hellenistischen
Judentums durch weitere Elemente der Popularphilosophie anreichern
. In starkem Bezug auf biblische Sprache und biblische Theo-
logumena verfaßte Valentin Texte von außerordentlicher poetischer
Kraft.

Ausschreibung Hermann-Leberecht-Strack-Preis

Der Herman-Leberecht-Strack-Preis der Landeskirchlichen Stiftung
für evangelische Theologen, begründet von Herman L.
Strack, wird hiermit zum sechsten Mal ausgeschrieben.
Thema: „Das Alte Testament als christlicher Text. Die Hermeneutik
von A. H. J. Gunneweg"

Zugelassene Teilnehmer: Studierende der evangelischen Theologie
, die sich auf ein theologisches Examen vorbereiten, sowie examinierte
, nicht promovierte Theologen, die im Dienst der evangelischen
Kirche tätig sind.
Einreichungsfrist: 31. Dezember 1993.

Die Arbeit ist in deutscher Sprache abzufassen, in Maschinenschrift auszufertigen
und in drei Exemplaren einzureichen, und zwar ohne Nennung des
Verfassers, jedoch mit einem Kennwort und unter Beifügung eines mit
demselben Kennwort versehenen und verschlossenen Briefumschlags, der
Name. Tätigkeit und Anschrift des Verfassers enthält.
Die Arbeit ist an den Vorsitzenden der Stiftung einzureichen:
Prof. Dr. Richard Hentschke, Teutonenstr. 18, W-1000 Berlin 38
Preise: 1. Preis: 5000 DM: 2. Preis: 2000DM.

Preisrichterkollegium: Prof. Dr. R. Hentschke, Berlin; Prof. Dr. D.
Michel. Mainz; Prof. Dr. W. Schmithals, Berlin.

Uber die Verteilung der Preise entscheidet das Preisrichterkollegium mit der
Mehrheit seiner Mitglieder. Seine Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Berichtigung

InThLZ 117, Heft 8, Sp. 597, Z. 41 ist das Wort „ Störungen" in
„Strömungen" zu korrigieren. Der dazugehörige Satz lautet:

Hervorzuheben ist auch, daß er bei der Zuweisung von Texten an deute-
ronomisch-deuteronomistische Strömungen Vorsicht walten läßt und erst
nach eingehender Prüfung eine solche vornimmt.