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Ausgabe:

1992

Spalte:

879-880

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Gassmann, Lothar

Titel/Untertitel:

Das anthroposophische Bibelverständnis 1992

Rezensent:

Gassmann, Lothar

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879

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

880

tins" (145-152) nimmt Kap. 5 der Vita des Slavenlehrers zum
Ausgang, um vor allem die Originalität der Argumente vor dem
Hintergrund der im 9. Jh. bereits ausgereiften Positionen herauszustellen
. „Bild und Bilderstreit in der Dichtung" (153-179) ist
eine besondere Kostbarkeit mit ihrer ersten Zusammenstellung
von Zeugnissen der bilderfreundlichen Dichtung. Schließlich
„Kreuze, Reliquien und Bilder im Zeremonienbuch des Kaisers
Konstantin Porphyrogennetos" (180-186) beschreibt die Rolle
der sakralen Gegenstände im Kaiserzeremoniell mit der Warnung
, „an den Quellen vorbei auf einen regen Bilderkult zu
schließen" (186). Die Forschung hat dem Vf. und den Förderern
dieser Ausgabe dafür zu danken, daß die für jeden Fachmann
wichtigen und förderlichen Aufsätze, die sich oft zu Studien erweitern
, in dieser Form zugänglich gemacht wurden.

Halle (Saale) Konrad Onasch

Archimandrit Johannes (Maslow): Fasten als Ausdruck bußfertiger Haltung
. Rituelle Besonderheiten der Fastendisziplin im alten Rußland
(SOrth 1991.9. 28-31).

Descy, Serge: Le Probleme de l'epistomologie theologique dans le champ
politique (In: Lcs Socictcs du Moycn-Oricnt comme lieu theologique. Bcy-
routh: Ed. Saint-Paul. S. 55-79).

Hatem, Jad: La trinite dans le cadre de la theologie politique (In: Les Sociales
du Moycn-Oricnt commc lieu theologique. Beyrouth: Ed. Saint-
Paul. S. 27-53).

La Tour, Augustin Duprc: Bible et Dcsacralisation (In: Lcs Societds du
Moycn-Oricnt comme lieu theologique. Beyrouth: Ed. Saint-Paul. S.
15-25).

Sernow, Nikolai: Das Erbe der russischen Intelligenz. Versuchung und
Bedrängnis im Schatten des Totalitarismus (SOrth 1991, 10. 17-20).

Sicking, Thom: Complcmcntarite et Opposition entre tradition et mo-
dernite cn theologie au Moycn-Oricnt (In: Les Societes du Moycn-Oricnt
commc lieu theologique. Beyrouth: Ed. Saint-Paul. S. 107-119).

Sleiman, Jean: Pour unc problcmatiquc des rclations intercommunau-
taircs chrcticnncs au Liban (In: Lcs Socictcs du Moycn-Orient commc lieu
theologique. Beyrouth: Ed. Saint-Paul. S. 89-105).

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

Gassmann, Lothar: Das anthroposophische Bibelverständnis.
Eine kritische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung
der exegetischen Veröffentlichung von Rudolf Steiner,
Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Rudolf Frieling. Diss.
Tübingen 1991. 361 S.

Kann die anthroposophische Exegese die spirituelle Dimension
wiedergewinnen, die nach ihrer Ansicht den anderen Systemen
der Bibelauslegung verlorengegangen ist? Diese Frage steht
im Zentrum der vorliegenden Untersuchung.

Der erste - geschichtlich-biographische - Hauptteil beschreibt
die weltanschaulichen Einflüsse auf das Denken Steiners, Rittelmeyers
, Bocks und Frielings, die zur Ausformung des anthropo-
sophischen Bibelverständnisses führten. Der zweite Hauptteil
prüft zunächst, ob und inwieweit der oben genannte Vorwurf der
Anthroposophie berechtigt ist. Anschließend wird der anthroposophische
Dreischritt zur Wiedergewinnung der spirituellen Dimension
(„ Erkenntnisse höherer Welten " - „ Akasha-Chronik" -
„spirituelle Interpretation") dargestellt und - sowohl aus empirischer
als auch aus theologischer Sicht - kritisch hinterfragt. Im
dritten Hauptteil schließlich erfolgt die systematische Entfaltung
und einzelexegetische Vertiefung des anthroposophischen Bibelverständnisses
: systematisch im Blick auf die Frage der Einheit
und Ganzheit der Schrift, ihres Einweihungs- und Meditationscharakters
sowie ihrer Zeitbedingtheit und Relativität; exegetisch
im Blick auf sechs ausgewählte Themen von exemplarischer
Bedeutung.

Die Überprüfung der methodischen und weltanschaulichen
Grundlagen der Anthroposophie führt zu folgendem Ergebnis:
Das anthroposophische Bibelverständnis ist aus dem berechtigten
Anliegen heraus entstanden, die Exegese aus einer (mancherorts
) rein diesseitigen, „materialistischen" Betrachtungsweise
der Heiligen Schrift herauszuführen und einen neuen Zugang zur
göttlichen Transzendenz zu ermöglichen. Diesem Anliegen werden
ihre Bemühungen trotz ihrer Liebe zu den biblischen Texten
jedoch nicht gerecht. Steiners „Erkenntnisse höherer Welten" als
Grundlage des gesamten anthroposophischen Systems sind empirisch
unnachprüfbar. Sein Erkenntnisweg ist nicht der Weg des
christlichen Glaubens, sondern der Weg alter gnostischer Systeme
in neuer Gestalt. Die nur dem „Hellseher" zugängliche
„Akasha-Chronik" erweist sich als subjektive, spekulative und
spiritistisch gefärbte Größe. Die darauf fußende „spirituelle Interpretation
" geht in ihren Auslegungen weit über die vom biblischen
Literalsinn und Gesamtkontext her verifizierbaren Inhalte
hinaus, ja sie tritt, wie die exegetische Einzelanalyse ergibt, vielfach
in direkten Gegensatz zu diesen. Sie erweist sich daher, auch
wo ein „neues Wörtlichnehmen" der Bibeltexte behauptet wird,
als (versteckte) Allegorese.

Die anthroposophische Exegese führt somit nicht zu einem
vertieften Bibel Verständnis, sondern sie führt von der Schrift weg
- hin zu frei assoziierender Spekulation. Sie ermöglicht keine
sachgemäße Auslegung und ist mit einem biblisch-reformatorischen
Schriftverständnis unvereinbar.

Heckel, Ulrich: Kraft in Schwachheit. Das Sich-Rühmen der
Schwachheiten in 2Kor 10-13 auf dem Hintergrund der pauli-
nischen Theologie. Diss. Tübingen 1991. 366 S.

Eine Monographie über das Verhältnis von Kraft und
Schwachheit in der paulinischen Theologie liegt bisher nicht vor,
aber auch über die einzelnen Begriffe gibt es nur erstaunlich wenige
Arbeiten. Die vorliegende Dissertation zeichnet in einer Argumentationsanalyse
den Gedankengang von 2Kor 10-13 nach,
erweist dann in einer Wortfelduntersuchung die Ablehnung des
Sich-Rühmens als gemeinantike Haltung und die Verwendung
von Kca>xäo6ai für das Gotteslob als jüdisch-christliche Besonderheit
und stellt schließlich das Verhältnis von Kraft und
Schwachheit in der paulinischen Christologie und Anthropologie
sowie in seiner apostolischen Verkündigung dar.

In 2Kor 10-13 hat Paulus die Zweifel an seiner Christuszugehörigkeit
als Apostel zu widerlegen und den in 10,10 vorgeworfenen
Widerspruch aufzulösen, seine Briefe seien „kraftvoll", sein
persönliches Auftreten aber „schwach". Innerhalb des paräneti-
schen Rahmens 10,1-6 und 12,19-13,10, der einen Besuch in
Korinth ankündigt und auf die Auferbauung der Gemeinde zielt,
polemisiert Paulus in dem apologetischen Vergleich in 10,7-
12,13 gegen die Überapostel und verteidigt zugleich in 10,7-
12,18 seinen Vollmachtsanspruch vor der Gemeinde. Mit dem
sentenzenhaft verkürzten Zitat aus Jer 9,22f rühmt er sich des
Herrn (10,17), der ihm seine Vollmacht zugemessen hat, und
wirft seinen Rivalen vor, daß sie schlimmer als der Weise, Starke
und Reiche sich nicht einmal ihrer eigenen Leistungen rühmen,
sondern sich mit den fremden Federn der paulinischen Mission
schmücken. In der sog. Narrenrede in 11,1-12,13 enthält das
Sich-Rühmen der Schwachheiten vordergründig „nach dem
Fleisch" (Kaxd adpica) eine - formgeschichtlich schon vielfach
untersuchte - Parodie auf den Selbstruhm der Gegner. Am Ende
stellt sich jedoch heraus, daß es zugleich „im Sinn des Herrn"
(Kara icupiov) geschieht (vgl. 11,170 und ,nach dem Geist' (Katä