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Ausgabe:

1992

Spalte:

869-870

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Linde, Jan M. van der

Titel/Untertitel:

Die Welt hat Zukunft 1992

Rezensent:

Theile, Christian

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Seite 1

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869

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

870

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Linde, Jan Marinus van der: Die Welt hat Zukunft. Johann Arnos
Comenius über die Reform von Schule, Kirche und Staat.
Übers, u. bearb. von P. Meier. Basel-Kassel: Reinhardt 1992.
236 S. 8 . ISBN 3-7245-0754-2. Kart. sFr. 38.-.

Am 28. März 1592 wurde Johann Arnos Comenius geboren.
1992 wird man seines 400. Geburtstages nicht nur in seiner tschechischen
Heimat gedenken. Der Pädagoge, der Theologe und der
unermüdliche Anwalt seiner Böhmischen Brüder im Exil wird
ebenso gewürdigt werden wie der Meister der tschechischen
Sprache und der unkonventionelle „pansophische" Denker.
V. Havel zitiert ihn ständig in seinen Reden.

Auch in Deutschland ist Jan Arnos Komensky, wie sein tschechischer
Name lautet, als „Klassiker" bekannt - namentlich in
Teilen seines pädagogischen Werkes. Von seinen theologischen
Schriften weiß man hingegen selbst unter Theologen nur wenig.
(Deutsche Theologiestudenten erfahren gewöhnlich kaum etwas
über ihn; selbst im „Heussi" sucht man seinen Namen vergeblich
!) Dabei gäbe es manches von ihm zu entdecken. Comenius
hat sich zu den unterschiedlichsten Fragen der systematischen
und praktischen Theologie geäußert und ebenso zu kirchlichen
und kirchenpolitischen Themen seiner Zeit. Er hat gepredigt,
Lieder gedichtet, Kirchenleitung und Gemeindeaufbau begleitet,
ökumenische und irenische Schriften geschrieben. Und darüber
hinaus: Seine gesamte Pädagogik und Philosophie ist eingebettet
in seine Gotteserkenntnis.

1979 gab der niederländische Theologieprofessor Jan Marinus
van der Linde unter dem Titel „De wereld heeft toekomst" ein
Buch heraus, in dem Comenius über die Reform von Schule, Kirche
und Staat zu Worte kommt. Die deutsche Übersetzung von
Dr. Peter Meier (Berlin) ist nun rechtzeitig zum 400. Geburtstag
von Comenius erschienen.

„Die Welt hat Zukunft" ist eine Einführung und eine Darstellung
der „ CONSULTATIO CATHOLICA ", des Hauptwerks des
großen Pädagogen, Theologen und Bischofs der Böhmischen
Brüder. Während Johann Arnos Comenius jahrzehntelang vergessen
war, sieht J. M. van der Linde Anzeichen einer Art „Renaissance
" des tschechischen Gelehrten und seines Werkes. Dem
Autor geht es freilich nicht einfach darum, sich an dieser Wiederentdeckung
zu beteiligen: van der Linde möchte nachdrücklich
Comenius in seiner Bedeutung als Theologe darstellen und gerade
auch die „Consultatio" als Beitrag zur praktischen Theologie
beschreiben, die ihre Wurzeln in einer tiefen biblischen Spiritualität
hat. Der Autor weist in seinem Schlußkapitel daraufhin,
daß Comenius völlig mißverstanden wird, wenn man von dieser
Verwurzelung absieht: er ist zeit seines Lebens „ Pastor und Apostel
" geblieben.

Das Buch, von van der Linde als „Versuch" bezeichnet, auch
einer breiteren Leserschicht die theologische Bedeutung Comenius
' vor Augen zu führen, ist in einer leicht verständlichen Sprache
geschrieben. Die ganze Welt ist Gottes Gemeinde. Schule.
Kirche und Staat dienen dazu, den Menschen wieder zu Gott zurückzubringen
. Der Kern dieser neu ermöglichten Rückkehr ist
Jesus Christus als „Reparator" des gebrochenen Verhältnisses
zwischen Gott und Mensch. Der Begriff,, Hoffnung" ist dabei die
entscheidende Triebfeder, die das ganze Werk von Comenius bestimmt
: auch in völlig chaotischen und unübersichtlichen Situationen
hält Gott seine Zukunft für die Welt bereit.

Diese Botschaft ist der Anknüpfungspunkt für das letzte Kapitel
des Buches: Hier stellt sich van der Linde der Frage, wieweit
Comenius noch unser Zeitgenosse sein kann. In seinen theologischen
Grundzügen, in seinem Leben in der Hoffnung (noch

„bevor der Begriff ,Theologie der Hoffnung' ein Modewort
wurde"), in seinem Vertrauen darauf, daß die in Christus wiederhergestellten
Menschen Gottes Mitarbeiter werden (wobei jemand
, der sich nicht für das Heil der Menschheit einsetzt, als
„Nichtmensch" bezeichnet wird) - in all dem sieht van der Linde
den letzten Bischof der Alten Brüderunität als unsern Zeitgenossen
, der uns mit seinem unerschütterlichen Glauben an Gottes
Zukunft sehr wohl selbst weiterhelfen kann. Gerade dieses letzte
Kapitel zeigt, wie sehr sich van der Linde von dieser im guten
Sinne naiven Frömmigkeit angesprochen fühlt, mit der Comenius
zu einem „Theologen der Ewigkeit" wird.

Gnadau Christian Theile

Mokrosch, Reinhold: Die Bergpredigt im Alltag. Anregungen
und Materialien für die Sekundarstufe I/II. Gütersloh: Mohn
1991. 192. 8° = GTB/Siebenstern, 746. Religionspädagogik.
Kart. DM 24,80.

In vielen Gruppen innerhalb und außerhalb der Kirche - besonders
in der DDR - hat die Bergpredigt nicht nur als Gemeindeethik
, sondern als Orientierung für gesellschaftliches Handeln
eine neue Alltagsrelevanz gefunden. Der Osnabrücker Religionspädagoge
R. Mokrosch fordert nun Konsequenzen für die Erziehung
Jugendlicher. Dabei geht es ihm nicht um eine „gesetzlichbuchstäbliche
", sondern um eine „freie kreative Bergpredigt-
Nachfolge".

Sein Buch ist eine Einladung zu solcher Kreativität schon dadurch
, daß er keine Unterrichtsentwürfc vorlegt, sondern auf
einen knappen 1. Teil mit Grundpositionen der Auslegung der
Bergpredigt (11-46) im 2. Teil eine Adressaten-orientierte Einzelexegese
folgen läßt (47-131) und seinem kontextualen Ansatz getreu
39 Materialien (132-182) aus Kirche, Gesellschaft, Literatur
und Karikatur beigibt. Dem Leser wird Lust gemacht, mit den
Texten der Bergpredigt nicht nur in der Schule umzugehen.

M. anerkennt den historischen und hermeneutischen Graben
zur Bergpredigt. Doch aufgrund der Beobachtung, daß die mat-
thäische Gemeinde jene Texte für „vernünftig" und „christlich"
im eigenen Lebensalltag hielt, fragt er danach, ob auch wir entsprechende
Erfahrungen machen können. Zwar sind Vernunftgründe
„objektiv nicht kommunikabel" und eine spezifische
Christlichkeit objektiv nicht feststellbar, aber „die Erfahrung der
Transrationalität und des Gewissensfriedens der Bergpredigt verbindet
uns mit den matthäischen Christen." (19)

Diese Auslegungsposition, wie auch jede andere, die M. kurz
diskutiert, entscheidet schließlich über den Umgang mit der
Bergpredigt, über ihren Geltungsbereich (rein binnenkirchlich
oder mit politischer Relevanz) und über die Lehr- und Lernbar-
keit (im eingegrenzten Raum von Christenlehre und Religionsunterricht
oder im erweiterten Raum eines Ethikunterrichtes).

Nach einem kurzen Gang durch die Geschichte der Auslegung
wendet sich M. der Frage zu, in welcher Weise „ 13- bis 19jährige
auf die Bergpredigt ansprechbar" (38ff) sind. Im Anschluß an die
Theorie der Entwicklung des religiösen Urteils (Stufentheorie),
wie sie von Kohlberg und Oser entfaltet wurde, stellt M. fest:
„Die Behandlung der Bergpredigt kann in dieser Lebensphase
die persönliche, moralische und religiöse Entwicklung der Schüler
entscheidend bereichern." (46)

Diese Adressatengruppe ist darum auch ständig im Blick,
wenn M. die Texte der Bergpredigt auslegt. Exegetische Sachkenntnis
verbindet sich mit gewissensethischen Überlegungen
und praxisrelevanten Beobachtungen. Dabei geht es M. nicht um
eine „Ethik höherer Prinzipien", sondern um eine „völlig neue
Perspektive einer Gottes-Versöhnung auf Erden, die man politisch
im Sinne einer gewaltfreien, paradox-symbolischen, kreati-