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Ausgabe:

1992

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

866

Ein dritter Ansatz versucht den Menschen „ganzheitlich" (80ff)
zu erfassen, hat aber eine Tendenz, „ins Fahrwasser anthropozentrischer
bzw. wesensdeduktiver Logik" (109) zu geraten. R.
empfiehlt dagegen eine „Bescheidenheit", die darauf verzichtet,
„... den letzten Sinnhorizont ... totalisierend festlegen zu wollen
". (109)

Der eigene Ansatz Römelts hat zwei Schwerpunkte. Auf der
einen Seite möchte er die von Jonas herausgearbeitete Beschreibung
radikal ernst nehmen. Auf der anderen Seite möchte er aber
dies zugleich theologisch auffangen, weil er meint, daß der
Mensch den offenen Horizont und seine eigene Zweideutigkeit
nicht erträgt und von „Daseinsangst" gepackt unfähig wird,
seine Verantwortung wahrzunehmen.

In einem abschließenden dritten Teil werden dazu Überlegungen
vorgestellt. Angeregt von J. Moltmann - der leider nur in der
Deutung von J. Niewiadomski dargestellt wird - und vor allem
von H.U. v. Balthasar argumentiert R. kreuzestheologisch und
trinitarisch. Am Kreuz läßt Gott sich auf die Zweideutigkeit des
Menschen ein und nimmt sie zugleich in sich auf, ohne sie aufzuheben
. So übernimmt Gott Tür den Menschen Verantwortung.
(115) Der Mensch kann darum mit seiner Zweideutigkeit und der
daraus resultierenden Schuld und Angst umgehen, weil er sich in
Gott geborgen weiß. Deswegen kann er im Sinne der Ethik der
Verantwortung leben und handeln.

Über folgende Punkte würde ich gerne mit dem Vf. diskutieren
:

1. Reicht es aus, wenn man versucht, die Last der Verantwortung
für den Menschen zu akzeptieren und theologisch erträglich
zu machen? Müßte nicht auch die Erfahrung von Verantwortung
selbst theologisch verständlich gemacht werden? Dies leistet
m.E. das Buch von R. nicht, trotz des Rahnerszitates auf S. 1 33f.

2. Was kann es heißen, daß Gott Tür den Menschen Verantwortung
übernimmt, wenn es doch auch für R. klar ist, daß die
Menschheit sich selbst zerstören kann. Kann man wirklich von
einem „offenen Drama" zwischen der „entschiedenen Liebe
Gottes und der noch schwankenden Freiheit des Menschen
reden " (128). wenn es sich wirklich um Gottes entschiedene Liebe
handelt? Worin besteht dann die Offenheit und welche Folgen
hat Gottes Entschiedenheit? M. E. weicht R. dieser Frage aus, indem
er die Verantwortung Gottes für den Menschen auf die
Ebene Angst, Schuld und Vergebung bringt. Hier zeigt sich nun
ein Versäumnis: R. hat m.E. den Verantwortungsbegriff nicht
ausreichend geklärt, bzw. arbeitet mit verschiedenen Verantwortungsbegriffen
. In der Ethik nimmt er den Verantwortungsbegriff
von H. Jonas auf. der Verantwortung von der Sache her versteht,
die auf das Handeln des Menschen Anspruch erhebt. (Jonas,
Prinzip Verantwortung, 44). Verantwortung wird hier konstituiert
durch Macht und Fürsorgepflicht, (ebd. 175ff)

Im Verhältnis Gott-Mensch arbeitet er aber mit dem Verantwortungsbegriff
, der vor allem unter dem Gesichtspunkt der Re-
chenschaftsablegung gedacht ist. Hier scheinen mir noch offene
Fragen zu sein.

3. Ist es wirklich sinnvoll, den Glauben an Gott als Antwort auf
das Sicherungsbedürfnis des Menschen einzuführen? (1140
Wird damit nicht der Argumentation von R. letztlich wieder die
Spitze genommen, indem er nun seinerseits einen übergreifenden
Zusammenhang herstellt, in den der Mensch hineingestellt
ist und der den offenen Horizont schließt? Und wird damit nicht
der Rcligionskritik die Tür geöffnet, in dem Gott nun als Garant
des Menschen erscheint, der seine Zweideutigkeit und den offenen
Horizont nicht erträgt: ein Gott also, der ein Sicherheitsbedürfnis
befriedigt?

Lambrechtshagen Karl-Matthias Sicgcrt

Buntzel, Rudolf (Bearb.]: Landwirtschaft in den Zwängen des Welthandels
. Beiträge über Agrarpolitik. Hunger und Umwelt in der Uruguay-
Runde. Hamburg: Dienste in Übersee 1991. 212 S. 8 = Texte zum Kirchlichen
Entwicklungsdienst, 50. Kart. DM 21,-.

Chadwick, Henry: Christentum und Humanität. Christianity and Hu-
manity. Hg. von U. Köpf. Tübingen: Mohr 1992. 51 S. kl.8 . Pp. DM 27,-.
ISBN 3-16-145917-2.

Christoffersen, Svcin Aagc: Etikkforfremtiden?(NTT93, 1992, 17-34).

Fischer, Johannes: Christliche Ethik als Verantwortungsethik? (EvTh
52. 1992. 114-128).

Härle. Wilfried: Zum Beispiel Golfkrieg. Der Dienst der Kirche in Kn-
sensituationen in unserer säkularen Gesellschaft. Hannover: Luth. Verlagshaus
1991. 72 S. kl.8 - Vorlagen, NF 14. DM 9,80.

Hennaux, J.-M.: Une Charte d'ethique medicale. Analyse critique
(NRTh 114, 1992,35-68).

Huber, Wolfgang: Sclbstbegrenzung aus Freiheit. Über das ethische
Grundproblem des technischen Zeitalters (EvTh 52, 1992, 128-146).

Jäger, Alfred: Unternehmensethik in theologischer Perspektive (WuD

1991, 235-246).

Mayer, Rainer: Kriterien einer Theologie des ethischen Konflikts.
„Teure" und „billige" Gnade am Beispiel von Dietrich Bonhoeffers politischem
Widerstand und aktuellen kirchlichen Äußerungen zur Abtreibungsproblematik
(Theologische Beiträge 23, 1992, 34-42).

Ringeling, Hermann: Konturen einer „postmodernen" Moral (EvTh 52,

1992, 103-114).

Rohde-Liebenau, Wolfram: Eigennutz und Eigentum. Anmerkungen zu
einer Denkschrift der EKD (JK 53. 1992, 222-226).

Schwab, Claude: De la Bible ä la bioethique (ETR 67. 1992, 193-204).

Vollmer, Jochen: Ist die Ablehnung eines christlichen Pazifismus schriftgemäß
? (JK 53. 1992, 68-71).

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Adam, Adolf: Das Kirchenjahr. Schlüssel zum Glauben. Betrachtungen
. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1990. 190 S. 8°. Kart.
DM 24,80.

Bücher zum Kirchenjahr - zumal, wenn sie allgemeinverständlich
geschrieben sind - erfreuen sich einer erstaunlichen Popularität
. Seinem Buch „Das Kirchenjahr mitfeiern" (Freiburg i. Br.
1979), das inzwischen schon in 5. Aufl. vorliegt, läßt der Vf. nun
eine Art Hauspostille zum Kirchenjahr folgen, die Information
und Erbauung auf vorzügliche Art miteinander verbindet. In vier
großen Abschnitten werden der Weihnachts- und der Osterfestkreis
(im Unterschied zum vorgenannten Buch in dieser Reihenfolge
), die Herrenfeste der Allgemeinen Kirchenjahreszeit und
das Jahr der Heiligen (in Auswahl: „Aus dem Sanctorale des Kirchenjahres
") behandelt. Zu jedem Sonn- bzw. Festtag gibt es jeweils
eine „Liturgische Hinführung" mit den wichtigsten Informationen
zur Geschichte, zur gegenwärtigen Praxis und zum
Proprium, insbesondere zu den Lesungen; dann eine „Spirituelle
Vertiefung" aus der Feder des Vf.s; schließlich einen „Impuls zur
Meditation ", den er sich aus dem theologischen bzw. erbaulichen
Schrittum seiner Konfession borgt; allerdings dürfen auch Jochen
Klepper (zu Neujahr. 430 und Adolf Köberle (zum 1. Fastensonntag
, 62) mit Zeugnissen evangelischer Spiritualität in
diesem ansonsten sehr katholischen Buch präsent sein (EKG
256, 6 wird auf S. 65 ohne Nennung des Vf.s und Dietrich Bon-
hoefferS. 183 in einem „Impuls" zitiert, im Register jedoch verschwiegen
). Einzelnen Abschnitten des Kirchenjahres - Advent.
Weihnachten. Österliche Bußzeit, Triduum sacrum, Sanctorale -
wird zusätzlich noch eine „Allgemeine Einführung" vorangestellt
, die die liturgischen Hinführungen zu den Sonn- und Festtagen
ergänzt.

Eigentliche Kernstücke dieser Postille sind die erwähnten „spirituellen
Hinführungen", die man mit Fug und Recht als Kurz-