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Ausgabe:

1992

Spalte:

63

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Heutger, Nicolaus

Titel/Untertitel:

Das evangelische Pfarrhaus in Niedersachsen 1992

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Seite 1

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63

Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 1

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Anlässe geschrieben sind, ohne einen darüber hinausreichenden
Anspruch zu erheben; der Text von Peter Christian Hall über
„Alltägliche (Un-)Moral" mag dafür als Beispiel gelten.

Angesichts dieser Textauswahl ist es auch nicht verwunderlich,
daß die Gliederung mehr verspricht, als sie schließlich zu halten
vermag. Konturen, Kriterien, Entwürfe, Konkretionen, Herausforderungen
: so heißen die Überschriften der fünf Teile, in die
das Buch gegliedert ist. Doch wer sich davon eine Abfolge in den
Schritten von Situationsbeschreibung, normativer Analyse und
Handlungsmodellen erwartet, sieht sich enttäuscht. Ausnahmen
- wie Hans-Wolfgang Heßlers Überlegungen zur Welt-Informa-
tions- und Kommunikations-Ordnung - bestätigen die Regel.

So dokumentiert dieser Band auf seine Weise den deplorablen
Zustand der gegenwärtigen Medienethik. Doch vielleicht hätte
sich die Ausgangsbasis, von der aus neue Bemühungen dringlich
geboten sind, doch etwas repräsentativer und substantieller darstellen
lassen. Hans-Wolfgang Heßler kündigt in seinem Vorwort
einen zweiten Band an; vielleicht löst er ein, was schon der erste
verspricht.

Heidelberg Wolfgang Huber

Praktische Theologie: Allgemeines

Heutger, Nicolaus: Das evangelische Pfarrhaus in Niedersachsen.
Als Beispiel für die Bedeutung des evangelischen Pfarrhauses.
Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris: Lang 1990. 293 S. m.
Abb. geb. DM 49,-.

Der Hildesheimer Pfarrer und Territorialkirchengeschichtler
sammelte eine Fülle von Material, das die Bedeutung niedersächsischer
Pfarrer und Pfarrerskinder für Gesellschaft und Kirche
belegt und damit exemplarisch die historische Rolle des Pfarrhauses
überhaupt unterstreicht. Originell setzt der Vf. damit ein,
daß er die Wirkungsgeschichte des ev. Pfarrhauses mit „der
Segensgeschichte des mittelalterlichen Klosters" vergleicht. In
vieler Hinsicht habe das Pfarrhaus das Kloster abgelöst. Der Vf.
weiß, daß es in den Pfarrhäusern immer sehr unterschiedlich aussah
, aber er neigt zu einer gewissen Idealisierung des Pfarrhauses
vergangener Zeit im Gegensatz zur Gegenwart. Es fällt ihm
schwer, die Berufstätigkeit von Pfarrfrauen zu akzeptieren, und
er vermutet, es werde zu einer Renaissance der alten „Pfarrfrauen
-Strukturen" kommen. Die positiven Erfahrungen des
Vf.s mit dem Pfarrhaus berühren sympathisch, doch wird zugleich
deutlich, wie stark der Historiker von seinem Vorverständnis
beeinflußt ist.

Der Hauptteil des Buches stellt die vielfältigen Leistungen niedersächsischer
Pfarrer und Pfarrerskinder zusammen. Mehr
Raum als die Pastoren nehmen deren Söhne ein. Allerdings erscheinen
unter der Rubrik „Pastorensöhne" auch solche, die selber
Pfarrer waren wie Ludwig Ihmels, Friedrich Spitta und Paul
Graff. Im breiten Spektrum der von Pastoren und ihren Söhnen
betriebenen Wissenschaften nimmt die Theologie einen hervorragenden
Platz ein. Heutger würdigt die Leistungen so bekannter
Theologen wie Paul Althaus, Rudolf Bultmann, Hermann Gun-
kel, was nur in knapper Form geschehen kann, und je nach Ergiebigkeit
des Materials kommen die Zeitabschnitte seit der Reformation
unterschiedlich vor. Die Ordnung des Stoffes nach den
Arbeitsfeldern der Pfarrer und Pfarrerskinder bringt es mit sich,
daß kein Gesamtbild der geschichtlichen Entwicklung entsteht.
So liegt ein durch Orts- und Namensregister erschließbares Nachschlagwerk
vor, das durch Bilder und Faksimiles aufgelockert
wird.

Gutenberg bei Halle/S. Eberhard Winkler

Sudbrack, Josef: Was heißt christlich meditieren? Wege zu sich
selbst und zu Gottes Du. Freiburg/Br.: Herder 1990. 126 S.
kl.8°= Herder Taschenbuch, 1717. Kart. DM 9,90.

Das Buch erschien bereits 1986 im Echter Verlag Würzburg
unter dem Titel „Sich in Gottes Ordnung bergen". Wenn es nun
erneut als Taschenbuch vorgelegt wird, so zeigt das die aktuell
gebliebene Fragestellung ebenso an wie die zugängliche Art, mit
der sie von Josef Sudbrack behandelt wird. Der durch zahlreiche
Publikationen im Themenumkreis hervorgetretene Verfasser
bietet nichts weniger als eine kleine Theologie der Meditation.

Nach einem Blick auf das Verständnis des Wortes „Meditation
" (11-14) und Überlegungen zu ihrer Dringlichkeit (15-18)
werden „offenes" und „geschlossenes Meditieren" einander gegenübergestellt
(19-30). Der „Stufenbau" meditativer Erfahrung
ist für Sudbrack in der Leiblichkeit des Menschen fundiert, und
er wird, ausgehend von der Verinnerlichung der fünf Sinneserfahrungen
(35-54) über die Selbsterfahrung (55-69) und den
„Anruf" durch das Wort (69-76) bis hin zur geistlichen Liebeserfahrung
als Gipfel des Meditieren (76-81) dargelegt. Unter den
„Strukturen" lebendiger Meditation werden Fragen von Leistung
und Gnade, die Bedeutung von Stille, Rhytmus, Leiderfahrung
, Askese und Sensibilität behandelt (82-104). Das Büchlein
schließt mit je einem Kapitel über „ Beten als Ernstfall des Meditierens
" (105-122) und über „Maria, Urbild christlicher Meditation
" (122-126).

Sudbrack hat also kein Übungsbuch zur Meditation geboten,
vielmehr Reflexionen zu dieser. Theologische Klärungen für den
Bereich der Meditation sind dringend, spricht doch einerseits die
jahrtausendealte Praxis in Bibel und Kirchengeschichte ebenso
für meditative Erfahrungen wie die gesteigerte Nachfrage nach
ihnen in unserem dezentralisierenden Zeitalter. Andererseits
sind aber durch die Begegnung mit Meditationspraktiken anderer
Religionen und Kulturen neue Fragestellungen aufgetaucht
und damit gerät christliches Meditieren zugleich in den Sog, zu
unterschiedsloser Selbsterfahrung verschliffen werden.

In diesem Problemhorizont könnte sich Sudbracks Unterscheidung
von offener und geschlossener Meditation als hilfreich
erweisen. Diese Unterscheidung Sudbracks gründet sich nicht
auf verschiedene Meditationsmethoden, in ihnen, meint er, sei
sogar ein weltweiter interreligiöser Ausstausch denkbar. Offene
bzw. geschlossene Meditation seien von bewußten oder unbewußten
Vorentscheidungen und Meditationsintentionen her zu
bestimmen. Als „geschlossen" bezeichnet Sudbrack eine Meditation
, die - gleich ob in sublimer Geistigkeit oder in unmittelbarer
Leiberfahrung - „sich weigert, die letzte Ungreifbarkeit des
Göttlichen anzuerkennen, die es nicht wagt, sich und die eigene
Erfahrung grundsätzlich ins andere zu übersteigen" (24). Dieser
„gula spiritualis", dieser meditativen „Selbstbefriedigung" steht
die „offene Meditation" gegenüber, für deren Bestimmung Sudbrack
die auf Gotteserfahrung bezogene Formel J. T. Ramseys
aufgreift: „Erfahrung und mehr als Erfahrung".

Eine Antwortformulierung Sudbracks auf die Titelfrage seines
Buches ist dementsprechend die folgende: „Die Offenheit der
Erfahrung zum endgültigen, nie zum umfassenden, aber doch
zugänglichen Geheimnis ist Grundmerkmal des christlichen
Meditierens." (24) Gleichsinnig dazu gehören zu den Grundkriterien
offener Meditation „das betende Anerkennen der
.Absolutheit' Gottes", die „innere Haltung vor dem Leiden".
„Engagement für die Nöte der Welt", die „Hoffnung", eine
„Ehrfurcht vor dem Geheimnis" und - auch wo man sich nicht
zur personalen Freiheit Gottes bekennen kann - die „Anerkennung
einer fremden Freiheit" sowie die Öffnung der Erfahrung
auf eine glaubende „Entscheidung" hin (26ff).

In beigegebenen Schauskizzen werden Vorgänge und Differenzierungen
des Meditierens zusätzlich erläutert.