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Ausgabe:

1992

Spalte:

849-851

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Relazioni 1992

Rezensent:

Irmscher, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 117. Jahrgang 1992 Nr. 11

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tion und Restauration stehen sich innerlich sehr nahe" (3). Das
Selbstverständnis der alten Orden war es, „Korrektiv der durch
einen allgemeinen Antiprotestantismus drohenden Veränderung
der Kirche" zu werden, die sich als „absolute Dominanz der Seelsorge
und der Protestantenbekehrung" artikulierte (5) und sich
in der „Stärkung des Amtes, des päpstlichen wie des bischöflichen
" zeigte (6). Dieser Tendenz gegenüber behaupteten die
Orden die „mittelalterliche Pluralität" als „Träger des volkskirchlichen
, gewohnheitsrechtlichen Elementes", das sie „auf
weite Strecken hin noch" vertraten (7). So war der ständig wiederkehrende
Ruf nach dem „guten alten Recht" zu verstehen
(vgl. z. B. 223f, 235, 242).

Nur gelegentlich ergeben sich in der Darstellung Einblicke in
das innere Leben der (restituierten) Klöster (vgl. 262, 399f, 697
Anm. 174). Dies mag in der Sache begründet sein. Andere „weiße
Flecken" in der Untersuchung sind wohl als schmerzhafte Zeichen
der Entstehungszeit der Arbeit zu werten, die 1979 begonnen
wurde und der Theologischen Fakultät Mainz als Habilitationsschrift
vorlag. Sie betreffen den Ausfall der Einbeziehung
von Archiven in der ehemaligen DDR in die Quellen für die Untersuchung
, damit aber auch die Rückfrage nach der Stellung
kleinerer Territorien in diesem Teil des Reiches wie z. B. des Fürstentums
Scharzburg-Rudolstadt und den Restitutionsversuch
für Paulinzella. Auch das Vorwort vermerkt diese Lücke nicht,
und die Falschschreibung von Ortsnamen (238 Anm. 14: Leis-
ning statt Leisnig, 327 Anm. 352: Gräfenthonna statt Gräfentonna
, 330 Anm. 378: Berneburg statt Bernburg) erinnert an die
eingetretene „Entfernung".

In der äußeren Gestaltung sind zwei Schönheitsfehler anzumerken
: Auf S. 450 fehlt der Text zu Anm. 266a. Schwerer wiegt,
daß der Haupttext von S. 380 völlig ausgefallen ist. S. 380 enthält
lediglich die zu seinem vorgesehenen Text gehörenden Anmerkungen
und im übrigen bereits den Text von S. 381, der also doppelt
auftaucht.

Die oben erwähnte Geduld und Ausdauer beim Studium des
Buches fallt nicht schwer - bei aller Präzision der Darstellung
verliert der Text sich nirgendwo in Einzelheiten, sondern weiß
Prozesse zu analysieren und aufmerksam zu deuten. Das Buch
wird auf absehbare Zeit ein Standardwerk bleiben, das Dank und
Bewunderung verdient.

Leipzig Ernst Koch

Studi Gregoriani. Per la Storia della „Libertas Ecclesiae". A cura
di A. M. Stickler, O. Capitani, H. Fuhrmann, M. Maccarrone,
R. Schieffer. R. Volpini. XIII. Rom: LAS 1989. XI, 433 S., 8
Taf.gr. 8 .

Persönlichkeit und Werk Papst Gregors VII. (geboren um
1020, gestorben Salerno 25. Mai 1085; Pontifikat von 1073-
1085) haben in unserer Zeit aufs neue Aktualität gewonnen, in
der das Postulat einer Ecclesia semper reformanda ebenso gegenwärtig
ist wie die Forderung nach der Libertas ecclesiae gegenüber
den weltlichen Gewalten. Es nimmt daher nicht wunder,
daß ein so relativ unwichtiges Datum wie die 900. Wiederkehr
des ersten Exils des damaligen Mönches Hildebrand im Jahre
1947 Veranlassung zu einer nachwirkenden editorischen Initiative
gab. Der Salesianer G. B. Borino, Skriptor an der Vatikanischen
Bibliothek, rief damals die „Studi Gregoriani" ins Leben,
von denen die drei ersten Bände jenem unfreiwilligen transalpinen
Aufenthalt Hildebrands als Begleiters Papst Gregors gewidmet
waren. Bis zum Band 7 (1960) betreute Borino die Reihe,
dann ging sie nach seinem Ableben in die Verantwortung der
Pontificia Univcrsitä Salesiana in Rom über. Die Kuratoren der
Reihe nahmen einen weiteren Gedenktag, nämlich die letzte Verbannung
Gregors und seinen Tod in Salerno, zum Anlaß einer
internationalen Konferenz zum Thema „Die Gregorianische
Reform und Europa", die im Mai 1986 in Salerno stattfand. Als
Rapporteure waren Gelehrte von hoher Sachkunde aufgeboten,
so daß der vorliegende 13. Band der „Studi Gregoriani", der die
Relazioni jenes Kongresses enthält, das Thema großflächig abdeckt
. Die Einleitung über die historischen und juristischen Voraussetzungen
der Gregorianischen Reform gab Kardinal Alfons
M. Stickler, lange Jahre hindurch Professor des kanonischen
Rechts und selbst Salesianer; er hatte auch die in Italien
gebräuchliche Presentazione des Protokollbandes übernommen.
Seine Darlegungen werden ergänzt und erweitert durch den folgenden
Beitrag von Carl Gerold Fürst, der verdeutlicht, daß Gregor
hinsichtlich des Kardinalskollegiums und der päpstlichen
Verwaltung keine tiefgreifenden Veränderungen vornahm, daß er
aber gleichzeitig mit seinen Ideen zukünftige Entwicklungen beeinflußte
. Die elf Synoden, die mit dem Pontifikat Gregors verbunden
sind, charakterisiert Robert Somerville vor allem auf der
Grundlage der Papstregister und der 1972 edierten „Epistolae
vagantes" Gregors. Michele Maccarrone fragte nach dem Bezug
der Gregorianischen Konzeption des römischen Primats auf den
Apostel Petrus; in einer Kundmachung vom Jahre 1084 ist das
entsprechende Kredo prägnant formuliert: „beatum Petrum,
apostolorum prineipem, esse omnium Christianorum patrem et
primum post Christum pastorem, sanetamque Romanam eccle-
siam omnium ecclesiarum matrem et magistram." Mit Gregor
als Kirchenrechtler befassen sich die beiden folgenden Abhandlungen
. Horst Fuhrmann läßt, ausgehend von dem vieldiskutierten
Dictatus papae, den in das Briefregister Gregors eingefügten
undatierten Leitsätzen, deutlich werden, daß das Kirchenverständnis
des großen Pontifex durch Sendungsbewußtsein sehr
viel intensiver bestimmt war als durch kanonistische Orientierungen
. Giorgio Picasso aber warnt davor, bei Gregor ein mona-
stisches und ein klerikales Denken gegenüberzustellen; sein rationales
Verständnis von Solidität (soliditas) und Richtigkeit
(rectitudo) im Leben der Kirche habe vielmehr gefordert, „ad
formam canonicae et apostolicae diseiplinae reducere". Die
Schwierigkeiten, die Zeitgenossen den Gregorianischen Reformen
entgegenstellten, führt Werner Goez eindrücklich vor
Augen. Die Bedeutung der von Gregor durchgesetzten römischen
Liturgie als Ausdruck des Gehorsams gegenüber der römischen
Kirche und dem Papst hebt Reinhard Elze heraus. Die weltweite
Wirkung der Reformtätigkeit Gregors haben die folgenden Relazioni
zum Gegenstand: nach einer weitausgreifenden Introduktion
Rudolf Schieffers, betitelt „Gregor VII. und die Könige
Europas", behandelt Jean Gaudemet den Bezug auf Frankreich,
unterrichtet Antonio Garcia y Garcia über die Spezifika der
Pyrenäenhalbinsel, führt Harald Zimmermann nach Deutschland
, erörtert Giuseppe Fornasari die Auswirkungen im Regnum
Italiae, richtet H. E. J. Cowdrey den Blick auf dieanglonormanni-
schen Herrschaften und auf Skandinavien, bespricht Nicola Ci-
lento die süditalienischen Gegebenheiten, namentlich in den von
Byzanz beherrschten Territorien. Abgerundet wird das Buch
durch den Hinweis auf die zeitgenössische Publizistik, insonderheit
den Liber ad Gebehardum, der Ovidio Capitani verdankt
wird, und naturwissenschaftliche Reflexionen von Gino Forna-
ciari und Francesco Mallegni über die Reliquien des heiligen
Gregor.

Es gehört zu den Besonderheiten italienischer Kongresse, daß
deren Ergebnisse durch eine Persönlichkeit von hohem wissenschaftlichen
Rang zusammengefaßt und in weitere Zusammenhänge
gerückt werden. Diesmal versah diese Aufgabe Cinzio Vio-
lante, der auch auf einen Diskussionsbeitrag von Ernst Werner
(Leipzig) hinwies, welcher leider nicht in die Akten aufgenommen
werden konnte. Den Relazioni des besprochenen Bandes
sollen in einem weiteren die kürzeren Kommunikationen des